LIVING HISTORY / GELEBTE GESCHICHTE

175 - Zentralschmieranlage Zentriererei / Ende der 70er
Die Zentriererei war in der Halle 3 im OG, gleich beim südlichen Eingang der Halle. Zeitig morgens konnte man dort den Sonnenaufgang beobachten, denn die Fensterfront war genau Richtung Osten und man konnte bei klarem Wetter über die Felder bis nach Vösendorf, Oberlaa und Schwechat sehen.

Die fast fertigen Glaslinsen für die Objektive (nach dem doppelseitigen Fräs,- Schleif,- und Poliervorgang) wurden auf speziellen Fräsmaschinen zentriert; d. h. sie wurden dort so eingespannt, daß die Dickste Stelle genau in der Mitte ist, um die Ungenauigkeiten zu den Rändern wegzufräsen. Denn wenn die Linsen in den Objektiven eingebaut waren, musste der Mittelpunkt auch genau in der Mitte sein; und das bei allen Linsen im Objektiv. Das waren oft viele verschiedene, kleine und große, dünne und dicke, konkave und konvexe.

Diese halb,- und vollautomatischen Zentriermaschinen waren von der Maschinenfabrik Loh Wetzlar, mit der Bezeichnung LZ 25A, für die kleineren Linsen und die mit der Bezeichnung LZ 80A für die mit größeren Durchmessern.
Linsen mit großen Krümmungsradien, solche welche in der Mitte kaum dicker oder dünner waren als außen, mussten einzeln und manuell in die Spannvorrichtung eingelegt werden. Dazu war auch eine spezielle Einrichtung erforderlich: ein Laserstrahl. Nur durch ihn war es möglich, den Mittelpunkt der Linse auch in die Mitte des Spanndornes zu positionieren.
Gleichzeitig wurde dabei die Dicke der Linse gemessen und wenn der nicht passte - es handelt sich dabei um Abweichungen im 1/100 mm Bereich - aussortiert.

Als ich 1973 bei der Firma Eumig als Elektriker zu arbeiten begann, gab es - soweit ich mich noch erinnern kann - etwa 15 dieser Maschinen. Jede einzelne hatte für die Schmierung der sehr schnell laufenden Diamantfrässcheibe - welche nicht nur den Durchmesser sondern auch die Fase (die Kante oben und unten) bearbeitet - eine eigene Schmierölaufbereitung: eine neben der Maschine auf rollen stehende Wanne mit Kammern, wo sich der abgearbeitete Glasschlamm absetzen konnte, eine Pumpe für die Förderung des Schmieröles wieder zur Frässcheibe und eine Absaugung für den Ölnebel. Dieser Nebel wurde mit Drahtwaschelfiltern so recht und schlecht aus der Absaugluft zurückgehalten, welcher dann in den Ölbehälter abtropfte. Die (fast ölfreie) Luft strömte wieder in den Raum zurück. Der Abscheidegrad dieser Filter war nicht gut, so daß sich in der Abteilung überall ein ganz dünner Ölfilm bildete. Speziell der Boden war da ein Problem, da man leicht ausrutschen konnte. Selbst oftmalige Bodenreinigung half wenig. Aber alle wussten das und verhielten sich dem entsprechend.

Steigende Linsenproduktionszahlen erforderte eine Vergrößerung der Abteilung und erhebliche Aufstockung des Maschinenparkes: enger aufgestellte Maschinen ließen keinen Platz mehr für die Ölaufbereitungswannen. Auch war es recht zeitaufwendig, die vielen Wannen zu reinigen, wobei in dieser Zeit die Maschine nicht produktiv war. Durch den 16 Stunden Schichtbetrieb und teils erhebliche Glasabarbeitung der Linsen war die Qualität des Öles (nicht frei von feinstem Glasabrieb) nicht optimal. Auch musste immer wieder da und dort Öl nachgefüllt werden, da produktionsbedingt Öl auf den Linsen verblieb und als Aerosol in die Luft gelangte.

Es wurde eine zentrale Ölaufbereitung im EG der Halle (unter der Zentriererei) und eine Ölnebelabsaugung im Dachboden (über der Zentriererei) installiert. Das alles wurde vom Technischen Dienst des Werkes gemacht (Maurer, Schlosser, Elektriker, Maler, Tischler).

Die Anlage bestand aus Ölnebelabsaugventilatoren vom Fabrikat Filtermist. Da im Dachboden befindlich, war keine zusätzliche Lärmbelästigung in der Abteilung; die Fräsmaschinen selbst waren laut genug. Die Fortluft führte über Dach und das ausgefilterte Öl floss über eine Leitung zurück zur Ölaufbereitungsanlage. Dicke Leitungen vom Dachboden führten durch die Abteilung und daran war jede Zentriermaschine mit einem dicken, durchsichtigen Plastikschlauch angeschlossen. Darin konnte man das Schwappen des Zentrieröles sehen, überall dort, wo der Schlauch eine Senke hatte.

Für das Zentrieröl selbst gab es im EG je einen großvolumigen Trüböl,- und einen Reinöltank aus Eisen. Beide waren im oberen Bereich so verbunden, daß das Öl von dem einen in den anderen Behälter fließen konnte. In den Trüböltank floss bei Produktion der Zentriererei das mit Glasschlamm kontaminierte Öl, aus dem im unteren Bereich eine Kammerfilterpresse das Trüböl ansaugte und filterte, und in den Reinöltank pumpte. Die Filterpresse war so stark, daß sie selbst bei voller Auslastung der Zentriererei mehr Öl filtern konnte, als von den Maschinen gebraucht wurde. Dadurch war der Reinöltank immer übervoll und so floss das überschüssige reine Öl in den Trüböltank über und reinigte diesen zusätzlich. Aus dem Reinöltank wurden die Zentriermaschinen versorgt. Während den Mittagspausen konnte man sehen, daß sich der Trüböltank nach und nach klärte. Die Füllmenge der Anlage war standardmäßig so, daß bei Stillstand (in der Nacht) der Reinöltank voll und der Trüböltank fast voll war. Bei Betrieb war das Ölniveau etwas tiefer, da sich viel in den laufenden Maschinen befand. Je nach Verschmutzung der Filterpresse ließ deren Umlaufmenge nach und es floss weniger bis gar kein Reinöl in den Trüböltank über. Nach und nach senkte sich im Reinöltank das Niveau. Im Schlimmsten Fall floss Trüböl in den Reinöltank über. Bevor das aber stattfand, wurde die Filterpresse vom Personal der Zentriererei gereinigt. Es gab in den Tanks Niveauüberwachungen mit entsprechenden Anzeigelampen in der Zentriererei. Lediglich, wenn kein Schmieröldruck vorhanden wäre, könnte nicht zentriert werden. Nach Ende der Nachmittagsschicht lief die Filterpresse eine gewisse Zeit nach, um restlich ablaufendes Öl aus den Maschinen und den Trüböltank klar zu filtern.
Durch diese Anlage war es möglich, mit den nun eng aneinander stehenden Zentriermaschinen unterbrechungsfrei den ganzen Tag und mit optimal aufbereitetem Öl zu arbeiten. Lediglich die Elektriker hatten schweren Zugang zu den Schaltkästen der Zentriermaschinen bei Störungsbehebungen.

Ähnlich bei der Fräsemulsionaufbereitung in der Linsenfräserei:
Auch hier wurde von der Einzelversorgung der Maschinen auf eine Zentralversorgung umgestellt. Durch steigende Produktionszahlen, mehr Maschinen und enger aufgestellten Maschinenpark und der Notwendigkeit, die Maschinen unterbrechungsfrei zu verwenden, wurde das gemacht.
Beim Fräsen von Linsen findet erheblicher Materialabrieb statt: denn in kürzester Zeit wird aus dem zylindrischen Glasstück eine Linse gefräst. Die Maschinen - Fabr. Optik Dama FS3 - waren dabei nicht zimperlich und gingen ordentlich zur Sache. Man konnte deutlich den Glasabrieb mit der Diamantscheibe sehen.
Die mit Glasabrieb kontaminierte Emulsion - sie diente auch zur Kühlung beim Fräsen - floss durch ein Absetzbecken, woraus mit Förderketten und daran mehreren montierten Platten das Gröbste ausgeschöpft wurde. Zusätzlich wurde die Emulsion mit zwei größeren Zentrifugen - zur schnelleren Absetzung von kleineren Partikeln - gereinigt. Die nun wieder relativ saubere Emulsion kam in einen Versorgungstank, woraus mit einer Pumpe die Fräsmaschinen versorgt wurden. Die Maschinen konnten dadurch unterbrechungsfrei verwendet werden, da die Anlage in einem anderen Raum war.
Geschrieben von Helmut Wagner am 19 Jän. 2023 20:52

174 - Mein Ende bei der Firma NGI / diesem Standort (Oktober 1995)
Der Firma ging es finanziell recht schlecht - Missmanagement, wurde immer hinter vorgehaltener Hand gesagt. Ein neuer Geschäftsführer hatte die Firma im Jahr 1989 übernommen. Er war selbstsicher bei seinen Entscheidungen, duldete keinen Widerspruch und war gewohnt, daß alle widerspruchslos nach seiner Pfeife tanzen. So ergab es sich, daß sich niemand etwas sagen traute, was Führungsstil, kaufmännische und finanzielle Entscheidungen betraf. Durch seine Überheblichkeit und Sturheit bei Verhandlungen mit Kunden und Zulieferfirmen gingen viele Aufträge verloren.

Als es dann finanziell zusehends in der Firma enger wurde, hatte er eine - seiner Meinung nach - geniale Idee: "saleFEHLERANDDBlease back!", mit anderen Worten: das Gebäude, das Grundstück, alle Maschinen verkaufen und gleichzeitig zurück mieten. Somit hat man plötzlich sehr viel Geld und ist von einem auf den anderen Tag saniert. Im Laufe der Zeit kann man das verkaufte - aber nur das, was man braucht - dann wieder langsam zurückkaufen. Jedoch hat er nicht damit gerechnet, daß sich der Niedergang fortsetzen wird. Schließlich war das Geld weg und die Schulden häuften sich. Rücklagen gab es nicht, keinen Firmenbesitz, alles gehörte ja schon lange der Bank und die wollen jedes Monat Geld (Miete) für das Grundstück, Gebäude und die Maschinen.

Ein teurer CNC - Dreh / Fräsautomat wurde angeschafft. Ein älterer Maschineneinsteller für die rein mechanischen Index - Drehautomaten wurde vor die Entscheidung gestellt: entweder er eignet sich das Wissen über die Programmierung der Maschine selbst in Eigenregie an, oder er wird gekündigt. Schließlich hatte er das erforderliche Wissen.

Der Automat war für die Herstellung von Objektivfassungen vorgesehen, dazu wurden in einem Arbeitsgang (ohne Umspannen) verschiedene Durchmesser gedreht, Gewinde geschnitten und Kurven für die Verschiebung der Linsen (Zoomobjektiv) gefräst. Da die Stückzahl solcher Objektive nie sehr hoch ist, war es ideal, alle Daten elektronisch zu speichern und bei Bedarf abzurufen. Somit konnten schnell auch nur wenige oder einzelne Teile hergestellt werden. Die Fräser, Drehmesser, Bohrer und Gewindeschneider waren fertig voreingespannt und wurden von der Maschine bei Bedarf automatisch eingeschwenkt, um damit zu arbeiten.
Das angeeignete Wissen konnte er aber nicht wirklich einsetzen, weil: es wurden nur für die Werkseigene Optik Abteilung produziert; für Fremdaufträge war sich der Firmenchef zu fein. Schließlich hat er auch die ganze Optik Abteilung ausgegliedert und an die Firma Docter Optic verkauft. Und für eine Fremdfirma produziert er nichts. Somit war der Drehautomat nutzlos; er wurde verkauft, an eine Firma in irgendeinem fernen Bundesland in Österreich. Der Maschineneinsteller hatte nun die Möglichkeit, entweder mit der Maschine eben auch in dieses Bundesland mit zu übersiedeln, oder gegen einen gewissen Lohnverzicht im Betrieb weiter beschäftigt zu bleiben. Man kann sich vorstellen, wie es dem gegangen ist: viele Jahre bei Eumig, dann bei Optik Elektronik, Norma, NGI und nun das.

Auch die Arbeiter und Angestellten der Optik Abteilung hatten es nicht leicht in den Monaten, bis alles zu Firma Docter Optik übersiedelt war. Der Preis für das Mittagessen wurde mit einem kleinen Zuschuss der Firma verbilligt. Für die Optik Leute gab es diesen Zuschuss nicht; im Gegenteil, sie mussten extra drauf zahlen: kein Zuschuss, aber Gebühr für Benützung des Speisesaales und des Geschirres.
Gegen Ende der Optik Abteilung in der Firma noch etwas: als Elektriker hatte ich die Aufgabe, deren Maschinen - soweit sie fix angeschlossen waren - abzuklemmen. Die dafür benötigte Zeit musste ich extra aufschreiben; sie wurde der Docter Optik verrechnet. Auch wenn ich schweres für sie transportiert hatte, mit dem Stapler den LKW beladen; Zeit aufschreiben, damit es weiter verrechnet werden kann.

Weil es auch immer mehr Zahlungsverzug an Zulieferfirmen gab, bekam die NGI vermehrt nur mehr Material gegen Barzahlung. Täglich gab es in der Früh Krisensitzungen in der Geschäftsführung, welches der bestellten und am Postamt liegenden Materiallieferungen am Dringendsten (und wie viel davon) heute für die Produktion benötigt wurde. Mit verschiedenen Auflistungsvarianten wurde dann bei der Bank um Geldfreigabe für die Materialien angesucht. Mit diesem Bargeldbetrag fuhr dann der Installateur zur Post, um die einzelnen Materialien aus der Lieferung heraus zu kaufen. Dabei musste er oft lange warten, denn die Postler fertigen zuerst jene Kunden ab, welche ihre Ware komplett abgeholt haben. Bei NGI mussten die Pakete einzeln heraus gesucht werden, denn es gab nur das, wofür bezahlt wurde, bzw. was von der Bank genehmigt wurde. Zwischenzeitig saßen die Frauen am Fließband und den Produktionsmaschinen gelangweilt herum, weil kein Material da war. Oft begann die Produktion erst zu Mittag, eine produktive Katastrophe für eine Firma. Der Chef sagte dazu, daß das alles nur die Schuld der Bank ist.

Mit dem Auto vom Chef musste ich öfters tanken und waschen fahren. Es war ein Mercedes S400, ein damals recht teures Auto. Er war sehr groß und daher der Autositz recht weit hinten. Ich konnte - wenn ich auf die Pedale trat - nicht mehr am Sitz sitzen bzw. wenn ich saß, kam ich nicht zu den Pedalen. Also den Sitz nach vor, auch die Außenspiegel musste ich verstellen, um ordentlich sehen zu können. Deswegen musste ich zur Chefsekretärin, welche mir im Auftrag vom Chef einen Vortrag hielt: ich dürfe im Auto keine Einstellungen verändern; und außerdem war eine Fliege im Wagen. Ich ärgerte mich schon etwas wegen so einer Überheblichkeit, denn per Knopfdruck konnte der Wagen alle gespeicherten Einstellungen von Sitz und Spiegel abrufen und anfahren; das kostete ihm nur einen Tipp mit dem Finger, um alle Einstellungen wieder her zu stellen und im Sommer kann es schon vorkommen, daß eine Fliege im Auto ist. Wenn er Strafmandate bekam, oder Anzeigen wegen Parken oder Schnellfahren, gingen die alle zur Buchhaltung; bezahlen musste das die Firma, nicht er, wie er meinte. Immer wieder waren Strafzetteln hinter dem Wischerblatt; er war sich zu gut, die anzugreifen. Das mussten die Leute von der Hausverwaltung machen, wenn sie Autowaschen oder tanken waren.

Gelegentlich vergas er bei seinem Chrysler Voyager das Licht abdrehen. Die Batterie war dadurch leer. Er sagte jedes Mal, die Batterie ist kaputt - eine neue ist einzubauen und über die Firma abzurechnen; wehe dem, der behauptet hätte, er hätte wieder das Licht brennen lassen.

Eines Tages hatte er aber Pech: nach dem Service seines Mercedes wollte die Werkstatt Bargeld sehen, sonst gibt es das Auto nicht. Er / die Firma war schon mit einigen der Letzten Rechnungen im Rückstand. Er war voll wütend und brüllte im Büro herum; es nützte nichts - ohne Bargeld kein Auto. Der Arbeiter, welcher das Auto abzuholen hatte, wurde aufgefordert, das Geld vorauszulegen, konnte aber den hohen Betrag nicht leisten. Aber am Telefon konnte er sich was anhören. Da dieser Kollege von einem anderen zur Werkstatt gebracht wurde, war er ohne Fahrzeug dort. Da die Diskussionen wegen dem Wagen recht lange gedauert haben und er spät nach Hause kam, hat er sich Überstunden aufgeschrieben. Das Lohnbüro wurde von der Geschäftsführung angewiesen, diese nicht aus zu bezahlen, da der Arbeiter das Auto an diesem Tag nicht abgeholt hat; die Firma zahlt nicht für unausgeführte Aufträge. Dieses Ereignis machte aber schnell die Runde in der Firma.

Auch die Zustände in seiner Villa in Gaaden: ein auf Leibrente gemietetes, größeres Anwesen. Betreut von den Arbeitern der Firma NGI zwecks Instandhaltung, Umbauten und Reinigung. Ein Gärtner, welcher mehr dort als in der Firma beschäftigt war, musste immer die mit Kies beschüttete Zufahrt mit einem Rechen glatt machen, daß - wenn der Chef kommt - er mit dem Mercedes über den unbenutzten, knisternden Untergrund fahren konnte. Seine Söhne machten sich einen Spaß daraus, im planierten Kies herumzulaufen, was dem Gärtner dann Schwierigkeiten bescherte, weil die Auffahrt verwühlt war.

Als er das Anwesen nicht mehr wollte - das mit der Leibrente dauerte ihm schon zu lange und mit dem Geld hätte er es (seiner Meinung nach) auch schon kaufen können - war ein Vertragsaustritt im Gespräch. Er wollte von der alten Dame nun eine Ablösung für seine Investitionen im Haus und dem großen Pool. Die Dame sagte aber, Rückgabe in dem Zustand, wie es war. Sie brauche das Pool nicht, will aber die alten, großen Bäume wieder, welche er gerodet hatte. Was daraus wurde, weiß ich nicht.

Dann kamen auch noch finanzielle Probleme mit der Steuer und der Sozialversicherung. Lohngelder wurden von Monat zu Monat unpünktlicher überwiesen, immer ein paar Tage später als üblich, aber im gesetzlichen Rahmen. Schuld ist nur die Bank, die macht die Probleme, sagte er dazu. Die Bank wollte eigentlich den unliebsamen Chef von der Firma entfernen. Damit war er nicht einverstanden und suchte einen Ausweg. Es gab dann zwei Optionen - die NGI wollte von einer anderen übernommen werden: ein amerikanisches Unternehmen gab bekannt, alle beschäftigten mit gleichen, gewohnten Bedingungen zu übernehmen, der Geschäftsführer muss aber gehen. Ein Schweizer Unternehmen belasse den Chef, von der Belegschaft müssen 50 Leute im Zuge eines Ausgleiches gehen und der Rest - ja jetzt kommt etwas (meiner Meinung nach) ungeheuerliches: jeder Beschäftigte unterschreibt eine freiwillige Lohnreduktion (in meinem Fall wären das 20 %) und kann somit für die nächsten Monate seines Arbeitsplatzes sicher sein, oder es könnte zur Kündigung kommen. Wenn nicht unterschrieben wird und es zur Kündigung kommt, gäbe es Probleme mit dem Arbeitsamt, weil der Arbeitsplatz mutwillig aufs Spiel gesetzt wurde. Alle Beschäftigten waren nun verunsichert, was kommen wird. Der Betriebsrat war etwas hilflos, was er empfehlen sollte, die rechtliche Situation unklar, jeder müsse das selbst für sich abwägen und entscheiden.
Nun hatte der Chef genau das was er wollte: er blieb Chef, die Belegschaft war verunsichert, einige kündigten selbst, einige wurden über den Ausgleich entfernt, ein großer Teil unterschrieb die (freiwillige) Lohnreduktion und unerwünschte - welche nicht unterschrieben hatten - wurden gekündigt; so auch ich. Besonders ärgerlich und unverständlich, daß es Leute gab, welche in dieser Situation sogar noch eine Lohnerhöhung bekommen haben.

Nun hatte die Firma den Namen LEM Instruments; ich war nicht mehr dort, nicht mehr auf dem Areal, wo ich als Lehrling zu arbeiten begonnen hatte und über 22 Jahre tätig war. So ist es, jeder ist ersetzbar und irgendwie geht es immer weiter, wenn auch anders. Ich fragte mich oft, was werden die machen, wenn es Probleme mit der Heizung gibt, welche sie nicht lösen können, weil sie nicht die Erfahrung mit dem Gebäude und seinen Eigenheiten haben. Von Palmers - dem Lieferant von Strom und Wärme - kam in der letzten Zeit auch nicht viel technische Unterstützung. Dem Palmers - Techniker waren meine beiden Nachfolger auch unsympatisch, weil sie überheblich und immer obergescheit agierten. Meinem Nachfolger, welchem das alles - nach eigenen Aussagen - ganz wurscht war, hätte ich gerne beim ersten größeren Problem gesehen, was er da mit seinem Chef geredet hat. Aber ja, er vergab die meisten Arbeiten an Fremdfirmen und war Liebkind der Führungsetage.
Es dauerte erstaunliche Weise gar nicht lange, bis ich mich von dieser Firma gedanklich trennen konnte, denn in den letzten Monaten war das Arbeitsumfeld immer wieder durch Leute aus der Verwaltung vermiest worden (Mobbing?).

Im Jahr 2001 siedelte diese Firma LEM von dem Areal weg. Etwa die Hälfte der ehemaligen Eumig Werksfläche war von der Firma Palmers benützt, der Rest war ab nun eine Industriebrache. Von Jahr zu Jahr verfiel dieser Bereich, Unkraut und Bäume wurden immer höher, Fenster wurden trübe, Parkflächen brachen auf und Pfanzen holten sich Flächen zurück.

Einige Jahre später wurde die Halle 10 abgerissen; eine neue Firma baute hier kleinere Gebäude. Dazu mussten neue Anschlüsse für Wasser, Kanal, Strom, Gas und Telefon hergestellt werden, denn ursprünglich wurde alles am Areal von Eumig / Palmers zentral versorgt.

Im Jahr 2006 gab es dann umfangreichere Aktivitäten: große Abrissbagger und Maschinen machten sich an den ehemaligen Werkshallen zu schaffen. Alles wurde abgetragen und materialmäßig getrennt: Metall, Holz, Isolierstoffe, Beton, etc. Vieles wurde in Containern abtransportiert; Ziegel und Beton mit einem großen Prallbrecher in Golfballgroße Stücke zerbröselt und damit die ehemaligen Kellerräumlichkeiten und Künetten gefüllt. Alles unter dem Erdboden wurde ausgegraben (Betonfundamente, Kabelgänge, Kanalrohre, etc.), das Grundstück in den ursprünglichen Zustand versetzt. Der fortschreitende Gebäudeabriss gab ungeahnte Einblicke in die seinerzeitige Bausubstanz frei. Als dann der Innenhof zwischen Halle 1 und 2 von der Straße aus sichtbar wurde, kam der wunderschöne Magnolienbaum und die inzwischen sehr hohen Rosenbüsche, welche an den Lampen der Beleuchtung hoch gewachsen waren, zum Vorschein; ein herrlicher Anblick, wenn nicht die Umstände des Abrisses für mich so traurig wären.

Als alles fertig planiert war, betrat ich das kurzzeitig unversperrte, leere Grundstück. Lediglich der Werkszaun und der offene Wassermesserschacht waren noch Zeugen vergangener Zeiten. In Gedanken versunken ging ich über die Bereiche, wo früher die Portierloge, Hallen 1 bis 3, Nord / Südtrakt, Technischer Dienst und Halle 9 standen. Wie im Zeitraffer erinnerte ich mich an die vielen Tätigkeiten an den verschiedenen Orten am Gelände, speziell wenn ich irgendein technisches Überbleibsel am Boden fand, welches von den Abbruchmaschinen nicht bis zur Unkenntlichkeit geschrottet wurde. Das waren z.B. Elektroklemmen und Drähte, Lichtschalter, Heraklithreste der Dachisolierung, kurze alte Kabelstücke mit zerbrochenen Verbindungsdosen, Parkettbodenreste, Glaslinsen, Blechteile vom Dach oder Dachrinne, Ventilteile der Wasser/Heizungs/Pressluftinstallation, Fragmente von den Klimaanlagen im Keller, ein Verschlußfragment von einem Oberlichtfenster, oder auch die Reste von der wunderschönen Magnolie und den meterhohen Rosen in den Innenhöfen und Teile deren Beleuchtung. Unbeschreiblich auch der Anblick von den verbliebenen Gebäuden wie Hochhaus, Stanzerei, Maschinenhaus und Fertiglager aus einer Position, wie sie sonst nie sichtbar waren, weil ich ja jetzt dort war, wo früher die Hallen standen.

Gelegentlich war ich wieder am Areal, wenn das Einfahrtstor - aus welchen Gründen auch immer - offen war und ging gedankenversunken über die Fläche. Jedes Mal waren weniger der zuvor beschriebenen kleinen Dinge zu sehen aber dafür wurde das Unkraut immer höher. Auch waren einige kleine Büsche gewachsen und beim Notausgang der Stanzerei wurden daraus schon Bäume, so daß man die Türe nicht mehr sehen konnte. In der anderen Ecke des Areals sah ich den eingebrochenen, unterirdischen Schacht, welcher von der Klima 4 (Nordtrakt bei Halle 1) zum Fertiglager ging.

Noch Jahre danach erinnert mich die gestutzte Mauer (sie steht im November 2021 noch) neben der Einfahrt an den Tag, wo ich das erste Mal am 3. September 1973 das Areal der Firma Eumig, Eumigstraße 2 betrat, um als Betriebselektrikerlehrling mein Berufsleben zu beginnen.

Siehe dazu www.eumig.at , gelebte Geschichte, beginnend mit: 1 - Bewerbung / Sommer 1973
Geschrieben von Helmut Wagner am 07 Nov. 2021 22:03

173 - Preßluftentlüftungsanlage
Eine Idee, welche ich nicht mehr verwirklichen konnte: automatische Entlüftung (Druckentlastung / Entleerung) des ganzen Pressluftnetzes. Einerseits kein Interesse der Firmenleitung für so etwas und kein Geld dafür (obwohl es recht billig gewesen wäre, denn alles Erforderliche dazu gab es im Lager), und weil meine Zeit in dieser Firma bald zu Ende war. Die Feuerwehr hätte aber ihre Freude daran gehabt und hätte das auch anderen Firmen weiter empfohlen. Zur Technik: die Pressluftinstallation in einer Firma ist oftmals recht weit verzweigt. Je nach den Erfordernissen im Betrieb hat die Druckluft unterschiedliche Drücke und je nach der erforderlichen Menge davon sind leistungsstarke Kompressoren und dicke Rohrleitungen Installiert. Auch Pufferspeicher für kurzzeitig verstärkte Luftabnahme und Laufzeitoptimierung der Verdichter sind installiert. Je näher die Luft zu den Verbrauchern kommt, umso dünner werden die Leitungen. Bei den einzelnen Anschlüssen für Pressluftpistolen, Farbsprühpistolen, Reifenfüller, Schlagschrauber, Pressluftfräser und ähnliches Kleinwerkzeug - aber auch Anschlüsse für Maschinen und deren eventuellen Pressluftsteuerungen, Pneumatikzylindern etc. sind Kunststoffleitungen im Einsatz. Auch werden in den letzten Jahren vermehrt dicke Leitungen aus Kunststoff im Versorgungsbereich eingesetzt. Überall gibt es Wartungseinheiten für den Kondenswasserablass und die Ölung der Luft für Ventile, Schubzylinder und Turbinen der Luftmotore. Das Szenario: bei einem Brand würden durch die hohen Temperaturen alle diese Kunststoffe im Druckluftsystem wegbrennen oder schmelzen bzw. platzen. Dadurch strömt im Brandbereich plötzlich viel komprimierte Luft heraus, was als brandbeschleunigt gewertet wird. Zwar wird bei Brandalarm die Presslufterzeugung deaktiviert, die verbleibende Luft im ganzen Rohrsystem ist aber enorm und würde dann in den Brandbereich leerströmen. Die Abhilfe: bei Brandalarm wird über eine 2 Zoll Leitung und ein Magnetventil (stromlos geöffnet) die Luft aus dem System über Dach abgeleitet. Durch den großen Querschnitt ist das System schnell auf ein geringes Druckniveau gefallen, dass keine Gefahr mehr beim wegbrennen oder schmelzen von Kunststoffteilen entstehen kann.
Geschrieben von Helmut Wagner am 03 Okt. 2021 19:58

172 - Stromsynchronisation durch Rufkette
Manchmal gab es Stromausfälle; keine Hochspannung war vorhanden. Wenn das länger dauerte, wurde das Dieselaggregat mit 660 kVA angelassen und sogleich (ohne Warmlaufen lassen) aufgeschaltet; die Stromversorgung war wieder hergestellt. Telefonische Rückfragen beim Umspannwerk Wiener Neudorf gaben Auskunft über die Dauer des Hochspannungsausfalles. In der angrenzenden Siedlung waren diese Stromausfälle nicht, denn durch die Vernetzung der Niederspannungsseite fallen die partiellen Hochspannungsausfälle nicht auf. Die Firma war aber auf den einen Anschluss an das Hochspannungsnetz angewiesen. Bei der Firma Eumig sind bei Tag immer mehrere Generatoren gelaufen; auch ein Maschinist war immer in ihrer Nähe. Bei Stromausfällen dauerte dieser nicht einmal eine Minute. Jetzt aber musste der Maschinist - er war auch der Installateur bei Palmers - erst ins Maschinenhaus laufen und das Aggregat starten. Trotzdem hat sich das ausgezahlt, denn es konnten beide Firmen (Palmers und Norma) wieder produzieren. Wenn die Stromversorgung wieder stabil verfügbar war, wurde die Rücksynchronisation vorbereitet und durchgeführt; das ist aber ein Vorgang, der viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung des Maschinisten erforderte. Die Anlage hatte ein nicht auffindbares, elektrisches Problem, welches nur ganz selten auftrat - und heute war wieder so ein Tag. Der bereits synchronisierte und zugeschaltete Hochspannungstransformator hat nicht gehalten; der Inselstrombetrieb musste bis nach Betriebsschluss fort gesetzt werden. Bei Inselstrombetrieb ist die Spannungsstabilität nicht so gut wie bei Netzbetrieb, auch die Frequenz war nicht immer genau 50 Hz. Plötzlich war ein Ingenieur von Norma ins Maschinenhaus gekommen (ihm sind diese Stromanomalien aufgefallen), hat sich alles neugierig angeschaut und erklären lassen. Wir kannten ihn alle: er war immer gescheiter als alle anderen und wusste auch immer alles besser. Von einem "Nicht" Ingenieur ließ er sich nichts sagen, schon gar nicht, wenn diese eine Latzhose oder Schlosseranzug anhatten. Gelegentlich hatte er haarsträubende Ideen, welche abseits seines Wirkungsbereiches oft nach hinten losgingen. In einem Elektroniklabor kann da nicht viel passieren, aber hier im Maschinenhaus kann man sich keine unsicheren Schaltversuche erlauben. Dem Problem bei der Rücksynchronisation wollte er so begegnen: den Leistungstrenner des Hochspannungstransformators händisch - manuell vor Ort einlegen. Nachdem er sich den Ablauf erklären ließ, hat er sich das so vorgestellt: wenn der Synchronisierungszeiger oben ist, ruft der Maschinist "JETZT" und der Arbeiter beim Trenner müsse ihn nur einlegen. Dabei wären zwei Leute notwendig - einer müsste schnell den Hebel hochreissen und der andere den Kniehebelmechanismus so befummeln, dass sich der Schalter überhaupt in die "EIN" Stellung bewegt, denn für eine manuelle Einschaltung war dieser Trenner nur in spannungsfreiem Zustand konstruiert; aus gutem Grund. Weil der Abstand von der Warte zum Trenner ca. 30 Meter lang und um mehrere Ecken ging, müssten mehrere Arbeiter hintereinander "JETZT" gerufen haben. Ausserdem war in der Maschinenhalle, wo die Rufkette aufgebaut werden sollte, großer Lärm durch das 800 PS starke Dieselaggregat. Bei nicht synchronem Einlegen des Schalters gäbe es einen Kurzschluss mit starkem Lichtbogen; Personenschaden nicht ausgeschlossen. Wir haben uns geweigert, diese Schaltung so durchzuführen. Der Ingenieur beschwerte sich beim Hausverwalter Nistelberger, weil wir seine Anweisungen nicht ausführen wollten. Er hätte selbst den Schalter bedient, aber niemand von uns hätte da mitgemacht. Wir haben ihn aus dem Schaltraum gedrängt und diesen abgesperrt. Erst als er sich von Nistelberger die technischen Abläufe erklären ließ, hat er von seinem Vorhaben abgelassen. Die Beschreibung der Vorgänge mit den Dieselaggregaten und der Synchronisation kann auf www.eumig.at , "gelebte Geschichte", Teil 30 und 32 nachgelesen werden.
Geschrieben von Helmut Wagner am 26 Sep 2021 23:42

171 - Technologieexportverbot (Waffenembargo)
In der Firma wurden auch hochpräzise elektronische Messgeräte hergestgestellt. Solche müssen aber periodisch überprüft und geeicht werden, damit sie offiziell anerkannte Genauigkeit haben. So wurden immer wieder Geräte von Kunden in der Firma nachgeeicht. Eines Tages ein sehr teures Gerät aus einer Universität in Jugoslawien. Nach dessen Eichung konnte es nicht mehr retourniert werden, denn es unterlag dem Waffenembargo. Angeblich befindet sich in dem Messgerät ein elektronisches Bauteil, welches diesem Embargo unterlag, und somit musste das ganze Messgerät in der Firma verbleiben. Die Universität hatte nun kein präzises Messgerät und die Firma bekam kein Geld für die Eichung.
Geschrieben von Helmut Wagner am 19 Sep 2021 21:57

170 - Militärische Zieleinrichtungen
In der Firma wurden auch optische und elektronische Einrichtungen hergestellt. Durch die Kombination dieser beiden Technologien konnten hochpräzise Produkte hergestellt werden. Ein Produktzweig war die Entwicklung und Herstellung von Messeinrichtungen für Entfernungen - auch im militärischen Bereich - und da im Besonderen für Zieleinrichtungen an Kanonen und Panzer. Neben der Genauigkeit war es ganz besonders wichtig, dass sich nicht durch starke Erschütterungen an diesen Einrichtungen etwas verstellt oder kaputt geht. Die Beschleunigungskräfte beim Abschuss einer Kanone sind enorm. So mussten alle Komponenten wie: optisches System, Elektronik, mechanische Bedienungselemente und Anschlüsse diesen Kräften stand halten können, sodass sie auch noch nach vielen Schüssen optimal funktionieren. Dazu gab es Rüttelplatten und Fallbretter, um die fertigen Geräte zu testen. Auf den Rüttelplatten wurden die fertigen Zieleinrichtungen über mehrere Minuten starken Vibrationen ausgesetzt, auf den einseitig gelagerten Fallbrettern dann hochgehoben und von über einem Meter hinunter auf ein Betonfundament fallen lassen. Das alles war sehr laut und wenn man das sah, musste man glauben, die Geräte wären danach nur mehr Schrott. Aber im Labor zeigten die Messungen, dass sich an der Präzision der Zieleinrichtung nicht das Geringste verstellt hatte.
Geschrieben von Helmut Wagner am 12 Sep 2021 21:39

169 - Hochprozentige Vertragsabschlüsse
Da die Firma auch schon in der Vergangenheit einen nicht unerheblichen Absatzmarkt in den osteuropäischen Staaten hatte, wurde natürlich auch immer dieser Bereich beworben. Bei Gesprächen mit Vertriebsleuten dieser Staaten war es üblich, vor Unterzeichnung der Verträge ordentlich zu trinken; Wodka war reichlich vorhanden und einige der Norma-Leute haben da mithalten müssen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 05 Sep 2021 20:34

168 - Salzsäureersatz
Eines Tages war keine Salzsäure mehr im Lager. Für den Galvanikbetrieb war eine Wanne mit neu verdünnter Säure anzusetzen. Der Galvanikchef sagte, wir werden dafür Schwefelsäure verwenden. Da die Konzentration in den Fässern im Lager zu hoch war, hat er sie im Ansetzbecken verdünnt. Ich kann mich noch an die Hauptschulzeit erinnern, wo gelehrt wurde, dass man beim Verdünnen zuerst das Wasser einfüllen muss, und danach, in kleinen Mengen, das Konzentrat. Immer wieder warten, ob es Reaktionen oder Erwärmung gibt und mit weiterer Konzentration zuwarten. Da er ja Chef der Galvanik war, hat ihm da niemand dreingeredet; er müsse ja besser wissen, was er macht, oder machen wird, wenn es zu Problemen kommt. Er gab zuerst 50 kg Schwefelsäure (an die Konzentration kann ich mich nicht mehr erinnern) und dann die gleiche Menge Kaltwasser in das Produktionsbecken. Es bestand aus dickem Kunststoff. Da sich nichts tat, (keine Reaktion) nochmals 50 Liter Wasser. Ziemlich schnell wurde die anfangs glasklare Flüssigkeit trübe und bald schaute es aus, als ob sich Luftblasen bilden, ähnlich, wie wenn Wasser in einem Reindl siedet. Der Galvanikchef wurde nervös, als sich zeigte, dass sich die Flüssigkeit stark erwärmt hatte. Also die Wanne mit kaltem Wasser vollfüllen. Die Flüssigkeit wurde wieder klar, aber nur für kurze Zeit. Abermals trübte sie sich und aus den kleinen Bläschen wurden richtige Blubberln. Die wurden immer mehr und größer und an der Flüssigkeitsoberfläche bildete sich eine immer dickere, und dadurch höher steigende Schaumschichte. Die austretenden Dämpfe waren deutlich scharf zu riechen, obwohl das Meiste durch die Lüftung abgesaugt wurde. Nun kam Panik auf, denn die Wände des Beckens begannen sich zu biegen; der Quadratische Behälter wurde zusehends zu einem Fass. Er rief einige seiner Leute, um den Behälter aussen mittels Schläuchen mit kaltem Wasser zu kühlen. Die Reaktion im Becken wurde immer stärker, wie auch die Schaumbildung. Schließlich ging es über und lief auf den Fußboden. An sich kein Problem, der Boden war säurefest und hatte ein Gefälle in die Bodenablaufrinne. Von dort ging es Richtung Abwasseranlage, genauer gesagt in die Neutralisation. Hier wurde der pH Wert auf 8,5 bis 9,5 geregelt. Wegen der extremen Belastung mit Schwefelsäure kam die Natronlaugenzudosierung nicht nach, die Anlage schaltete auf Störung, d.h.: keine Chemikalienzudosierung, keine Abwasserpumpen, kein Frischwasserzulauf; dafür aber eine Alarmklingel und Alarmierung der Haustechnik. Wegen der brenzlichen Situation - Wannenkühlung dringend erforderlich - blieb nichts anderes übrig, als die Abwasseranlage neu zu starten. Unabhängig vom aktuellen pH Wert gab es wieder Wasser, ich hatte vorsichtshalber die Abwasserpumpen deaktiviert. Das ging mehrere Male so, bis nach fast einer Stunde die Reaktion im Becken abgeklungen war. Das Becken war durch die Hitze komplett deformiert, aber dicht geblieben. Die Abwasseranlage bzw. deren Inhalt war pH mäßig gekippt und musste im Kreislaufbetrieb wieder mühsam neu eingestellt und der Klärschlamm neu angesetzt werden, um ihn ausfiltern zu können. Dieses dauerte einige Stunden. Das war dem Galvanikchef eine Lehre - denk nach, was du gelernt hast; oder bist du gar kein Chemiker und bist nur so auf diese Funktion als Galvanikchef gekommen?
Geschrieben von Helmut Wagner am 29 Aug. 2021 20:38

167 - Jährliche Parkplatzreinigung im Frühjahr
Jedes Jahr wurde der Parkplatz mit einer großen Kehrmaschine gereinigt. Diese Maschine ist jene, welche auch im öffentlichen Bereich von Gemeinden verwendet wird. Im speziellen war es aber eine ältere, welche von Gemeinden ausrangiert und von privaten Unternehmen zu Reinigungszwecken verwendet wird. Dadurch war der Einsatztermin jeweils an einem Wochenende möglich. Das genaue Datum war nicht bestimmt; es war terminlich nicht genau entscheidend, sollte aber nach Ende des innerbetrieblichen Winterdienstes - nach dem sicherlich letzten Streuen der Außenflächen mit Streusplit - erfolgen. Meistens erfolgte diese Parkplatzreinigung Ende März / Anfang April. Am Parkplatz war Streusplit, Laub vom vergangenen Herbst, abgebrochene kleine Äste der Birken, welche entlang der Eumigstraße waren und sonstiges, welches der Wind über die Straße von dem gegenüberliegenden freien Feld herüber geweht hatte und nach der kleinen Böschung liegen geblieben war. Eines Morgens kam ich - wie immer - mit dem Fahrrad über den Parkplatz in die Firma. In der vorigen Woche war keine Rede von einer bevorstehenden Parkplatzreinigung. Daher wunderte ich mich, dass keinerlei Streusplit, Blätter oder Astwerk am Parkplatz zu sehen waren. Auch die Wiese an der Böschung war wie zusammengekehrt; kein einziges loses Blatt oder Papierl war zu sehen. In der Portierloge angekommen erzählte mir der Portier eine anfangs unglaubliche Geschichte, welche dem Nachtportier widerfahren ist: "Ich bin etwas eingeschlafen, es war eine laue, windstille und mondlose Nacht. Alles draussen am Firmengelände war finster, nur die öffentliche Straßenbeleuchtung spendete etwas Licht. Das Radio spielte leise und einschläfernd. Plötzlich begannen die Fensterscheiben dumpf zu vibrieren, es dröhnte zusehends in den Ohren und auch der Boden begann zu vibrieren, immer stärker. Ich bekam Angst - ein Erdbeben? Dann plötzlich grelles, weisses Licht. Es schien von überall rund um die Portierloge herum zu kommen. Es war plötzlich taghell in der Portierloge, der Parkplatz war von oben stark beleuchtet. Hat es ein UFO auf mich abgesehen? Der Lärm wurde immer stärker, die Fenster zitterten und irgendwas prasselte auf die Scheiben, wie Hagelkörner, welche waagrecht daher kommen. Dann liefen plötzlich schwarz vermummte Gestalten um die Portierloge herum und schauten mit Scheinwerfern durch die Scheiben zu mir herein - ich hatte panische Angst und wusste nicht, was ich machen sollte. Ich traute mich nicht, zum Telefon zu greifen oder den Alarmknopf zu betätigen. Wie angeschweisst saß ich auf meinem Sessel, als die Tür von aussen geöffnet wurde und eine der Gestalten hereinkam. Ich war sehr erleichtert, als ich sah, dass das ein Mensch ist, mit einigen Auszeichnungen an der Uniform. Er stellte sich namentlich und mit Rang vor, dass das eben ein Übung der (ich weiß nicht mehr genau was er gesagt hat) war und dass sie geglaubt haben, dass das Firmenareal in der Nacht menschenleer ist, weil ja nirgends Licht brannte. Sie machten eine Übung - Übungsannahme: Geiselnahme in der Portierloge. Dazu kamen sie mit Hubschraubern und haben sich von oben abgeseilt. Genauso schnell wie sie gekommen sind, waren sie auch wieder weg. Zurück blieb nur der peinlich gesäuberte Parkplatz. Wenn das nicht so wäre, hätte ich sicher geglaubt, das alles nur geträumt zu haben. Doch was sollte ich dazu in den Portierbericht schreiben, dass ich geschlafen habe, dass ich nicht den Ausweis des uniformierten angefordert habe, dass ich mit der Situation überfordert war? So ließ ich es bei einer mündlichen Überlieferung der Ereignisse bewenden, um mir - und diesem Hubschraubereinsatzteam - Schwierigkeiten zu ersparen. Unglaublich bleibt es trotzdem. Lediglich der peinlich saubere Parkplatzbereich ist mein Zeuge und jeder der es glaubt." Das hat sich im Frühjahr anfangs der 1990er ereignet.
Geschrieben von Helmut Wagner am 22 Aug. 2021 22:37

166 - Feuerwehreinsätze
SIEBDRUCK: Eines Tages in der Früh ging ich am Fördergang Richtung Stanzerei. Hinter der Brandschutztüre nach der Halle 3 war es ganz finster. Obwohl es draussen hell war, sah man kein Licht durch die Lichtkuppeln herein scheinen. Ich streckte die Hand aus beim Weitergehen, denn hinter der Türe schaute es so aus, als ob da ein schwarzer Samtvorhang hängt. Doch plötzlich erkannte ich, dass das ein extrem dichter Rauch ist. Also sofort zurück, Türe schließen und den Feueralarmknopf drücken. Gleich darauf den Hausverwalter anrufen. Er war nun informiert und kam bald darauf mit der Feuerwehr, welche den perfekten Zugang zum vermeintlichen Brandherd hatte. Es wurde festgestellt: im Siebdruck, wo auch ein Ausheizofen für Lacke war, wurde dieser eingeschaltet, ohne die im Inneren liegenden Kartonagen zu entfernen. Diese konnten wegen zu wenig Sauerstoff nicht brennen, haben aber stark rußende Rauchentwicklung bewirkt. Ein in diesem Raum am Tisch stehender Kanister mit Nitroverdünnung war knapp unterhalb des Bereiches hoher Temperatur; das sah man an den Schmorspuren an der Wand. Schnell war der Bereich gesichert und entlüftet, da gleich vor dem Siebdruck zwei hohe Rolltore ins Freie waren. UMBAU PORTIERLOGE: Bei Demontagearbeiten der alten Lüftung für die Portierloge wurden die in einem unterirdischen Schacht im Freien gelegenen Metallrohre mit einer Flex zerschnitten. In diesem Schacht waren sehr viel Staub und Spinnweben der vergangenen Jahrzehnte; sie begannen zu glosen, denn im Schacht war viel Zugluft von der Lüftung Halle 1; davon wurde vorerst nichts bemerkt. In der Halle 1 war nun Brandgeruch, die Feuerwehr kam, suchte alles ab; erfolglos. Dann konzentrierte man sich auf die Lüftungsanlage im Keller; die war komplett verraucht. Sie wurde abgeschaltet, aber man konnte dort nichts sehen. So wurde der ganze Keller in diesem Bereich mit Schaum geflutet. Nun rauchte es aus dem Schacht neben der Portierloge heraus; auch der wurde beschäumt. Einsatz beendet. HALLE 1: Ganz hinten in der Halle war eine Dunkelkammer, welche aber nicht mehr benutzt wurde. Weil hier auch eine Kochplatte war, hat sich wer ein Schnitzel zum Braten hingestellt und darauf vergessen. Es begann zu kohlen und in der ganzen Halle zu stinken. SCHLÜSSELTRESOR: Sinn und Funktion: bei Feuerwehreinsätzen war es wichtig, dass die Feuerwehr möglichst rasch zum Brandherd gelangt. Dazu waren gelegentlich Leute der Feuerwehr hier, um sich die Örtlichkeiten und Gefahrenherde im Betrieb anzuschauen. Bei Betrieb im Werk war es problemlos, überall schnell hin zu kommen. Aber am Wochenende und in der Nacht - wenn alles abgeschlossen ist - würde das lange dauern, speziell wenn kein Portier da ist. Zu diesem Zweck wurde ein Feuerwehrschlüsseltresor installiert. Beschreibung: ein alarmgesicherter, einbruchssicherer Metalltresor, eingemauert in einer Säule beim Haupteingang, und oben drüber eine orange Rundumleuchte. Bei Feueralarm leuchtete sie und beim Schlüsseltresor konnte die mit "Feuerwehr" beschriftete Klappe geöffnet werden. Hinter dieser Klappe war ein Schloss, dessen Schlüssel jede Feuerwehr mit hat. Mit diesem Schlüssel konnte die Feuerwehr den Tresor öffnen und den von der Firma dort hinterlegten Schlüssel herausnehmen; aber nur bei Feueralarm. Gleichzeitig mit der Schlüsselentnahme wurde ein entsprechender Alarm zur group4 abgesetzt. Der hinterlegte Schlüssel war der Generalschlüssel der Firma, womit die Feuerwehr schnell zum Brandherd gelangen konnte. Um Sabotage oder Verzögerung des Feuerwehreinsatzes zu verhindern, konnte die Firma alleine den Schlüssel nicht heraus nehmen; nur zusammen mit der Feuerwehr.
Geschrieben von Helmut Wagner am 15 Aug. 2021 23:13

165 - Hydrant beim Hochhaus (Eumig / Palmers)
Vorgeschichte: nach dem Brand im Hochhaus wurde ein zusätzlicher Hydrant auf der anderen Straßenseite gesetzt; er stand ganz nahe am Straßenrand in der Wiese, ungewöhnlich nahe dem Randstein. Nach dem letzten großen Schneefall mit meterhohen Verwehungen hinter der Pappelreihe war auf der Straße nur eine Fahrspur frei. Mit einem großen Schaufelradbagger wurde die Straße nun bis zum Randstein frei geräumt. Da die Straße ein Gefälle zur Pappelreihe hatte, riss die Schaufel den Hydrant beim Schneeräumen heraus; große Wassermengen kamen heraus, aber viel davon versickerte in der Wiese unter den Schneemassen. Der Rest floss über die Straße hinunter Richtung SCS, da die Straßenentwässerung nur Sickergruben unter den Kanaldeckeln hatte.
Geschrieben von Helmut Wagner am 08 Aug. 2021 21:12

164 - Brand im Palmers (ehem. Eumig) Hochhaus am 11. 1. 1993
Seit der Übernahme des Gebäudes durch Palmers wurden viele Umbauarbeiten gemacht. Dabei wurde oft die Brandmeldeanlage über die Rauchmelder ausgelöst und die Feuerwehr mittels TUS alarmiert. Die kam mit Blaulicht und Sirene, fuhr aber bald wieder weg, weil ja nichts war; Fehlalarm. Aber besser, öfters unnötig kommen, als ein Mal zu spät. Es gab auch Tage, wo die Feuerwehr öfter als ein Mal (unnötig) da war. Eines Tages aber sind die kommenden Feuerwehrfahrzeuge (mit Blaulicht und Sirene) nicht wieder abgefahren, sondern nahmen mit Blaulicht am Palmers Gelände Aufstellung. Wir glaubten, dieses Mal ist es doch ein Einsatz. Immer öfter lief die Sirene im Ort, welche aktiv war, wenn ein Feuerwehreinsatz bevor steht. Nun sind wir zum Werkszaun gegangen, um zu sehen, was das so sein kann, dass immer mehr Einsatzkräfte kamen. Es war nichts Besonderes zu sehen, ausser dass es sich um ein Problem im Hochhaus handeln müsste, denn hier konzentrierte sich die Feuerwehr. Lediglich einige Fenster an der Ostseite im 3. Stock waren sehr dunkel. Immer wieder kamen Einsatzfahrzeuge, aber keine davon fuhren weg. Es waren auch schon einige von umliegenden Gemeinden dabei. Plötzlich ein Knall, und Stichflammen kamen aus den dunklen Fenstern. Jetzt war klar: es ist besonders ernst. Die Feuerwehrleute begannen zu rotieren, es schaute aus, als hätte man in einen Ameisenhaufen gestochen. Auf der anderen Gebäudeseite wurden Fenster eingeschlagen um Inventar herauszuwerfen, dass sich das Feuer nicht weiter ausbreiten kann. Stundenlang kämpfte die Feuerwehr gegen den Großbrand und konnte ihn auf dieser Etage und dieser Gebäudehälfte halten. Kurzzeitig gab es Wasserknappheit. Eine Kleinigkeit am Rande konnte beobachtet werden: als ein großes Feuerwehrauto der Wiener Berufsfeuerwehr kam, wurde die Besatzung am Aussteigen von den Niederösterreichischen Kollegen gehindert, in dem sie ihre Türen zu hielten. Es wurde gemunkelt, dass das deswegen gemacht wurde, da deren Einsatz nicht mehr erforderlich war, und - wenn sie nicht ausgestiegen waren - konnten sich auch nichts an der Löschung beigetragen haben. Sie hätten auch nichts machen brauchen, es waren genug Leute da, aber sie hätten sich auch in die Liste der erfolgreichen Besatzungen an diesem Brand eingetragen können. Oder auch, dass erst durch ihren Einsatz der Großbrand niedergekämpft werden konnte. Nach dem Brand waren umfangreiche Sanierungsmaßnahmen erforderlich: denn vom Brandherd im 3. OG bis ganz hinauf zum Dachgeschoß war alles verraucht und rußig; sowie nach unten alle Geschoße bis in den Keller durch die enormen Löschwassermengen in Mitleidenschaft gezogen worden - das (Büro) Gebäude als solches nicht zu benützen. Auch musste erst erkundet werden, ob es nicht statische Probleme durch den Brand gibt. Zwischenzeitig mussten alle Arbeitsplätze vom Hochhaus in anderen Hallen eingerichtet werden. Wie immer - wenn es wo größere Brände gibt - wird nach deren Ursachen, möglichen Verhinderungen und Verbesserungen gesucht: die Wiesenbereiche um das Hochhaus wurden so umgestaltet, dass sie auch mit schweren Fahrzeugen befahren werden konnte, ohne dass sie in die Erde einsinken (Aufstellbereiche für Feuerwehrfahrzeuge). Der Parkplatz für die Beschäftigten (direkt vor dem Gebäude) wurde weiter weg verlegt, sodass ein größerer, freier Bereich für Einsatzfahrzeuge immer frei bleibt. Auf der gegenüberliegender Strassenseite wurde ein zusätzlicher Hydrant gesetzt. Da das Gebäude dem neuen Eigentümer für nur Bürobetrieb zu groß war, wurden auch einige Bereiche als Lagerstätten für Dekorationen genutzt. So gab es auch Bereiche, wo vieles gelagert war, welches man selten benutzte oder nur lagerte, weil es zum Wegwerfen noch zu schade ist. Speziell solche Bereiche sind total unübersichtlich und schwer zugängig; wenn da nun ein Feuer ausbricht, ... , also keine größeren Lagerbereiche mehr, da nur Bürogebäude. Die Sanierungsmaßnahmen im Inneren sind von aussen nicht sichtbar, man kann sie sich nur vorstellen, müssen aber erheblich sein: alles reinigen, durch Feuer und Wasser beschädigtes Inventar bzw. Infrastruktur entfernen und erneuern, sowie die Bausubstanz trocken legen (speziell im Keller). Aber im Aussenbereich war die Gebäudesanierung weithin deutlich sichtbar. Die überstehenden Kanten des Gebäudes wurden mit einer speziellen Maschine vom Dach bis zum Erdniveau abgeschnitten, sodass das ganze Haus mit einer spiegelnden Glasfassade verkleidet werden konnte, deren Kanten in der Nacht grün leuchteten (Rahmenbeleuchtung). Der Eingangsbereich wurde auch umfangreich umgebaut, mit Auffahrt zum großen Eingangshallenzubau und teilweiser Entfernung der Decke zwischen EG / 1. OG und deren Stützsäulen im Gebäude. Das alles musste natürlich den aktuellen statischen Erfordernissen entsprechen. Das ursprüngliche Aussehen des Eumig Hochhauses ist nur mehr auf Bildern zu sehen; daraus wurde das Palmers Hochhaus. Derzeit ist es unbenützt (ohne Firmenlogo) wird aber als Werbefläche benutzt, da es von weit her sichtbar ist.
Geschrieben von Helmut Wagner am 01 Aug. 2021 23:23

163 - Ganglichtsteuerung und Außenbeleuchtung
Auf den neu sanierten Gängen wurde auch die Beleuchtung komplett erneuert. Es waren nicht mehr nur wenige Leuchten auf einem Schalter geklemmt, sondern gleich ein größerer Bereich von 60 Metern mit dazwischen liegenden Stiegenhäusern, zu einer Zone zusammen gelegt, welche mit Tastern und Stromstoßrelais geschaltet wurden. Dabei ärgerte mich, dass bei Tag auch die Leuchten in Betrieb waren, welche in hellen Zonen waren und nicht extra abgeschaltet werden konnten. Zuvor hatten diese Bereiche eigene Schalter, nun aber waren sie alle zu einer Gruppe zusammen geklemmt. Die hellen Zonen waren: beim Eingang, in den Stiegenhäusern im Obergeschoß bei den Fenstern, bei den Notausgängen am Gang und überall dort, wo es bei Tag genug Sonnenlicht von aussen gab. Bei dem schon verlegten, mehrpoligen Kabel für die Gangbeleuchtung, klemmte ich es so um, dass es verschieden beschaltete Drähte für folgende Funktionen gab: Ganglicht, Nachtlicht, Aussenlicht und Dämmerungslicht. Von einem Sensor bei der Portierloge wurde je nach Tageslicht zwei Funktionen geschaltet: wenn das Tageslicht etwas dunkler wurde, aktivierte sich das Dämmerungslicht, bei weiterer Abdunkelung dann das Nachtlicht. Die Dämmerungslichtfunktion aktivierte alle Lampen am Gang, welche wegen der hohen Helligkeit abgeschaltet waren, obgleich sie in diesem Bereich eingeschaltet waren. Je nach Helligkeit im Freien schalteten sich diese Leuchten automatisch ein oder aus, wenn das Ganglicht in diesem Bereich eingeschaltet war. An der Aussenlichtlinie waren Leuchten angeschlossen, welche im Freien waren; das waren die Lampen ober den Notausgängen im Freien und die Lampen am Parkplatz. An der Nachtlichtlinie waren die Leuchten angeschlossen, welche am Gang - wie auch in den Hallen - in der Nacht dauernd leuchteten, sodass eine gewisse Grundbeleuchtung im Objekt gegeben war; Durchgangslicht für die Nachtschicht und die Portiere. Die Nachtlichtlampen mussten aber auch bei Tag leuchten, wenn das Licht in dem jeweiligen Bereich eingeschaltet war. Eine spezielle Schaltung ergab sich daraus, das Dämmerung,- und das Nachtlicht zu kombinieren. Das wurde für die Bereiche verwendet, wo Blumentröge aufgestellt waren und für die Pflanzen spezielle Leuchten aufgehängt waren. Sie leuchteten nur in der Zeit, wo das Dämmerungslicht aktiv war. Wenn das Nachtlicht dazu kam, schalteten sich diese Lampen wieder ab. Somit verlängerte diese Funktion eigentlich nur die Beleuchtungsdauer der Pflanzen. Eine weitere Funktion: Ganglichtabschaltung. Über eine Schaltuhr wurde ab 18 Uhr bis 6 Uhr Früh und am Wochenende das Ganglicht so gesteuert, dass es sich nach einigen Minuten selbst abschaltete (Treppenhauslichtfunktion). Somit brannte das Licht nicht die ganze Nacht durch, wenn es nicht extra abgeschaltet wurde. Es leuchtete in der Nacht die Durchgangsbeleuchtung. Bei Bedarf konnte mit den Tastern in den Gängen das volle Licht für einige Minuten zugeschaltet werden und schaltete dann automatisch wieder auf das Nachtlicht zurück. Während des Tages brannte das Licht dauernd, wenn es im jeweiligen Bereich eingeschaltet wurde. Eine weitere Schaltung betraf die Aussenbeleuchtung - der Geschäftsführer bestand darauf mit der Begründung: Stromsparen. Ab 20 Uhr sollte die Aussenbeleuchtung mit einer Schaltuhr komplett abgeschaltet werden. Damit hatten die Portiere keine Freude, denn in der Nacht war es in den Hallen, bei den Notausgängen und am Parkplatz überall ganz finster. Die Stromersparnis war so gering, dass sie kaum messbar gewesen wäre - im Vergleich zum gesamten Stromverbrauch des Werkes; der lag bei ca. 2 GWh / Jahr. Zwar konnte dieses Licht manuell am Schaltkasten in der Portierloge aktiviert werden, aber nur dort. Auch Leute aus der Firma, welche bis spät in die Nacht hinein arbeiteten, hatten Sichtprobleme am finsteren Parkplatz. So baute ich eine zusätzliche Schaltung, welche die Aussenbeleuchtung einige Minuten aktivierte. Das wurde ausgelöst, wenn sich das große Rolltor am Parkplatz oder die automatische Glasschiebetüre beim Haupteingang öffnete. Damit waren alle zufrieden.
Geschrieben von Helmut Wagner am 25 Jul 2021 22:24

162 - Schaltschrank Portierloge
In der neu adaptierten Portierloge in der Palmersstraße 2 war ein Elektroschaltkasten erforderlich. Ich habe den in der Galvanik nicht mehr benötigten - den für die Krananlage der Galvanikbecken - benutzt. Alles abklemmen und in der Portierloge aufstellen. Er war so groß wie ein Kleiderkasten. Anfangs glaubten alle, der ist übertrieben. Ich habe dort viel Elektrisches eingebaut: Sicherungen, Schaltschütze, Klemmleisten, Transformatoren und Netzgeräte für div. Steuerungen. In der Tür die Empfänger der Personenrufanlage, Schalter und Anzeigelampen für die haustechnischen Einrichtungen. Als alles fertig installiert war, gab es kaum einen Platz, der unbenützt war. Diese Portierloge war schon bei Eumig in Verwendung, wurde aber neu adaptiert: die vormals nur kniehohe Außenwand wurde auf etwas über Tischhöhe erhöht, neue Fensterfront mit Aussenjalousie, Elektroheizung, Kleinküche, Sanitärgruppe und Zwischendecke. Hier hatte ich ausreichend Zeit, alle elektrischen Arbeiten zu tätigen: neue, verstärkte Stromzuleitung, Steuerleitungen für die Haustechnik, Daten,- und Telefonleitungen, Brandmeldeanlagensteuerung, Gebäudeleitanlage, Lichtsteuerung; Alarmanzeige für Aufzüge, Rohrbruch / Überschwemmung in den Kellern, etc.
Geschrieben von Helmut Wagner am 18 Jul 2021 22:14

161 - Baufirma Bxrxl
Bei den umfangreichen Umbauarbeiten war auch eine dubiose Baufirma im Einsatz. Der Chef dieser Firma arbeitete auch tatkräftig mit, war immer gut auf gelegt und redselig. Sie hatte zwar einen LKW, einen großen Pressluftkompressor und einen Bagger, aber nur eine funktionierende Starterbatterie. Am Morgen wurde mit dieser einen Batterie zuerst der Bagger und der Kompressor gestartet; dann die Batterie in den LKW. Mit diesem sind dann Materialien besorgt worden. Zwischenzeitig durften die Maschinen nicht abgestellt werden; sie hatten ja keine Starterbatterie für einen Neustart. Der LKW brachte eines Tages Überlager für die neu zu bauende Garage. Einige fehlten; er hatte sie in einer Kurve verloren. Durch den Absturz waren sie unbrauchbar, kaputt. So wurde beschlossen, die für den Überlager ober den Garagentoren vorgesehenen, einen eigenen aus Ortsbeton zu machen. Da die Garagenmauern noch nicht hochgezogen waren, der Überlager aber einige Zeit zum Aushärten brauchte - sie haben gefragt, ob ich ihn, wenn er fertig ist, mit dem Stapler raufheben kann - wurde er am Boden hergestellt. Dazu haben sie eine Schalung aus Pfosten gezimmert, unten einige dicke Eisenstäbe hinein gegeben, und das Ganze dann mit Beton ausgefüllt. Ich fragte, warum oben kein Eisen rein kommt. Der Maurer sagte zu mir, dass ich das nicht verstehe und begann zu erklären: wegen der Zugbelastung auf der Unterseite braucht auch nur ein Eisen auf der Unterseite sein. Ich sagte ihm, dass wir den Träger aber erst raufheben müssen. Daraufhin schickte er mich weg. Als Tage später der Träger zu heben war, fragte ich nochmals nach den Eisen auf der Oberseite: Er darauf, dass sie einiges eingebettet hätten. Schon nach wenigen Zentimeter Hubhöhe ist der Träger gebrochen - und zwar von der Oberseite bis zu den unteren Eisen. Es war zwar auch oben Eisen drinnen, das waren aber nur einige dünnere Drähte von einem Gartenzaun. Der Träger war nur mehr Bauschutt. So haben sie mit dem LKW einige Träger von einem Baustoffhändler geholt. Beim Umbau der Portierloge kam es zu einem Feuerwehreinsatz wegen starker Rauchentwicklung; auch die Polizei kam dazu. Plötzlich sind die meisten Arbeiter dieser Baufirma verschwunden (Schwarzarbeiter?).
Geschrieben von Helmut Wagner am 11 Jul 2021 22:39

160 - Die weiteren Jahre (Firma Goertz kam 1992 dazu, nun NGI genannt)
Seit der Fusion OE mit Norma schien es nur mehr bergauf zu gehen. Zusätzliches Personal wurde eingestellt, auch in der Haustechnik. In der ehemaligen Lehrwerkstatt wurde eine neue Küche mit Speisesaal eingerichtet (mit allem was dazugehört), in der Halle 10 entstand eine neue Portierloge mit einer neuen Siemens Telefonanlage (20/180er), eine ganz neue automatische Steuerung für die Haustechnik (Fabr. Honeywell Excel Classic) für die Klimaanlagen, und alle Zeit- und datumsmäßig fernzusteuernden, produktionstechnischen Einrichtungen. (Pressluft, Vakuum, Warmwasser, Lötmaschine, Kälteanlage, Galvanik, etc.) A uchneue EDV-Verkabelungen im ganzen Werk. Eine neue Kälteanlage für die Klimatisierung der Bürobereiche und zusätzliche, teils CNC gesteuerte Produktionsmaschinen. Im Aussenbereich wurde vermehrt Gras gemäht, gegossen und die Bäume gepflegt, der Werkszaun gestrichen, defekte Zaunfelder saniert und kaputte Bereiche am Parkplatz ausgebessert. Auch ein Werksbusverkehr wurde eingerichtet, denn viele Mitarbeiter, welche von der Norma in Wien Simmering kamen, hatten auch dort ihren Bezugspunkt bezüglich Beginn und Ende des Arbeitsreiseweges. Statt der anfangs jährlich stattfindenden Firmenausflüge - wo etliche, aber nicht alle dabei waren - wurde ein so genanntes "Wiesenfest" abgehalten: auf dem großen Wiesenbereich zwischen Halle 3 und Stanzerei wurden von einer Catering Firma Heurigenbänke, Sonnenschirme, Partyzelte, Griller, Getränkekühler und eine Musikanlage aufgestellt. Ab der Mittagspause war dann arbeitsschluss und jeder der wollte, konnte hier essen und trinken, so viel er wollte. Das gemütliche Beisammen sein dauerte oft bis zur Dämmerung; ein offizielles Ende gab es nicht. Zu Beginn aber immer die obligatorischen Reden der Geschäftsführung: Firmenerfolge, Produktneuheiten, Umsatzziele, Jubilare, etc. Nach einigen guten Jahren ging es turbulent weiter, aber stetig nach unten; die Finanzen und die Auftragslage der Firma schauten zusehends schlechter aus. Auch an Hand der Stromzählerablesungen war zu erkennen, dass es nicht mehr so rund läuft: immer weniger wurde produziert; die Maschinen waren nicht mehr so ausgelastet, einige waren schon länger unbenutzt, der Arbeitsdruck lies nach und vermehrt sah man Leute der Produktion die eigentlich keine tageszeitfüllende Arbeit hatten. Speziell die Galvanik war da ein Negativposten in der Produktion. Ab 4 Uhr früh begann das automatische Aufheizen der Wannen und die Lüftung brauchte viel Wärme im Winter, da nur Frischluftbetrieb möglich. Tagsüber, wo sonst Galvanikbetrieb stattfand, langweilte sich das Personal, da nichts zu galvanisieren war und am Freitag wurden viele Wannen abgelassen, um für die nächste Woche neue Chemikalien anzusetzen, ohne dass sie zwischenzeitig sinnvoll verwendet wurden. Auch die Abwasseranlage einer Galvanik bedarf eines hohen Wartungs,- und Reinigungsaufwands. Ansetzen von Chemikalien, Eichen und ggf. Austauschen von Messsonden, Reinigung der Filterpresse, Abwassermessungen und Protokollierung aller Werte. Der Versuch, den Galvanikbetrieb durch Fremdaufträge wirtschaftlicher zu gestalten, gelang nicht wirklich. Schließlich wurde die Galvanik geschlossen und die ganze umfangreiche Einrichtung und Infrastruktur abgebaut. Auch der Boden in diesem Hallenbereich musste für die normale Benutzung wieder saniert werden, denn es gab überall schräge Flächen zu den Wasserrinnen und den unterirdischen Auffangbecken. Sogar ein ganzer Produktionszweig wurde aufgelöst: die Optikfertigung und deren Entwicklung. Alle diesbezüglichen Anlagen und Maschinen, Optiklabore, Dunkelkammern, die Büroeinrichtungen sowie das Personal vom Optikbereich kam an einen Standort in Wien Liesing und warer dort als Firma Docter Optic tätig. So waren hier am Standort Wiener Neudorf mehrere größere Hallenbereiche leer und unbenutzt. Immer wieder wurden einzelne Maschinen verkauft und Personal abgebaut. Die Stimmung unter der Belegschaft war wieder auf einem Tiefpunkt. Nun ergab sich eine gute Gelegenheit, durch eine weitere Fusion wieder Oberwasser zu bekommen: Übernahme und Übersiedlung der ebenfalls in finanzielle Nöten befindlichen Firma Goertz aus Wien 10. Diese Firma stellte auch Messgeräte her und passte daher mit Maschinen und Technologie zur Norma. Abermals gab es finanzielle Zuwendungen vom Land NÖ für die Firmenzusammenlegung und Arbeitsplatzsicherung. Wieder etliche Umbauarbeiten, einen zusätzlicher Elektriker und Hausverwalter; beide recht freundlich und hilfsbereit. Die Halle der alten Eumig - Küche / Speisesaal wurde abgerissen: in diesem Bereich wurde eine Grünfläche (Wiese, und Bäume) angelegt. Beim ehemaligen Abfallplatz der Haustechnik und dem Glasgrindbunker (das war eine große, unterirdisch betonierte Grube, wo bei Eumig der abgearbeitete Glasschlamm zwischengelagert wurde) entstanden zwei Garagenboxen für die Geschäftsführung und eine für den Haflinger (das Schneeräumfahrzeug mit Streuwagen). Der Firmenhaupteingang wurde vom Eumigweg 7 wieder in die Eumigstraße 2 verlegt, wobei die Straße schon seit längerem in Palmersstraße umbenannt war. Von weitem kommend ist das Palmershochhaus zu erkennen (am großen Firmensymbol am Dach und der Glasfassade). Ursprünglich war das die Eumig Zentrale (von Eumig errichtet) und am Dach oben war ein großes Schild, mit dem eumig-Schriftzug. Bei Dunkelheit konnte man deutlich schon aus der Ferne die Neonschrift erkennen. Die alte Portierloge wurde saniert und auch mit Sanitäreinrichtungen ausgestattet. Der alte Fahrradabstellplatz wurde entfernt und der Parkplatz großflächig neu asphaltiert; ein neues, großes, automatisches Schiebetor beim Haupteingang gebaut und ein Kleiners war bei der Parkplatzeinfahrt am Grundstücksspitz Eumigweg / Palmersstraße. Auch der Haupteingang zum Hallentrakt wurde erneuert: Flugdach mit Glasfront, automatische Schiebetore aus Glas, größerer, freier Bereich beim Eingang mit Blumentrögen und Vitrinen, wo Firmenerzeugnisse ausgestellt waren und Prospektmaterial zur Verfügung stand. Obwohl sich der Mitarbeiterstand weiter erhöhte, waren es lange nicht so viele Leute wie bei Eumig. Deshalb wurde der Garderobenbereich von Halle 1 bis Halle 3 im Obergeschoß in einen Bürobereich umgebaut: neue Fensterfront mit elektrisch betriebenen Außenjalousien, neue Heizung, neue Beleuchtung, Zwischendecke, Spannteppiche, Elektrische,- Telefon und EDV Installationen, Sanierung der Sanitärgruppen. Die Gänge und Stiegenhausbereiche bei den Hallen 1 bis 3 wurden saniert: neuer Kunststoffbelag, Zwischendecke und neue Beleuchtung. Auch eine neue Telefonanlage (Siemens Hicom, 20/240) wurde aufgebaut - die hatte viele neue komfortable Funktionen (Rückruf, Rufumleitung, Anrufgruppen, etc.) und eine batteriegestütze Stromausfallversorgung. Dazu waren mehrere, vielpaarige Verbindungskabeln zu den einzelnen Hallenverteilern zu verlegen und dort aufzurangieren. Viel Arbeit für mich als Betriebselektriker. Die jahrelange Gebäudeerfahrung half bei der Leitungsführungswahl. Da bei der neuen Telefonanlage alles vollelektronisch und Mikroprozessorgesteuert ablief, gab es anfangs oft Ausfälle von Telefonnebenstellen. Es waren immer mehrere gleichzeitig betroffen; eine Gruppe davon funktionierte nicht. Siemens war da und tauschte die betroffene Platine, mit der jeweils 4 Nebenstellen versorgt wurden. Es waren nicht immer dieselben, aber immer fielen 4 Nebenstellen aus. Durch innerbetriebliche Umsiedlungen von Abteilungen wurden auch deren Nebenstellen geändert und so fiel es mit der Zeit auf, dass diese Platinendefekte nur dort zu finden waren, wo ein Telefonmodem angeschlossen war. Einer der Siemens Techniker sagte - ihm ärgerten solche unnötigen Einsätze, bei denen er die Platine tauschen musste - man braucht in diesem Fall die Platine nur kurz herausziehen und wieder hineinstecken, sozusagen "resetieren", und erledigt. Und wirklich - das war alles. Eigentlich ein gutes Zubrot für Siemens: in der Garantiezeit musste zwar ein Techniker kommen und eine "neue" Platine einbauen - die "alte" bekam dann der nächste Kunde in der Garantiezeit gratis, aber nach Garantieende wurde alles verrechnet - und die Platine war sicher nicht billig. Sie war so groß wie das motherboard eines alten PC und mit sehr vielen elektronischen Komponenten (auch schon welche mit SMD Technik) bestückt. Bei allen diesen Umbauarbeiten - wie auch schon Jahre zuvor - konnte ich immer wieder meine Ideen bei der Elektroplanung einfließen lassen; dabei halfen mir auch die fundierten Gebäudekenntnisse und der Ablauferfordernisse im Betrieb. Das, was man sich in den Jahren an Verbesserungen überlegt hatte, konnte nun umgesetzt werden.
Geschrieben von Helmut Wagner am 04 Jul 2021 23:04

159 - Kurzschlußversuche mit Vielfachmessgerät (Multimeter)
Bei den produzierten elektrischen Messgeräten - mit denen auch Ströme gemessen werden konnte - sollte geforscht werden, was passiert, wenn sie im Strommessmodus einem Kurzschlussstrom ausgesetzt sind. Aber nicht einem normalen, sondern einem richtig hohen, im kA Bereich. Dazu wurde im Niederspannungsraum ein eigener Stromabzweig verwendet, der dann mit einem kräftigen Hochleistungsschütz die volle Netzspannung über die Messstrippen auf den Stromeingang des Messgerätes legen konnte. Ausgelöst wurde diese Einschaltung von ausserhalb des Raumes, denn bei diesen Kurzschlussversuchen konnte es leicht vorkommen, dass das Messgerät explodiert. Danach wurde es im Labor untersucht und so umkonstruiert, dass es möglichst keine Schäden in der Umgebung gab.
Geschrieben von Helmut Wagner am 27 Jun 2021 23:19

158 - Telefonanlage Amtsleitung
Die innerbetriebliche Telefonanlage wurde von der Post mit 20 Amtsleitungen versorgt. Diese waren dort zu einer Serie zusammen geschaltet. Es wurden bei der 20er Serie für die Firma (Vorwahl 02236) die Nummern 82630 bis 82639 und 82640 bis 82649 zusammen gefasst. Man brauchte nur die Kopfnummer 82630 anrufen; wenn die besetzt war, wurde automatisch auf die nächste freie Nummer geschaltet. Es war auch möglich, eine spezielle Nummer daraus zu wählen (zB. 02236 / 82641), dann wurde nur diese Nummer verwendet. Wenn die besetzt war, bekam man das Besetzt-Zeichen. Aber um das brauchte man sich nicht kümmern; Kopfnummer wählen, alles andere macht die Anlage. Von den Telefonen in der Firma konnte - je nach Berechtigung - mit Tastendruck eine Freileitung genommen und ins öffentliche Netz telefoniert werden. Während des Tages waren unterschiedlich viele der Amtsleitung belegt; einige mit ankommenden, andere mit abgehenden Telefonaten. Die innerbetriebliche Telefonanlage war so programmiert, dass nicht alle Amtsleitungen für abgehende Rufe belegt werden konnten, um von außen erreichbar zu sein. Es waren zB. 5 Amtsleitungen nur für eingehende Anrufe reserviert. Je mehr öffentliche Telefonate über die Anlage getätigt wurden, umso öfter kam es vor, dass man keine Freileitung nehmen konnte, da alle belegt waren. Nach und nach wurden jene FAX- und Modemanschlüsse von der Nebenstellenanlage auf eigene Amtsleitungen geklemmt, welche oftmals verwendet wurden. Es gab auch mehrere amtliche Telefonanschlüsse in der Firma, welche wichtige Abteilungen und die Geschäftsführung innehatten. Da brauchte nur abgehoben werden und man war schon im öffentlichen Telefonnetz. Anrufe von außen gingen gleich an den jeweiligen Apparat. Über die erste Amtsleitung der Serie wurde auch die TUS Alarmierung der Feuerwehr übertragen; das erfolgte automatisch im Hintergrund und hatte keine Auswirkung auf ev. gleichzeitig getätigte Gespräche oder Wahlvorgänge. Seit einiger Zeit beschwerten sich Leute, welche die Firma anriefen, dass ihr Anruf nicht entgegengenommen wurde und zwar zu Zeiten, wo eigentlich wenige Anrufe getätigt wurden. Der Ball wurde hin und her gespielt: "Sie haben die falsche Nummer gewählt" und "die Vermittlung hat geschlafen". Auch die Nachtportiere berichteten, dass sie Probleme mit ihren Kontrolloren hatten, weil sie in der Nacht telefonisch nicht erreichbar waren. Mir ließ das keine Ruhe und an einem Tag nach Betriebsschluss beschäftigte ich mich damit. Im Schaltschrank der Telefonanlage gab es unzählige Lämpchen für Dieses und Jenes. So konnte man an den Amtsleitungsplatinen sehen, ob Rufe herein oder hinaus gingen, ob sie belegt, frei oder gestört waren, gewählt oder schon gesprochen wurde. Ich wartete ab, bis keine Amtsleitung in Verwendung war und rief mit dem Amtsapparat der Portierloge die Firma über die Kopfnummer an. Ich bekam das Anrufzeichen, an der Platine war der ankommende Ruf an den Lämpchen zu sehen, aber bei der Vermittlung geschah nichts. Auch beim Versuch, die Nebenstelle der Portierloge zu wählen; der Apparat läutete nicht - es wurde nur an der Platine signalisiert, dass ein Anruf ankam. Als nächstes mit einem anderen Apparat über die Telefonanlage nach draußen telefonieren (Zeitansage) und somit den ersten Anschluss der ersten Platine mit der ersten Amtsleitung belegen. Nun wieder mit dem Amtsapparat die Firma anrufen und siehe da, es läutet bei der Vermittlung. Auch die Durchwahl zu Nebenstellen funktionierte problemlos. Abschließend noch die Kontrolle aller eingehenden Amtsleitungen in die Telefonzentrale durch Wahl der einzelnen Nummern (82631, 82632, 82633, usw.) - alle funktionierten. So habe ich die erste Amtsleitung der Telefonanlage mit der Zeitansage belegt. Alle weiteren Rufe kamen dadurch auf funktionierende Anschlüsse der Anlage, bis der Defekt von einem Siemens Techniker behoben wurde.
Geschrieben von Helmut Wagner am 20 Jun 2021 23:54

157 - Hochwasser Keller 1
Info zum Foto: Halle 1, Süd-West-Ecke, Gebäudeabriss im Jahr 2006. Oben am Dach die herunterhängenden Fural-Alublechbahnen. Davor die bereits abgerissene Portierloge. Im Hintergrund das Palmers-Hochhaus (ehem. eumig-Zentrale). Das Grundwasser stieg von Tag zu Tag um einige wenige Zentimeter. Die Sumpfpumpe schaffte es anfangs noch so, dass sie nur gelegentlich lief, dann immer öfter, später dann im Dauerlauf und schließlich ging der Brunnen über und das Wasser begann, sich im Keller zu verteilen. Einige Tage später konnte man nur mehr mit Gummistiefeln in diesen Keller gehen. Hier war die Klimaanlage für die Halle 1 und Garderobe 1 untergebracht. Als der Wasserspiegel so hoch stieg, dass die Motoren bald Wasserberührung bekamen, haben wir eine zweite, provisorische Pumpe installiert. Auch diese lief bald im Dauerlauf. Erst nach einigen Wochen ging der Wasserspiegel wieder zurück.
Geschrieben von Helmut Wagner am 13 Jun 2021 22:04

156 - Preisschnapsen
Jährlich fand in der Firma ein Preisschnapsen statt. Es musste ein Nenngeld bezahlt werden - es war ein eher geringer Betrag. Die Gewinner bekamen dann Preise in Form von Geschenkkörben mit Naschereien. Ich habe gelegentlich auch mitgespielt, aber nie etwas gewonnen. Meistens war ich schon in der ersten Runde ausgeschieden. Die meisten Leute, welche dort gespielt haben, waren sehr gute Spieler: sie merkten sich alle Stiche - auch die vom Gegner, welche Karten schon gefallen waren und wie viele Punkte sie selbst, aber auch der Gegner hatte. An Hand dem, wo der Gegner seine abgehobene Karte eingereiht hatte, konnten sie zusehends erahnen, welche Karten der Gegner hatte, wenn er von dieser Taktik nichts wusste. Selbst ein bewusstes, zielloses Karteneinordnen half bei den guten Spielern nichts. So hatte man schnell ein "Bummerl" oder gar einen "Schneider". Lustig war es aber immer und gratulierte seinem Gegenüber zum Sieg.
Geschrieben von Helmut Wagner am 06 Jun 2021 22:02

155 - Außenbordmotorreparatur und Kokosnuß
Eines Tages hatte ein Elektriker einen Aussenbordmotor mitgebracht, um ihn zu reparieren. Im Urlaub war er über Bord gegangen und über Nacht im Salzwasser gelegen. Wir haben ihn zerlegt und gereinigt, geschmiert und neu getankt. Er wollte nicht anspringen. Wir glaubten, er läuft nur, wenn die Schiffsschraube im Wasser ist und haben sie dazu in einen befüllten Wasserkübel getaucht. Aber er wollte nicht anspringen. Unser Glück, denn wenn er mit Vollgas angelaufen wäre, hätte sich der Wasserkübel samt Inhalt bestimmt in der ganzen Werkstatt verteilt. Von dem Urlaub hat er auch eine Kokosnuss mitgebracht; die sollte in der Werkstatt von den Kollegen verzehrt werden. Aber wer schon etwas mit einer natürlichen, unaufbereiteten Kokosnuss zu tun hatte, wird wissen, dass das nicht so einfach ist. Wie kommt man an die darin befindliche Kokosmilch und das Fruchtmark? Aussen an der Oberfläche war ein dichtes, hanfartiges Geflecht, welches sich fast nicht entfernen ließ. Mit Messern, Schraubenziehern und Zangen hatten wir es dann geschafft; alle Kollegen wechselten sich ab, da es sehr mühsam war. Wie nun weiter machen? Weder mit dem großen Hammer noch mit dem Schraubstock war die Nuss zu knacken. Als nächstes versuchen, sie mit der Eisensäge aufzuschneiden. Zwar im Schraubstock eingespannt, verkeilte sich immer wieder die restliche hanfartige Oberfläche im Schnittspalt und rutschte die Nuss aus den Klemmbacken, da sie ja fast rund war und somit wenig Halt hatte. Die nächste Idee: ein Loch bohren und die Kokosmilch herausleeren. Gesagt, getan; aber bei dem 10 mm Bohrloch kam nichts heraus, obwohl beim Schütteln deutlich Flüssigkeit im Inneren zu hören war. Dazu die Erkenntnis, dass wir ein zweites Loch brauchen, damit Luft hinein kommt; sonst kann nichts herausfließen. Die Ausbeute war spärlich, lediglich 1/8 Liter. Die Farbe hellgrau, fast weiss - wässrig und flockig, mit seltsamen Geruch. Der Kollege der sie brachte, sagte dazu: das ist eben pure Natur, ohne Nachbehandlung oder Zusätze; frischer geht´s nicht. Einige hatten davon gekostet und konstatierten ekelhaften Geschmack. Gott sei Dank, dass ich nicht bei den Verköstigern war - weil nichts mehr da war - wie sich später herausstellte. Zwischenzeitig haben sich einige Kollegen abwechselnd mit der Kokosnuss beschäftigt, sie doch aufzuschneiden, um zum Kokosmark zu gelangen; nun die Ernüchterung: im Inneren war alles pelzig und schimmlig, die Farbe von blau über grau nach grün. Die Trinker sind sofort Richtung WC gelaufen; einige schafften es aber nur zur Wiese vor der Werkstatt.
Geschrieben von Helmut Wagner am 30 Mai 2021 19:55

154 - Uhr und Schokolade
Die Zentraluhr in der Portierloge steuerte alle Nebenuhren und Stempeluhren in den Hallen, sowie auch das Pausensignal über die Glocken und den Gong über die Lautsprecher der Rufanlage. Diese Uhr hatte einen präzisen Zeitgeber im Inneren, sie ging immer ganz genau. Kollege Werner war sehr korrekt bei seinen Arbeiten und immer pünktlich. Er hatte eine äusserst genau gehende Armbanduhr, welche er auf das Pausensignal der Zentraluhr einstellte. So konnte er auf seiner Uhr ganz genau sehen, wann es läuten wird; egal ob Mittagspause oder Arbeitsende. Zum Arbeitsende durfte man schon beim ersten Läuten in die Garderobe, aber erst beim zweiten Läuten hinaus auf den Gang gehen. Werner konnte es nicht leiden, wenn Leute vor dem zweiten Pausensignal schon aus der Garderobe gingen. Es gab zwar eine Gangaufsicht, wenn man der aber in die Hände lief, ging man halt noch mals aufs Klo. Wer es früher hinaus schaffte, hatte bessere Plätze im Werksbus, und das ärgerte Werner. Da er immer sehr korrekt war, lief bei Werner das so ab: nach dem Umziehen ging er zur Tür, legte die Hand auf den Drücker und eine Sekunde, bevor es läutete, drückte er sie runter und ging hinaus. Eigentlich hat er das ganz genau mit dem Läuten gemacht. Das ärgerte uns, weil dieses Schauspiel immer so korrekt ablief. Nun machten wir uns einen Spaß: wir stellten die Hauptuhr an einem Nachmittag um einige Sekunden zurück. Als Werner dann in Bereitschaft bei der Türe stand, seinen Sekundenzeiger beobachtete und auf die Klinke drückte, sagten wir zu ihm: Werner, was ist los, hat es schon geläutet? Er wurde rot im Gesicht, weil ihn alle in der Garderobe ungläubig angeschaut hatten. Dann schaute er ungläubig auf die Uhr und horchte sie ab. Gleich darauf läutete es wirklich. Werner versuchte, die Zeiger seiner Uhr umzustellen. Zwischenzeitig sind einige Kollegen aus der Garderobe gegangen und Werner ärgerte sich, weil er nicht der Erste war. Kollege Werner hatte gesundheitliche Probleme; das Medikament dagegen machte ihm wegen der Nebenwirkungen zu schaffen. Im Laufe der Zeit ist er drauf gekommen, dass Schokolade, Honig und Nüsse ähnliche Wirkung wie das Medikament haben, aber ohne Nebenwirkungen. So hatte er in seiner Werkzeuglade immer einen großen Vorrat an Negerbrot. Wer das nicht kennt: das ist Schokolade mit vielen großen Nüssen. Seidl hat auch gerne Süsses gegessen. Gelegentlich haben er und andere Kollegen von Werner was davon bekommen. Im Laufe der Zeit hat es sich eingebürgert, dass man sich selbst aus seiner Lade etwas nehmen durfte; wie gesagt: etwas. Als Werner etwas länger im Urlaub war und Seidl Heisshunger auf die Schokolade bekam, war die Werkzeuglade leider verschlossen. Es war ein alter Werktisch mit einer klobigen, wackligen Holzlade; die aufzubekommen, war nicht schwer, zwar versperrt, aber mit etwas Geschick so zu öffnen, dass man nach dem Schließen nicht erkennen konnte, dass sie offen gewesen war. Vor dem Urlaub hatte Werner seinen Schokoladevorrat noch aufgefüllt. So konnte es sicher nicht auffallen, wenn etwas Schokolade fehlt, zumal immer mehrere Tafeln gleichzeitig offen waren. Werner hatte immer was davon in seinem Arbeitsoverall eingesteckt gehabt, auch in seinen Werkzeugkisten, dem Werkzeugwagen und der Werkbank selbst. Vor seinem Urlaub hat er aber alles in der Lade eingesperrt. Seidl war geschickt beim Öffnen der Lade, er hatte schon Routine darin. Eines Tages wurde er von anderen Kollegen dabei überrascht. Damit diese ihn nicht verpetzen konnten, hat er sie mit eben dieser Schokolade bestochen. Das machte nun die Runde und immer wieder wollten andere auch etwas Schokolade. Nach einigen Tagen machten wir uns aber Sorgen, dass das Werner bestimmt auffallen müsste, denn es fehlte schon eine größere Menge. Nun hatte Seidl eine Idee, eine Lösung für dieses Problem: er feilte bei der Holzlade an der hinteren Wand oben mit einer Raspel eine halb runde Öffnung, machte eine Hand voll kleine Fuzeln mit dem Negerbrotpapier und der Alufolie, mischte etwas Hanf (das verwenden Installateure zum Abdichten von Rohrgewinden) darunter, machte daraus einen Knäuel mit einem Loch drinnen. Das kam in die Lade, rund herum noch etwas zerbröselte Schokolade und die Lade wieder montieren. Alle waren gespannt, ob die Täuschung funktionieren wird. Als Werner wieder in der Arbeit war, seine Lade aufsperrte und den Inhalt sah, rief er einige von uns zu sich, um uns zu erzählen: eine Maus hat sich in meinem Urlaub von hinten in die Lade hinein genagt und mir fast das ganze Negerbrot weggefressen. Seht ihr das Loch, wo sie genagt hat? Auch ein Nest hat sie sich gebaut. Na warte nur, mit mir nicht! Er hat nun seine Lade innen mit Blech ausgelegt, sodass sie sich nicht mehr durchnagen konnte. Eigentlich hatten nur WIR ab nun keine Möglichkeit mehr, an die Schokolade zu kommen und sich auf die Maus auszureden.
Geschrieben von Helmut Wagner am 23 Mai 2021 21:25

153 - Telefonanlagenüberprüfung durch die ÖPT
Für die Abrechnung der Fernmeldegebühren waren nicht nur die Anzahl der Anschlüsse und die Gesprächsgebühren entscheidend, sondern auch, wie viele der innerbetrieblichen Nebenstellen, mit den öffentlichen Anschlüssen in Verbindung treten konnten. Dabei gab es 3 Möglichkeiten: eine kostete nichts, nämlich die normalen Hausapparate, die können nur innerbetrieblich telefonieren. Eine weitere, die halbamtlichen, die konnten von aussen angerufen werden, oder eine Freileitung (Amtsleitung) von der Telefonvermittlung bekommen, um dann selbst eine Nummer zu wählen. Und die amtlichen, die konnten gleich eine Freileitung selbst nehmen und telefonieren. Bei der aktuellen Telefonanlage (einer 20/240er, 20 Amtsleitung / 240 Nebenstellen) gab es da viele verschiedene Berechtigungen der einzelnen Klappen. Immer wieder wurden in den Abteilungen Apparate versetzt und auch Berechtigungen geändert. Periodisch waren Postbeamte - meistens ältere - hier, die Berechtigungen zu überprüfen. Bei den alten Anlagen waren die Berechtigungen auf einem Lötigel deutlich sichtbar, aber bei der Neuen musste alles auf der Tastatur vor dem Bildschirm gemacht werden. Dazu war ein Siemens-Techniker hier. Der Postbeamte - er hatte eine Brille in 2stelliger Dioptrienstärke - die Gläser waren so dick wie Aschenbecher und so schwer, dass er hinter den Ohren Gegengewichte hatte, dass sie vorne nicht von der Nase rutschen. Er traute dem jungen Techniker nicht, wenn er so schnell die Tastatur bediente und ihm die verschiedenen Berechtigungen am Bildschirm zeigte. Er wollte selbst tippen, wusste aber nicht, was. So sagte ihm der Techniker Taste für Taste langsam an. Bei der ESC gab es Probleme, weil der Techniker escape sagte, der Postler diese Taste aber nicht auf der Tastatur fand, obwohl er sie - Taste für Taste - absuchte. Schließlich wurde die ganze Berechtigungsliste der Telefonanlage auf einer mehrere Meter langen Papierschlange ausgedruckt. Eine Fernmeldebehördliche Aufgabe war, dass, wenn Anrufe von außen mit der direkten Durchwahl an eine besetzte Nebenstelle kamen, diese nicht das Besetzt - Zeichen bekommen durften, sondern an die Vermittlung geleitet werden mussten. Wenn mehrere dieser Anrufe gleichzeitig kamen, reihten sich die Anrufe in eine Warteschleife, bis die Vermittlung sie entgegennahm, oder sie gleich per Tastendruck an die durchgewählte Nebenstelle schaltete. Wenn die noch immer besetzt war, reihte sich dieser Ruf wieder hinten in die Warteschlange ein. An sich kein Problem, aber bei den Nebenstellen FAX Anschlüssen schon, denn beim belegten FAX-Anschluss wurde das ankommende FAX an die Vermittlung weitergeleitet, aber damit konnte die Telefonistin nichts anfangen. Wieder drauf schalten brachte nichts und rausschmeißen war eigentlich nicht erlaubt. Die Telefonanlage war zwar auf dieses Problem vorbereitet, konnte bei solchen Nebenstellen so programmiert werden, dass nachkommende Anrufe das Besetzt Zeichen bekamen und das Sendefax einfach neu anwählte, aber laut Postvorschrift durfte das nicht so programmiert werden. Im Lauf der Zeit wurden dann - nach und nach - die FAX- und Modemleitungen auf eigene Amtsleitungen geschaltet, sodass die 20er Serie der Telefonanlage nur für die Telefone zur Verfügung stand, womit sich auch das mit den Ausfällen der Platinen erübrigte. Noch kurz zur 20er Serie: bei Telefonkunden mit mehreren Anschlüssen wäre es mühsam, sich diese vielen einzelnen Nummern zu merken. Ausserdem münden sie alle in einer Telefonzentrale. Es wurden bei der 20er Serie für die Firma (Vorwahl 02236) die Nummern 82630 bis 82639 und 82640 bis 82649 zusammengefasst. Man brauchte nur die Kopfnummer 82630 anrufen, wenn die besetzt war, wurde automatisch auf die nächste freie Nummer geschaltet. In weiteren Jahren wurde auf die Kurzwahl (02236) 691 umgestellt.
Geschrieben von Helmut Wagner am 16 Mai 2021 20:50

152 - Verstopfte Regenrinne, Baum fällen
Info zum Foto: Halle 1, Nord West Ecke, Gebäudeabriss im Jahr 2006. Oben am Dach der Abluftstutzen der damaligen Lötmaschine und die UKW Empfangsantenne für die Metropolitan Geräteserie. Neben den Hallen waren etliche Bäume gepflanzt. In den 60er Jahren war der Grundwasserspiegel gelegentlich recht hoch. Westlich der Eumigstraße war anfangs ein Ziegelteich, welcher dann zur Mülldeponie umfunktioniert wurde. Durch die Zuschüttung von natürlichen Abflüssen dieses und ähnlicher Teiche gab es gelegentlich - speziell bei stärkeren Regenperioden - hohe Grundwasserstände und überschwemmte Keller. Die gepflanzten Bäume waren vorwiegend Birken, welche schnell wuchsen, tief wurzelten und sehr wasserzehrend waren; ideal, um die Bereiche der Hallen trocken zu halten. Das Regenwasser von den Dächern - aufgefangen in quadratischen Regenrinnen mit Ablaufkästen und Fallrohren - führten vom Obergeschoß ohne Siebkästen in die nur wenige Meter neben den Hallen befindlichen, großen unterirdische Sickergruben, wobei jedes Regenfallrohr eine eigene hatte. Die Sickergruben waren nicht zugängig; sie waren unter der Wiese und nicht inspizierbar. Die Regenrohre unter der Erde waren aus Betonrohren ohne Dichtungen; lediglich ein Konus bildete den Übergang. Im Laufe der Jahre wuchsen die Birken und bildeten im Boden ein weit verzweigtes Wurzelnetz. Auf der Suche nach Wasser haben sich die Wurzeln vermehrt in Richtung der Konusverbindungen der Betonrohre ausgebreitet, weil: die Bäume waren nach wenigen Jahren so hoch, dass sie über die Dachkante hinaus wuchsen. Abfallendes Laub im Herbst, wie auch Blüten im Frühjahr und dünnes Geäst über den Sommer haben im Laufe der Jahre die Sickergruben verstopft, was bewirkte, dass sie selbst bei wenig Regen übergingen und das Regenwasser durch die undichten Konusübergänge unter dem Erdniveau herausgedrückt wurde. Das hatten die Birkenwurzeln gesucht, sind dort in die Rohre hineingewachsen und bildeten ein feines, dichtes Wurzelgeflecht. In dem verfingen sich nun vermehrt die Dinge, welche von den Bäumen über die Regenrinnen herunter kam. Immer wieder gab es bei starken Regengüssen ein herrliches Schauspiel: Unmengen von Wasser ist an der Fassade über die großen Fenster herunter geflossen, und zwar dort, wo die Regenrinne übergegangen ist. Nach Ende des Regens sind wir aufs Dach gekraxelt (Zugang vom Aufsatz des Aufzugmaschinenraumes über eine kleine Schlupftüre) und haben die verstopften Regenkästen ausgeräumt. Es waren viel Laub und dünne Aste darin. Eines Tages ist bei einem Regenguss wieder eine Dachrinne östlich der Halle 3 übergegangen. Aber dieses Mal war nicht der Regensammelkasten am Dach verstopft, sondern das unterirdische Betonrohr zur Sickergrube oder sie selbst war randvoll. Nun hatten wir eine Idee: wenn wir das kurze Verbindungsrohr beim Übergang des Fallrohres zum Betonbogen im Traufenweg wegknicken, kann das viele Wasser vom senkrechten Rohr in rauen Mengen und schnell herunter fließen und reisst somit auch alles Laub und Äste aus dem Regenkasten und der Rinne mit hinunter. Dieses Vorhaben besprachen wir in der Halle, beim Beobachten der aussen über die Fassade und Fenster herunter fließenden Wassermassen, während wir auf das Nachlassen des Wolkenbruches warteten. Einige Arbeiter in der Halle kamen zu uns und waren neugierig, was passieren wird. Als der Regen nachließ, ging Kollege Peter zum Regenfallrohr, rüttelte daran, zog es etwas aus dem Boden, bis es nur mehr ganz wenig im Bodenrohr steckte. Es spritzte schon kräftig heraus und in die Höhe, da der volle Wasserdruck von oben, von der Dachkante herunter drückte. Nun sein Vorhaben: das Rohr schnell und kräftig wegziehen und schnell weglaufen. Eine 15 cm im Durchmesser dicke Wasserfontäne schoss in seine Richtung. Er drehte sich während des Weglaufens um und - leider - war da genau ein großer Birkenbaum. Der linke Fuß und die linke Hand links vom Baum, der rechte Fuß und die rechte Hand rechts vom Baum, der Kopf noch nach hinten gerichtet, um die Wasserfontäne zu beobachten. Nun rannte er mit voller Wucht an den Baum - mit nach vorne ausgestreckten Händen und von hinten hat ihn die dicke Wasserfontäne voll erwischt und zusätzlich an den Baum gedrückt. Alle Leute in der Halle haben voll gelacht, da es sehr lustig ausschaute, wie wenn genau dieses so für eine Filmaufnahme gestellt war. Er war danach vom Kopf bis zu den Schuhen total nass und übersät mit faulem Laub, Erde und Ästen aus der Dachrinne. Er hat als einziger nicht gelacht bei diesem Ereignis. Eines anderen Tages haben wir bei einer immer wieder übergehenden Dachrinne festgestellt, dass das Rohr im Boden zur Sickergrube verstopft sein müsste. Der vermutete Bereich war genau unter einer Birke. Dort wurde aufgegraben und wirklich, ganz nahe des Wurzelstockes war das Rohr, und viele Wurzeln wuchsen bei den Konusverbindungen hinein. Wir beschlossen, den Baum zu entfernen, denn es waren in diesem Bereich mehrere Bäume auf engem Raum; der eine weniger fällt gar nicht auf. Auch der Wurzelstock sollte entfernt werden. Dazu wurden durch die Hofpartie alle waagrecht wegwachsenden Wurzeln entfernt. Dann habe ich den Baum ziemlich weit oben mit einem dicken Seil an den firmeneigenen Puch Haflinger angebunden. Das Fahrzeug hatte hohe Zugkraft durch die starke Untersetzung, Allradantrieb, Differenzialsperre, grobstollige Reifen und noch die Schneeketten vom Winterbetrieb. Trotz des schweren Schneeräumschildes und der Aufsatzpalette am Heck, befüllt mit einigen 100 kg Streusand hatte das Fahrzeug zu wenig Bodenhaftung und grub sich langsam in die Erde ein. So sagte ich zu meinem Kollegen Seidl, er soll in die Fahrerkabine zusteigen, daß wir mehr Gewicht haben. Hier kann er sich ordentlich anhalten, denn das Fahrzeug ist immer wieder beim hin und her biegen des Baumes ordentlich durch geschüttelt worden. Er wollte aber lieber hinten auf der Aufsatzpalette sitzen, denn von dort konnte er besser die Bewegung des Baumes und das Herausreissen der Wurzeln sehen. Ich fuhr langsam an, der Strick spannte sich, der Baum bog sich, immer wieder rissen Wurzeln ab, aber es fehlte noch das gewisse Etwas, um den Baum endgültig zu fällen. So hielt ich den Zug aufrecht; immer wieder rissen Wurzeln ab und senkte sich der gebogene Baum weiter nach unten. Aber dann ging nichts mehr weiter; das Fahrzeug hat sich schon fast bis zu den Achsen in der Erde eingegraben. Nun das Problem: ich musste plötzlich, schnell und zeitgleich vom Gas weg, auskuppeln und voll auf die Bremse treten und auch die Handbremse anziehen. Wenn das nicht fast gleichzeitig geschieht, reisst der gebogene Baum mit dem langen Strick das Fahrzeug nach hinten, wer weiß wie weit. Leider gelang mir dieses Manöver nicht ganz so, wie gewollt. Etwas zu spät wirkten die Bremsen, was bewirkte, dass das Fahrzeug durch den gespannten Baum für den Bruchteil einer Sekunde nach hinten gerissen wurde. Ich saß zwar fest im Sitz und hatte die Hände am Lenkrad, aber Seidl war darauf nicht gefasst und wurde durch die plötzliche Beschleunigung des Fahrzeuges an die rückwärtige Plane der Fahrerkabine geschleudert. Im nächsten Moment wirkten die Bremsen und das Fahrzeug kam abrupt zu Stehen, weil ja die groben Reifen mit den Schneeketten in der aufgewühlten Erde perfekten Halt hatten. Seidl konnte sich nirgends anhalten, war auch nicht auf so was gefasst. Weil er ja bei diesem Vorfall an die Fahrerkabinenplane geschleudert wurde, diese sich dadurch spannte und das Fahrzeug plötzlich stoppte, wurde Seidl wie mit einem Tennisschläger vom seinem Sitzplatz geschleudert und flog in weitem Bogen hinten hinunter in die Wiese. Als wir dann gesehen haben, dass ihm nichts geschehen ist, haben wir alle gelacht, auch die Leute in der Halle hinter der Fensterfront. Seidl hat scheinbar nur gelacht, dass man nicht annehmen sollte, er hat sich doch weh getan; denn ganz ohne Beulen war der Flug vom Fahrzeug und der Sturz in die Wiese nicht. Das hat sich im Sommer der 1990er ereignet.
Geschrieben von Helmut Wagner am 09 Mai 2021 22:32

151 - Portierdienst / Werksbesucher
Es gab wieder einen durchorganisierten Portierbetrieb: einen Tagportier - dieser hatte eine bessere Ausbildung, mehr Befugnisse, ein besseres Aussehen / Auftreten und war mehr geachtet, als der Nachtportier. Dieser war eigentlich nur in der Nacht und am Wochenende im Einsatz, hatte kaum mit dem Firmenpersonal zu tun und eigentlich gar nicht mit Gästen und Besuchern des Werkes. Zwischen dem Tag,- und dem Nachtportier gab es aber immer ein gutes Einverständnis, obwohl das Lohnniveau der beiden deutlich unterschiedlich war. Schichtwechsel war jeweils um 6 Uhr und um 18 Uhr. Hat sich der ablösende Portier verspätet, musste der Abzulösende einfach länger bleiben. Der Portierdienst wurde von der Firma group4 gestellt; Norma brauchte sich nur um Bezahlung dieses Dienstes zu kümmern. Die Mittagspause verbrachten die Portiere in der Portierloge, dort gab es Sanitäreinrichtungen, einen Ruhebereich und eine Kleinküche. Gelegentlich waren mehrere Portiere gleichzeitig da, denn es wurden laufend andere Personen eingeschult; für Vertretungen bei Urlaub oder Krankenstand und besonderen Anlässen oder Erfordernissen. Die Aufgaben des Nachtportiers: Kontrollgänge und Bewachung des Objektes, gelegentlich bei den in der Nacht durchlaufenden Produktionsmaschinen Material nachfüllen und Teile wegräumen, sowie das Auf,- und Abschließen der Werkstore. Aufgaben des Tagportiers: Schlüsselausgabe an berechtigte Werksangehörige, Bedienung der Telefonanlage (Vermittlung), Ausrufen von Personen (über die Rufanlage / Lautsprecheranlage), Weiterleitung von Werksbesuchern und deren Protokollierung, sowie Annahme und Frankierung von Postsendungen. Wenn Besucher kamen, wurden deren Personalien erfasst und die Zielperson im Werk informiert. Diese hatte dann den Gast persönlich abzuholen und wieder persönlich zurückzubringen. Ohne Begleitung durfte kein Firmenfremder im Werk herumgehen. Es bürgerte sich bald ein, dass Personen, welche oft kamen, dann eigenständig in den Werksbereich gehen durften. Auch wenn die Zielperson telefonisch sagte, dass der Besucher alleine gehen soll, wurde er vom Portier in die Abteilung weiter gewiesen. Eines Tages ein verhängnisvoller Fehler; Vorgeschichte dazu: in der für elektronische Messgeräte zuständigen Entwicklungsabteilung wurden gelegentlich leihweise Geräte von Konkurenzfirmen verwendet. Dabei nützte man die Gelegenheit, sich etwas vom Inneren Aufbau des Gerätes anzuschauen. Das durfte natürlich nicht nachvollzogen werden können. Bei diesen "Geräteinspektionen" waren immer mehrere werkseigene Ingenieure zugegen; nicht alle kannten sich persönlich. Eines Tages kam ein Mann der Firma eines dieser geliehenen Messeräte, um es wieder abzuholen. Der Portier ließ ihn durch, weil er schon öfter hier war und den Weg zur Abteilung kannte. Dort angekommen mischte er sich unter die Gruppe der Leute, welche um das zerlegte Messgerät herum standen und lauschte deren Gesprächen: "aha, so haben die das gemacht ... interessant, warum ist das uns nicht eingefallen ... könnten wir bei unserer nächsten Serie auch machen ... bla, bla, bla". Einige wurden stutzig, da sie den Mann nicht kannten, bildeten Gruppen und fragten in der Runde: "wer ist das" ... "ich glaube, der ist von eurer Abteilung" ... "nein, ich glaubte, der ist von eurer Abteilung". Nun gab sich der Mann zu erkennen: "ich bin Herr X, von der Firma Y und soll unser Messgerät wieder abholen". Plötzlich war es ganz still in der Abteilung und die Ingenieure wurden im Gesicht so weiß, wie ihre Arbeitsmäntel, als sie versuchten, sich ganz langsam vor dem zerlegten Messgerät zu postieren, es vor seinen Blicken abzuschirmen. Er sagte noch, dass Produktspionage kein Kavaliersdelikt ist, schon gar nicht, wenn man dabei erwischt wird und dass das ein Nachspiel haben wird. Ob es das für die Elektroniker gab, weiß ich nicht, wohl aber für den Portier. Ihm wurde vorgehalten, die Dienstvorschrift verletzt zu haben, in dem er den Besucher unangemeldet durchgelassen hat. Alles daraus Folgende gehe nun auf seine Kappe. Diese Geschichte machte in der ganzen Firma die Runde und auch bei den Portieren. Nun machten sie - zumindest eine Zeit lang - Dienst nach Vorschrift. Eines Tages an einem Samstag kam der Einkaufsleiter und wollte in die Firma. Er kam öfter an einem Samstag, weil er da mehr Ruhe hatte und die vergangene Woche besser aufarbeiten konnte. Wie immer hupte er, dass ihm der Portier öffnen sollte. Der Portier aber machte nichts. So rief ihn der Einkaufsleiter vom Autotelefon an und musste sich anhören, dass am Wochenende nur jene Personen das Werksgelände betreten dürfen, welche auf einer Liste eingetragen sind; er sei aber nicht auf dieser Liste; das Tor bleibe zu. Der Einkaufsleiter war voll wütend und brauste mit quietschenden Reifen davon. Seine lauthals vorgetragenen Beschwerden am kommenden Montag in der Hausverwaltung halfen nichts, denn so waren die Dienstvorschriften für die Portiere. Er hätte sich nur in die Liste eintragen lassen müssen und könnte dann das Werksgelände zu jeder Zeit betreten. Gelegentlich kamen Gewerbeinspektoren in die Firma; einer dieser agierte sehr abgehoben: er ging immer beim Portier vorbei, ohne sich bei ihm anzumelden, weil er der Meinung war, Gewerbeinspektoren haben immer und jederzeit uneingeschränkten Zutritt; außerdem war er unsympathisch, Portiere waren bei ihm das Letzte. Doch an diesem Tag hatte ein anderer Portier Dienst als sonst: das dürfte ein höher rangiger gewesen sein, er hatte eine schöne, fast maßgeschneiderte Uniform und einige Streifen und Sterne an seinen Schultern. Außerdem noch einen größeren Revolver, Schlagstock, Handschellen und Pfefferspray an seinem Hüftgürtel. Große, kräftige Statur und tiefe, eindringliche Stimme taten ihr übriges. Der Gewerbeinspektor betrachtete den Portier in der Portierloge anfangs nur abfällig und ging weiter, obwohl er ihn zu sich herein winkte. Da ging der Portier hinaus, stellte sich breitbeinig hin und rief dem Gewerbeinspektor mit eindringlicher Stimme nach: "Du kommst jetzt sofort zu mir zurück, oder ich setze dir einen Fangschuss!"; dabei griff er langsam zu seinem Revolver. Als der Gewerbeinspektor das hörte und nachdem er sich umdrehte das auch sah, kam er wie ein begossener Pudel mit hängenden Ohren zurück. Nachdem er sich ordnungsgemäß angemeldet und den Besucherausweis angesteckt hatte, durfte er - mit freundlichen Worten des Portiers - das Werk betreten. Ab nun war dieser Gewerbeinspektor wie ausgewechselt und freundlich auch zu den anderen Portieren.
Geschrieben von Helmut Wagner am 02 Mai 2021 21:25

150 - Wasserrohrbruch Keller 1
Eines Tages in der Früh - an einem kalten Wintertag - kam aus der offenen Türe bei der Halle 1 auf den Gang hinaus recht kalte Luft. Es war aber keine Zugluft. Daher ging ich gleich in die Halle; ich war neugierig, wieso das so ist. In der Halle war es richtig kalt. Die Lüftungsanlage ist nicht gelaufen - sollte aber, wie immer in der Früh. So ging ich in den Keller, nachzuschauen, was mit der Klimaanlage ist. Schon im Halbkeller, wo der Schaltkasten für die elektrischen Nachheizregister montiert ist, haben keine Betriebslampen geleuchtet. Etwas weiter - am Schaltkasten der Lüftung selbst - alles finster. Im Schaltkasten war der FI-Schalter gefallen und ließ sich nicht einlegen: Erdschluß. Beim Weitergehen, weiter hinunter in den Keller zur Klimaanlage selbst, waren die untersten Stufen unter Wasser. Da muß es einen kräftigen Rochbruch gegeben haben, denn die Wassermenge war größer, als es die Sumpfpumpe wegpumpen konnte. Hinter der Türe konnte man Wasser plätschern hören. Mit ausgezogenen Schuhen, Socken und hochgezogener Hose ging ich weiter. Als das Wasser schon über den Knien stand, ich aber noch immer nicht ganz unten war, ging ich zurück und holte mir eine Holzleiter. Die legte ich hochkant ins Wasser und hoppelte damit weiter in den Kellerbereich. Dort kraxelte ich auf den Blechschächten der Lüftungsanlage weiter und probierte an den verschiedensten Absperrventilen, bis ich das Richtige fand, um den Wasseraustritt zu stoppen. Als ich wieder zurück wollte, sah ich, dass die Leiter umgefallen war und waagrecht im Wasser schwamm. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als ins Wasser zu steigen, um wieder aus dem Keller zu kommen. Ich konnte ja niemand rufen oder informieren. Das Wasser war so tief, dass ich bis zum Schritt darin stand. Wieder oben an Gang angekommen, begegnete ich dem zufällig kommenden Hausverwalter. Fast gleichzeitig haben wir zu lachen begonnen - er weil ich ganz nass war, und ich, weil er so verdutzt schaute. Vermehrt kamen auch Leute aus der Halle; sie wollten wissen, warum es so kalt ist. Als sie mich sahen, wussten sie, dass das etwas länger dauern wird, bis sie wieder Wärme bekommen. Zuerst haben wir den Keller mit einer starken Sumpfpumpe und Feuerwehschlauch leergepumpt. Nun war erforderlich, die abgesoffenen Lüftermotore zu erneuern, denn die Nassen zu trocknen, würde einige Tage dauern. Als der Keller leergepumpt war, kamen auch schon die neuen, schweren Lüftermotore. Noch kurz zu den elektrischen Nachheizregistern: ursprünglich war die Halle 1 die erste von Eumig gebaute Halle. Im Jahr 1958 war die Luftmenge ausreichend. Aber es zeigte sich, dass eine höhere Luftmenge besser wäre. Das umzubauen, war nicht bzw. nur schwer möglich. Durch den Ausbau des Nordtraktes und einer dort zusätzlich installierten Lüftungsanlage wurde eine Verbindung dieser Lüftung 4 zur Lüftung 1 gebaut, um die Halle 1 teilweise auch mit der Lüftung 4 zu versorgen. Nun, bei Norma war die Lüftung 4 nicht mehr in Betrieb, da der belüftete Nordtrakt kein Büro, sondern ein Lager war. Für die Halle 1 - nun Büro - war eine höhere Luftmenge und auch eine höhere Heizleistung erforderlich, da kein Produktionsbetrieb in der Halle war. Dazu waren die Luftschächte querschnittmäßig zu klein. Es wurde beschlossen, die Isolierung in den Luftschächten zu entfernen, um den freien Luftquerschnitt zu erhöhen. Die Luftschächte führten in dieser Halle unter der Fensterfront entlang durch die ganze Halle, von Süden kommend nach Norden und waren jeweils 65 m lang; im Erd,- und Obergeschoß, auf der West,- und Ostseite. Da es nun keine Isolierung in den Schächten gab, diese aus Beton und gleichzeitig auch die Außenwand bildete, wurde die Luft im betonierten Kanal immer kälter, je weiter sie nach hinten in die Halle kam. So war sie am Anfang ca. 40 Grad warm und ganz hinten in der Halle ca. 25 Grad. Noch zu sagen ist, dass die Heizung der Halle ausschließlich über die Lüftung stattfand. Daher wurden nach jeweils 20 Meter ein elektrisches Nachheizregister eingebaut, um die starke Abkühlung der Luft - speziell beim Aufheizen in der Früh - auszugleichen. Genau diese Nachheizregister halfen dabei, heute die Halle schneller aufzuheizen, denn wir haben die Heizelemente so gesteuert, dass sie nicht nur die Luftabkühlung ausgeglichen haben, sondern auch zu einer zusätzlichen Erwärmung dieser beitrugen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 25 Apr. 2021 21:22

149 - Schneeräumeinsätze
Jedes Jahr im Winter war ich mit der Schneeräumung betraut. Dazu gab es einen Puch Haflinger mit Schneeräumschild und Streuwagen. Im Herbst habe ich das Fahrzeug liebevoll auf den bevorstehenden Wintereinsatz vorbereitet: putzen, Ölwechsel, Zündkerzen, Roststellen ausbessern, neue Stahlschiene beim Räumschild, Schneeketten kontrollieren bzw. reparieren. Im Laufe der Jahre habe ich eine ordentliche Heizung nachgerüstet. Das Fahrzeug war luftgekühlt und ich leitete die warme Abluft vom Ölkühler über einen dicken Schlauch in die Fahrerkabine. Ein NW 70 Polo Kal Rohr mit mehreren Luftlöchern habe ich oben über der Windschutzscheibe - nach unten blasend - montiert. Dadurch war die Windschutzscheibe immer trocken (nicht angelaufen) und auch außen schmolz der aufgewirbelte Pulverschnee vom Räumschild rasch weg. In der Fahrerkabine war es so warm, daß man ohne Winterjacke fahren konnte; Pullover genügte. Der Auspuff wurde mit einem 1/2 Zoll Rohr nach oben verlegt, daß die Abgase beim rückwärtsfahren nicht angesaugt und in die Fahrerkabine gelangen konnte. Da das Räumschild mit einem elektrisch betriebenen Hydraulikmotor gehoben wurde, dieser Motor viel Strom brauchte und das Schild immer wieder und oft (bei jedem zurück schieben und rangieren) gehoben werden musste, gab es oft eine leere Batterie. Die Ladekontrollampe alter Fahrzeuge mit Gleichstromlichtmaschine gab wenig Auskunft über die Ladetätigkeit des kombinierten Lichtmaschinenstarters. Dazu habe ich ein eigenes, großes Gleichstrom - Amperemeter, welches die Null Marke in der Mitte hatte, installiert. So konnte man immer den aktuellen Lade / Entladestrom der Batterie ablesen. Oftmals hat die Batterieladung wegen einer kaputten Sicherung nicht funktioniert, obwohl die Ladekontrolle diesen Defekt nicht erkannte, bzw. nicht angezeigt hat. Zusätzlich habe ich eine stationäre Stromversorgung für das Fahrzeug installiert, mit der die Batterie über ein Automatik - Ladegerät geladen wurde. Das konnte immer angeschlossen bleiben; die Batterie wurde dadurch - wenn sie schwach war - stark geladen, schaltete dann auf Nachladen und bei voller Batterie auf Erhaltungsladung automatisch um. Zusätzlich habe ich einen elektrischen Händetrockner (Fabr. Siemens, 1850 Watt mit Ventilator) und ein Raumthermostat in der Fahrerkabine installiert. Damit konnte das Fahrzeug über ein einziges Kabel und schnell mit der Funktion "Batterieladung und Standheizung" versorgt werden. Ich habe immer wieder sehr gerne mit dem Fahrzeug gearbeitet. Im Winter waren wir beide oft - auch zeitig früh / z.B. ab 2 Uhr - stundenlang im Einsatz am Firmengelände. Wir waren da oft alleine, niemand war im Werk, außer gelegentlich einem Wachdienst, welcher in der Nacht eine Runde machte. In späteren Jahren, als es der Firma besser ging, gab es einen Nachtportier. Der war aber immer - außer bei seinen Runden - in der Portierloge. Eigentlich bin immer nur ich mit dem Fahrzeug gefahren, denn der Hausverwalter, welcher bei Eumig auch damit gefahren ist, hatte kein besonderes Interesse daran, zumal er aus Vösendorf kam und ich aus der Siedlung, wo auch die Firma war. Das war mir ganz recht so, ich betrachtete den Haflinger als meinen Freund, fast als mein Eigentum. Als es der Firma besser ging, gab es auch mehr Personal in der Haustechnik. Ich konnte nicht immer alleine damit fahren, weil ich ja Betriebselektriker war und bei Störungseinsätzen oder Installationsarbeiten eingesetzt wurde. Nun wollten auch andere damit fahren. Die suchten sich aber nur die "Zuckerl - Arbeiten" heraus: sinnlos am Firmenareal herum fahren (Übungsfahrt), Schneearbeiten nur bei Tag und Schönwetter und die auch nur schlampig und oberflächlich; länger als eine halbe Stunde fuhr keiner - ich mag nicht mehr, mach du weiter, sagte er zu seinem Kollegen. Wenn sie dann fertig waren, ließen sie das Fahrzeug irgend wo stehen; nicht nachtanken, nichts putzen, keinen Streusand auffüllen, nicht ans Stromnetz; das hat mich jedes Mal geärgert. Es war erforderlich, daß die Werksfreiflächen an Werktagen ab 6 Uhr früh schneefrei und bei Bedarf gestreut waren. Auch der Gehweg entlang des Werkszaunes (Eumigstraße) sowie die Firmeneinfahrt am Eumigweg. Dazu musste man auch auf der öffentlichen Straße fahren. Der Haflinger war zwar nicht für den öffentlichen Verkehr zugelassen, hatte aber eine normale Beleuchtung (Scheinwerfer, Rücklicht, Bremslicht und Blinker) sowie einen Suchscheinwerfer und eine orange Rundumleuchte. Diese war bei Einsätzen immer in Betrieb und deutlich sichtbar. Da fällt mir ein besonderer Schnee Einsatz ein: es war sehr kalt, hatte sehr stark geschneit, starker Wind, Pulverschnee und große Schneeverwehungen. Am Parkplatz selbst war nichts zu machen; durch den starken Wind war gar kein Schnee am Boden. Aber auf der Eumigstraße bildeten sich durch den starken Westwind hinter der hohen Pappelreihe mehrere meterhohen Schneewechten, deren Ausläufer sich über die ganze Straßenbreite bis zum Gehsteig bildeten. Nur 1 x in der Nacht ist hier der Schneepflug der Gemeinde gefahren. Einerseits war da ja nur die Firma Norma / Palmers und der Pflugfahrer sah, daß ich hier herum kurvte, anderer seits hatte er mehr als genug im Übrigen Gemeindegebiet zu räumen. Immer wieder habe ich in dieser Nacht die Schneemassen Richtung Pappelreihe gedrückt, aber die Mengen waren enorm. Schließlich war nur mehr eine Durchfahrt von ca. 3 Meter frei, wobei 2 Meter davon der Gehweg war. Schon nach kurzer Zeit hatten sich etliche Schneezungen bis zum Werkszaun gebildet. Ich konnte sie kaum noch wegdrücken, da sich die Schneemassen türmten und der Haflinger für so eine Menge auf längerer Strecke überfordert war. Nun kam doch noch der Schneeräumer der Gemeinde und schob die Schneemassen so gut wie möglich Richtung Pappelreihe. Auch er konnte die große Menge nicht bewältigen, aber der freie Weg war nun gut 5 Meter breit, gleich daneben erhob sich eine gut 2 Meter hohe Schneewand. Nun bildeten sich die Schneezungen noch schneller, denn hinter der Schneewand drehte der starke Wind den fallenden Pulverschnee wie eine Walze und alles blieb am Boden liegen, bis sich dicke Schneekeile gebildet hatten. Wieder war alles bis zum Werkszaun voll. Ich arbeitete nun vermehrt auf der Straße, daß ich den Schnee so gut wie möglich Richtung Pappelreihe bekam, bevor die Schneezungen zu dick wurden. Schließlich waren wieder nur mehr 3 Meter frei. Nun kam das erste Auto in dieser Nacht und wollte in Richtung SCS fahren. Der Fahrer beobachtete meine Tätigkeiten in diesem Bereich: ich fuhr immer in derselben Richtung in der Eumigstraße und dann am Firmengelände wieder zurück. Es war ein übersichtliches Straßenstück, denn weiter hinten gab es keine Pappeln mehr und auch keinen Schnee auf der Straße. So konnte ich mit dem Haflinger zügig durch die Schneemassen durchfahren. Zurück fahren wäre zu umständlich gewesen, da ich immer wieder aussteigen und händisch das Räumschild umstellen müsste. Das war von der Fahrerkabine aus nicht möglich. Als der Autofahrer sah, daß ich immer am Parkplatz zurück fuhr und die Straße in dieser Zeit frei war, nahm er Anlauf und preschte durch die Schneemassen. Aber er wurde dabei immer langsamer und blieb schließlich stecken. Als ich mich dann ihm von hinten näherte, musste ich stehen bleiben, da zu wenig Platz zum vorbei fahren war. Er kam zu mir und bat: "bitte schiebe mich mit deinem Räumschild an - ich muß dringen weiter" Ich sagte ihm, daß das bestimmt nicht ohne Kratzer abgehen wird. Er darauf: "das ist mir wurscht, wir nicht so schlimm sein, ist mein Problem, ich muß weiter". Gesagt - getan, angeschoben, durchgeschoben; er gab Vollgas - es war deutlich zu hören, und als er wieder Bodenhaftung bekam, ist er auf und davon. Die meisten Einsätze waren in der Nacht vor dem nächsten Arbeitstag, den Wetterbericht verfolgen, war wichtig für die Planung dieser Arbeiten. Für den Tag nach dem Wochenende konnte man sich das besser einteilen: wenn es voraussichtlich in der Nacht vom Sonntag auf den Montag nicht schneit, kann man den Schneedienst auch am Sonntag bei Tag machen; das war eigentlich die schönste Arbeit für mich, speziell wenn es dabei strahlenden Sonnenschein gab. Durch die Sonnenbestrahlung schmolzen die restlichen übrig gebliebenen kleinen Schneeflecken und trockneten weg; es musste anschließend auch nicht gestreut werden. Streusand füllen war Knochenarbeit: der große, breite Streuwagen fasste einige 100 kg Streusplit und musste händisch, mit einer Schaufel von einem großen Haufen aufgeladen werden und dazwischen auch immer wieder ein Schäufelchen Streusalz mischen. Nach dem Streuen den Streuwagen auch immer wieder ganz voll, für den nächsten Einsatz füllen. Da der Streusplithaufen im Freien war, dem Wetter ausgesetzt, naß und gefroren, musste er mit einer Spitzhacke zuerst zerteilt werden, denn die gefrorenen Brocken konnten vom Streumechanismus nicht aufgebracht werden. Leute, die das nur schlampig machten - dazu zähle ich einige meiner Kollegen - waren mit dem Split füllen schnell fertig: zuerst grobes, klobiges hinein und nur oben eine feine Schicht mit etwas Salz drauf. Beim Streuen dann der Ärger: es kam nichts raus. Also zurück zum Haufen, die Hälfte heraus schaufeln und dann mit einem Krampen und einer Brechstange den gefrorenen Rest auflockern, mit Salz mischen und wieder füllen. Das kostete unnötig Zeit. Oftmals wäre ich gerne in der schönen Zeit gefahren, aber die Wettervorhersage verhieß oft Schneefall in der Nacht auf Montag. So stellte ich mich wieder auf einen Nachteinsatz ein. Da ärgerte ich mich schon sehr, daß ein Kollege (Mario F., auch aus Wiener Neudorf) schon am Sonntag dort war, obwohl in der Nacht auf Montag Schneefall angesagt war und sein Einsatz dadurch sinnlos war. Für ihn nicht, denn er hat ja gut für Überstunden bezahlt bekommen. Für mich etwas anders - ich habe auch für die Nachtstunden bezahlt bekommen, aber ab 7 Uhr früh begann mein normaler Arbeitstag. Zuvor Schneedienst; aber: der Streuwagen war leer, das Fahrzeug nicht ans Stromnetz angeschlossen, die Batterie leer und nicht nachgetankt. Jener Mario hatte einen kleinen Unfall mit dem Haflinger gebaut, was der Nachtportier freudig am nächsten Tag allen erzählte: Mario war am Sonntag hier - Winterdienst. Strahlender Sonnenschein, nur einige Schneeverwehungen. Auch seine Frau hat er mit genommen. Beide saßen im Haflinger und fuhren wie die wilden am Gelände herum. Mit großer Geschwindigkeit durch die höchsten Schneewechten. Entlang des technischen Dienstes, beim Lager für brennbare Flüssigkeiten, war vor dessen Eingangstüre eine vermeintlich große Schneezunge. Diese wollte er mit voller Wucht wegschleudern. Leider hat er nicht gewusst oder bedacht, daß die Türunterkante deutlich oberhalb des Straßenniveaus war und somit vor der Türe eine asphaltierte Rampe unter dem Schnee war. Die vordere Ecke des Räumschildes bohrte sich in den Asphalt, das Fahrzeug bäumte sich auf und die beiden Insassen wurden in der Fahrerkabine von den Sitzen an die Windschutzscheibe geschleudert, als der Haflinger dann seitlich - aber glücklicher Weise - wieder auf den Rädern aufkommend, auf den Boden aufschlug. Er hat das Fahrzeug danach still und heimlich wieder in der Garage abgestellt und dem Portier gesagt, nichts davon weiter zu erzählen. Das war aber nicht zu verheimlichen, denn das Räumschild und dessen Aufhängungen hatten erheblichen Reparaturbedarf. Eines anderen Tages ist Mario - obwohl er Fahrverbot hatte - mit dem Haflinger beim zurück schieben in die Blechfassade der Halle 10 gefahren. Der Abdruck der Anhängerkupplung war dort deutlich (auch noch Jahre danach) zu sehen. Er sagte zu mir, daß ich dem Hausverwalter Nistelberger sagen sollte, daß ich das gemacht habe, denn er dürfte eigentlich nicht gefahren sein. Das hatte ich nicht gemacht, auch deshalb nicht, weil es mir der Hausverwalter nicht geglaubt hätte und einige Firmenangehörige Mario bei dieser Aktion beobachtete hatten. Diese nämlich passten immer besonders auf, wenn sie über das Gelände gingen, und Mario mit dem Haflinger unterwegs war; er nahm keine Rücksicht auf andere Personen. Er war der Meinung, wenn die Rundumleuchte eingeschaltet ist, hat er Vorrang und alle anderen müssen aufpassen und warten. Ein weiterer Zwischenfall in einer Nacht: obwohl er nicht eingeteilt war, machte er Schneedienst. Auch die Wettervorhersage machte seinen Einsatz unnötig. Im Zuge seiner Arbeiten war er der Meinung, er müsse Benzin besorgen, obwohl noch genug davon in der Garage war. Da es schon spät war und die Tankstelle in der Gemeinde geschlossen hatte, beschloß er, zu der Nachttankstelle auf der B17 nahe Baden zu fahren. Eigentlich keine gute Idee, denn das Fahrzeug war nicht für den öffentlichen Verkehr zugelassen; die Einsätze entlang des Firmenareales konnte man noch argumentieren, aber die Fahrt nach Baden überspannte den Bogen des geduldeten. Leider hatte er das Pech, daß gerade bei der Kreuzung B17 und Hauptstraße, wo auch die Badner Bahn fuhr, genau auf den Schienen der Motor beim Wegfahren abgestorben ist, und wegen der schwachen Batterie sich auch nicht mehr starten lies. Nun probierte er es mit der Handkurbel. Aber jeder, der so etwas schon einmal gemacht hat, wird wissen, daß das nicht so einfach ist. Der Motor - ein 2 Zylinder Boxer mit wenig Hubraum - ist zwar relativ leicht zu drehen, aber wenn er wegen etwas Vorzündung plötzlich zurück schlägt, kann man sich leicht den Daumen brechen, wenn man nicht auf passt. Das wusste er aus (vielleicht übertriebenen) Erzählungen. So drehte er zu langsam und der Motor sprang nicht an. Wegschieben konnte er den Haflinger auch nicht, auch als ihm wer dabei half. Schließlich kam die Badner Bahn, fuhr bis fast zum Haflinger und begann zu pfeifen. So wie der Zug stand, war die eine Richtungsfahrbahn gesperrt. Zurückschieben machen Züge eigentlich nicht. Somit bildete sich ein kleiner Stau mit hupenden Autos. Schließlich kam noch eine Funkstreife dazu und das war es dann. Gemeinsam wurde der Haflinger von der Kreuzung mit dem Auto der Polizei weg geschleppt. Nun begann der mündliche und anschließend der schriftliche Teil des Polizeieinsatzes: Name, Papiere, wem gehört das Fahrzeug, was machen sie hier, wer hat sie beauftragt, sind sie noch zu retten?, etc. Danach ging Mario nach Hause; er wohnte ganz in der Nähe der Kreuzung und meinte, daß das alles für ihn nun erledigt ist. Innerbetrieblich bekam er eine schriftliche Verwarnung und die Auflage, den Haflinger nicht mehr an zu greifen. Aber auch ich hatte einmal Pech mit dem Fahrzeug: als ich eines Tages den Weg neben der Halle 10 - eigentlich die innerbetriebliche Durchfahrt entlang des Eumigweg - frei räumen wollte, blieb ich in den Schneemassen stecken. Obwohl ich bei der ersten Durchfahrt das Räumschild ganz gehoben hatte, um mit Schwung das erste Mal durch zu kommen (ich hatte doch etwas zu wenig Geschwindigkeit) blieb ich im tiefen Schnee stecken. Nun das Räumschild waagrecht stellen und das Fahrzeug aus dem tiefen Schnee heraus schaukeln. Es waren nur wenige Meter, bis wieder ein schneefreier Bereich war. Dort erkannte ich, daß etwas mit der Hinterachse passiert war; sie hatte keinen Gripp und das linke Rad wackelte etwas - die Radaufhängung war gebrochen und der Kraftschluß zum linken Hinterrad unterbrochen. Mit dem Vorderradantrieb schaffte ich es zur Schlosserei. Da es im Freien zu kalt für Reparaturen war und die Fahrzeugbreite knapp durch die Tür in die Schlosserei passte, haben wir beschlossen, das Fahrzeug dort rein zu bringen. Dazu haben wir mit zwei großen Riffelblechplatten eine Art Schuhlöffel gebildet, daß das Fahrzeug durch den Türstock - ohne diesen zu beschädigen - schlüpfen konnte. Im Rückwärtsgang ging es in die Schlosserei. Der Schlosser hat mich eingewiesen. Durch die Kälte bildete sich im Auspuffsystem etliches an Kondenswasser, was an sich kein Problem war. Es wurde beim Gas geben aus den nach oben und dann in einem Knie nach hinten führenden Rohr heraus geschleudert. Die Abgase waren teils rußig und so kam beim noch kalten Auspuff rußiges Wasser heraus, was dem Schlosser im Gesicht und am Oberkörper traf. Er schaute aus wie ein Dalmatiner. Es war lustig, ihn so zu sehen; er aber hat als einziger nicht bei dieser Aktion gelacht. Die Reparatur: eine neuer Halb - Hinterachsträger wurde eingebaut; eigentlich war es nur ein speziell geformtes Rohr mit speziellen Enden. Dieses schaute massiver aus, als das Originale. Es hieß, daß das bei den Haflingern in Originalausführung ein Problem ist (zu schwach). Bei rauen Geländeeinsätzen kam es gelegentlich vor, daß die Getriebeseitigen Aufhängungen gebrochen sind. Die Halbachse war schnell repariert und das Fahrzeug wieder im Einsatz. Etwas länger dauerte die (KFZ Werkstatt) Reparatur des Retourganges: eines Tages hat sich der Schaltknüppel viel weiter Richtung Retourgang bewegen lassen, ohne daß dieser einen Kraftschluß herstellte. Das war kein Totalausfall des Fahrzeuges, es war aber eine Herausforderung bei den Schneearbeiten: man musste sehr vorausschauend unterwegs sein, denn man konnte ja nicht zurück fahren; es gab nur die Fahrtrichtung vorwärts. Die Garage vom Haflinger war eine Durchfahrtsgarage - also kein Problem. Nur musste bei jeder Ausfahrt zuerst der Streuwagen an eine geeignete Stelle verbracht werden. Die Einsätze waren einerseits einfacher, da man nie zurück fahren musste (kein Rückwärtsgang) dauerten aber umso länger, da man viele Leerkilometer machte, um wieder in derselben Richtung am selben Platz zu sein. Ecken am Gelände konnten nicht bearbeitet werden; die mussten händisch geräumt werden. Nur ganz selten kam es vor, daß sich eine Kurve nicht aus ging und der Haflinger mit dem Hubstapler etwas zurück gezogen werden musste, wenn man das nicht alleine händisch schaffte. Manchmal gab es spektakuläre Einsätze, wie: nach einem plötzlichen starken Schneefall, wenn es nicht besonders kalt war, gab es dicken Schneematsch. Wenn man nun mit höherer Geschwindigkeit den Matsch bei Seite schob, gab es eine richtige Wasserfontäne, daß es nur so klatschte. Auch sehr spektakulär: da sich die untere Kante des Räumschildes auf der Fahrbahn, wo ja auch immer etwas Streusplit lag, immer mehr abnutzte und dünner wurde, musste sie fast jährlich erneuert werden. Kein Problem, im Werkzeugbau gab es genügend Stahlprofile mit unterschiedlichen Härtegraden. Das machte man meistens im Sommer, wenn es dafür genügend Zeit gab. Geeignetes Material wurde ausgesucht und zugeschnitten (L = 2 1/2 m, H = 10 cm, B = 15 mm). An der Länge mit vielen Löchern gebohrt (für die Befestigung am Räumschild) und rot gestrichen. Danach montiert und die äußeren Kanten etwas abgerundet, damit es nicht bei jeder Bodenunebenheit, Kanaldeckeln, Rigole, etc. Probleme gibt. Anschließend alles nochmals streichen. Da diese Bodenleiste einen ca. 45 Grad Winkel zum Boden hatte, um den Schnee besser aufnehmen zu können, musste die Leiste unten so bearbeitet werden, daß sie möglichst flach, mit einer scharfen Kante am Boden aufsaß, um fest gefahrene Schnee oder Eisglatzen zu entfernen. Mit einer Flex wäre das möglich, aber langwierig, schwierig herzustellen und ungenau. So haben wir immer folgendes gemacht: mit heruntergelassenem Schneeschild so lange über den trockenen Asphalt fahren, bis die Bodenleiste die erforderliche Form hat. Dabei waren wir ohne Schneeketten und schnell unterwegs. Beim Fahren / bei Einschleifen der Bodenschiene sind dann die Funken geflogen, denn es war ja eine harte Stahlschiene. Auch akustisch war das spektakulär. Und speziell im Sommer ungewöhnlich, wenn man sieht, dass ein Schneeräumfahrzeug auf trockener Fahrbahn mit heruntergelassenem Schneeschild funkensprühend unterwegs ist.
Geschrieben von Helmut Wagner am 18 Apr. 2021 20:21

148 - Gebäudeleitanlage Honeywell Excel Classic
Die neue Gebäudeleitanlage vom Fabrikat Honeywell Excel Classic war eine Innovation am Markt: damit wurden die alte Kieback & Peter Steuerung der alten Klimaanlagen, welche schon sehr störungsanfällig und ungenau war, ersetzt. Auch alle größeren Anlagen in der Produktion, Pressluftanlage, Vakuumanlage, Warmwasserbereitung, Lötanlage, Kältemaschine und Galvanik wurde zentral und zeitmäßig gesteuert. Wochenende, Feiertage etc. waren leicht einzuprogrammieren und die Anlagen in dieser Zeit ausgeschaltet, bzw. in Nachtabsenkung. Je nach Außentemperatur und Restwärme im Objekt starteten die Klimaanlagen so, dass zu Belegungsbeginn die erforderliche Temperatur in den Hallen herrschte. Die Anlage war selbstlernend und optimierte sich laufend. Immer wieder haben wir zusätzliche Funktionen dazugeklemmt bzw. programmiert, wie: Abschaltungen bei Feueralarm, sequentielle Abschaltungen bei Spitzenstrombezug, spezielle Alarmmeldungen, etc. Regelmäßig (im Abstand einiger Monate) bzw. nach Programmänderungen wurden Datensicherungsarbeiten der Anlage gemacht. Das war damals recht zeitaufwändig: am Bediengerät der Anlage in der Portierloge wurde ein normaler Kassettenrecorder angesteckt, eine 30 Minuten Tonbandkassette hinein, auf REC drücken, einige Sekunden warten und beim Bediengerät die Funktion SAVE starten. Nach ca. 8 Minuten war das erledigt. Nun die Kassette zurückspulen, auf PLAY drücken und am Bediengerät die Funktion VERIFY starten. Wenn dann die Meldung OK kam, war das erledigt; wenn nicht, das Ganze nochmals. Anschließend die Programmierung und alle Sollwerte ausdrucken (auf einem Nadeldrucker mit Endlospapier). Das brauchte der Honeywell Techniker, wenn er für Programmänderungen oder Störungssuchen hier war. Während der Programmsicherung und dem Ausdruck der Daten musste die CPU gestoppt werden, d.h. die Anlage war funktionell inaktiv; das konnte nur außerhalb der Betriebszeit gemacht werden und dauerte - wenn alles ohne Probleme ablief - gut 2 Stunden. Der CPU Neustart bewirkte auch eine Rückstellung diverser gespeicherter und errechneter Daten: Datum und Uhrzeit waren schnell eingegeben, aber die über Wochen ermittelten Werte bezüglich der Gebäudeaufheizzeiten waren weg und so dauerte es im Winter einige Tage, bis die Temperatur in den Hallen in der Früh wieder die gewünschten Werte hatte.
Geschrieben von Helmut Wagner am 11 Apr. 2021 23:39

147 - Personenrufanlage
Für die Haustechniker gab es eine eigene Rufanlage: jeder hatte einen kleinen Empfänger (Philips LBB 5920) eingesteckt. Er hatte die Abmessung einer Zigarettenpackung. Ein Display mit mehreren Stellen einer 8-Segment Anzeige und einen Lautsprecher. Von jedem Haustelefon konnte jeder einzelne davon angerufen werden. Am Display sah man die Nummer, wer angerufen hat. Am Lautsprecher konnte man den Anrufer hören. Die Benutzer dieser Geräte konnten damit eigentlich nur Nachrichten empfangen und mussten bei Bedarf mit einem Telefon zurückrufen. Ausgewählte Arbeiter (Techniker, Elektriker und Installateure) hatten ein etwas größeres Gerät, es war mit einer ausziehbaren Antenne ausgestattet, hatte einen doppelten Batteriesatz, und konnte - aber nur passiv, d. h. nur wenn sie angerufen wurden - auch zurück senden / reden. Dieses Gerät erweckte bei den Leuten den Eindruck wie beim Film Raumschiff Enterprise, wenn sie mit dem Handsprechfunkgerät reden. Auch Alarme der Haustechnik wurde an diese Geräte übermittelt und somit bekamen alle diese Leute gleichzeitig die entsprechenden Informationen wie: Feueralarm, Aufzugsalarm, Überschwemmung im Keller, Alarm der Gebäudeleitanlage, Galvanik Abwasseranlagenalarm, etc.
Geschrieben von Helmut Wagner am 04 Apr. 2021 19:59

146 - Portierüberwachung
Der Portier musste bei seinen Rundgängen bestimmte Positionen im Werk aufsuchen. Dazu waren an entsprechenden Orten kleine Blechkästchen montiert, in denen kleine Schlüssel an einer kurzen Kette montiert waren. Mit diesem Schlüssel konnte er die bei seinen Rundgängen mitgeführte Stechuhr bedienen: eine Drehung des Schlüssels in der Uhr bewirkte auf einem schmalen Papierband den Abdruck (die Nummer) des Schlüssels und die aktuelle Uhrzeit. Somit konnte nachvollzogen werden, wann er wo gewesen ist. Bei der Telefonanlage wurde eine spezielle Funktion aktiviert: wenn man mit einem Firmenapparat die Klappe 62 wählte, wurde am Drucker in der Telefonzentrale die Nummer der Klappe und die aktuelle Uhrzeit auf einem schmalen Streifen ausgedruckt. Außerdem schaltete ein Relaiskontakt für die Zeit von einer Sekunde. Ich hatte die Aufgabe, eine entsprechende zusätzliche elektrische Schaltung zu bauen; eigentlich war sie von der Norma Simmering übernommen worden und wurde etwas adaptiert: außerhalb der normalen Betriebszeit (von 18 Uhr bis 6 Uhr früh sowie am Wochenende und Feiertagen ganztägig mittels Schaltuhr) wurde über ein Zeitrelais nach 15 Minuten ein Summer in der Portierloge aktiviert. Dieser Summer konnte mit einem Knopf (oder mit jedem Telefon durch Wahl der Klappe 62) abgestellt - bzw. die Zeit wieder auf 15 Minuten rückgestellt werden. Man musste nicht so lange warten; das konnte man immer machen. Wenn nichts gemacht wurde, kam nach 18 Minuten ein Glockensignal in der Portierloge dazu. Nach 20 Minuten wurde automatisch ein Alarm an die Zentrale der group4 abgesetzt und die innerbetriebliche Personenrufanlage aktiviert, was recht laut war. Spätestens jetzt wurde jeder tief schlafende aufgeweckt. Sinn dieser Einrichtung: der Nacht / Wochenendportier musste bei seinen Rundgängen auch in vielen Büroräumen seine Kontrolle machen. Da in jedem Büro Telefone stehen, braucht er nur den Hörer abheben, 62 wählen und hatte somit einen Ausdruck auf dem Telefondrucker, mit Ort und Uhrzeit. Außerdem wurde gleichzeitig die Portierüberwachung rückgestellt. Das war auch eine Sicherheitsfunktion für ihn. Wäre ihm was passiert (Unfall, Überfall, etc.) würde nach 20 Minuten seine Zentrale alarmiert werden. Ein Streifendienst wäre gekommen und konnte am Telefonausdruck sehen, wo und wann er zuletzt gewesen ist. Auf der Rundgangsliste war ersichtlich, wie er zu gehen hat und hätte der Kontrollor ihn im weitläufigen Werksgelände schnell finden können. Zu seinem Nachteil war diese Einrichtung, da er ja nicht die ganze Nacht immer unterwegs sein musste. Er war zwischen den Runden in der Portierloge. Da kann es schon vorkommen, daß man schläfrig wird und etwas einnickt, wenn es fad ist (nichts Interessantes im Radio oder TV). Aber alle 15 Minuten kommt der Summer und die Glocke ist nicht zu überhören, schlafen kann man da nicht wirklich. Wenn man aufs Klo geht und glaubt das dauert etwas länger, dann wählt man die Klappe 62 und hat 20 Minuten Zeit, bis Alarm abgesetzt wird. Selten kam es trotzdem vor, dass einer der Nachtportiere eingeschlafen ist und erst nach 20 Minuten wieder geweckt wurde. Zu spät, die Anlage rückzusetzen; der Streifenfahrer kam, um nach dem Rechten zu sehen. Peinlich für den Portier, denn dieser Vorgang wurde schriftlich protokolliert. Ihm wurde vorgeworfen, geschlafen zu haben. Es nützte ihm nichts, sich auf ein Anlagenversagen (die Anlage wurde daraufhin ausreichend getestet) auszureden, zumal sich diese Vorkommnisse immer nur bei einem der Portiere häuften. Auch die Behauptung, er hätte so lange am Klo gebraucht, nützte ihm nichts. Seine Kollegen sagten dazu, wenn sie in so einer Situation waren, haben sie das Telefon in die Kabine mitgenommen; das Kabel war lang genug. Das mit dem Einschlafen kam auch manchmal bei anderen vor, aber wenn es nur selten der Fall war, drückte der Revierfahrer ein Auge zu und ließ es bei einer Abmahnung bewenden.
Geschrieben von Helmut Wagner am 28 März 2021 19:24

145 - Wärmedämmung Halle 10, Halle 1 bis 3 sowie Nord,- und Südtrakt...
Im Zuge der Übersiedlungs,- und Adaptierungsarbeiten wurden Wärmedämmungen der Gebäude (zwecks Energieeinsparungen) vorgenommen. Die Halle 10 war mit Welleternit gedeckt. Nur diese eine Plattenreihe war zwischen Innenraum und Außen. Den hohen Heizbedarf der Halle im Winter kann man sich leicht vorstellen. Zur Zeit von Eumig war der Öl / Gaspreis noch gering und durch die Eigenstromerzeugung mit Dieselgasgeneratoren gab es genug billige Wärme. Die Hallendachkonstruktion bestand aus dicken Stahl-T-Trägern. Darin wurde Trapezblech verbaut und der Zwischenraum mit dicken Glaswollplatten ausgelegt. Die alten Hallen 1 bis 3, mit dem angrenzenden Nord,- und Südtrakt waren am Dachboden zwar mit Heraklithplatten ausgelegt, zwecks besserer Wärmedämmung wurde alles noch mit einer dickeren Schicht Glaswolle überdeckt. Über die kleinen Schlupftüren bei den Aufzugsmaschinenräumen mussten Unmengen an Isoliermaterial und Trittschutzplatten eingebracht werden; die zu belegende Fläche betrug pro Hallenbereich ca. 975 m2 und es gab 5 Bereiche davon. Die Arbeiter waren hier wochenlang im Einsatz und um diese Arbeit waren sie wirklich nicht zu beneiden.
Geschrieben von Helmut Wagner am 21 März 2021 14:43

144 - Die Anfänge der Firma Norma in Wiener Neudorf im Sommer 1983
Eines Tages wurde eine Betriebsversammlung in der leeren Halle 1 angesagt. In dieser Halle waren nur mehr einige wenige Maschinen aus den Eumig Beständen gelagert und sollten eigentlich schon von der Konkursmasseverwaltung verkauft worden sein. Aber bei so vielen Sachen ist auch immer was dabei, was keiner mehr will / braucht / oder ganz einfach zu teuer verkauft werden sollte. Somit wurde einiges Gutes weggeworfen, bevor man es etwas billiger verkauft hätte. Oft waren Leute da und wollten dieses oder jenes erwerben. Selbst für Laien war es oft unverständlich, dass man für fast Schrott und selten brauchbares viel Geld verlangt, weil es ganz einfach einen hohen buchhalterischen Wert hat. So wurde Schlussendlich alles Restliche vernichtet, bevor es verkauft wurde. Vielen Kaufwilligen war zum Weinen zu Mute; sie hätten einiges dafür bezahlt, aber nicht genug für den Masseverwalter: also vernichten. Aber zurück zur Betriebsversammlung: es wurde verkündet, dass die Optik Elektronik von der Firma Norma gekauft wurde, alle Beschäftigten von Optik Elektronik werden in die Norma mit gleichbleibenden Bezügen und allen Rechten übernommen, der Standort bleibt erhalten, alles von Norma Wien Simmering wird nach Wiener Neudorf übersiedelt. Nun stand wieder ein erheblicher Umbau bevor: aus der aktuell als Lager für die Masse benützten Halle 1 wurden Büros gemacht: neuer Boden (Spannteppich), neue Beleuchtung, neue Zwischendecke, neue Zwischenwände, verstärkte Lüftungsanlage, neue Elektrik und EDV-Verkabelung. Die ehemalige Werkzeugbauhalle wurde wieder adaptiert, in der Stanzerei-Halle hinten entstand eine neue Galvanik, und in einer Garderobe wurde die EDV-Zentrale installiert. Zusätzlich kam ein junger Elektriker (Gerhard I.), ein Schlosser (Werner S.) und ein Hausverwalter (Josef S.). Dieser Josef war immer gut aufgelegt, mit Gerhard habe ich mich sehr gut verstanden. Werner hatte ein gesundheitliches Problem; gearbeitet hat er aber immer perfekt und vorbildlich, war freundlich und hilfsbereit. Das mit der Firma Norma kam so: das Gebäude in Wien war baufällig und müsste behördlich saniert werden (Kosten einige Mio. ATS). Das war denen dort zu teuer. So übernahmen sie die Eumig Auffanggesellschaft Optik Elektronik und bekamen dazu noch Förderungen vom Land NÖ für Arbeitsplatzsicherung, bzw. neue Arbeitsplätze. Außerdem konnte das Areal in Wien (einige Jahre später) noch gewinnbringend veräußert werden.
Geschrieben von Helmut Wagner am 14 März 2021 20:00

143 - So begann es am 16. 9. 1981 bei der Eumig - Nachfolgefirma
Gestern noch bei der Firma Eumig, heute bei Firma Optik Elektronik. Das Arbeitsumfeld, die Gebäude und die Arbeiten waren gleich, jedoch fehlten viele Leute im Werk, sowie alle meine Kollegen. Als Betriebselektriker begann der Tag recht hektisch: immer wieder läutet das Telefon in der Haustechnik, ganz dringend musste irgendwas zum Laufen gebracht werden. Vieles, was sonst scheinbar immer verfügbar war, musste nun erst aktiviert werden. Ich kannte zwar fast alles, war aber nicht damit beauftragt, dieses oder jenes zu bedienen, denn dafür gab es eigenes Personal. Nun, so schnell wie möglich handeln: Gas aufdrehen, Klimaanlagen einschalten, Warmwasser,- und Pressluftversorgung aktivieren und bei vielen Produktionsanlagen mithelfen, sie zum Laufen zu bringen. Das hatten gestern noch die Leute gemacht, welche heute nicht mehr in der Firma beschäftigt waren. Es waren von einem Tag auf den anderen statt 2000, lediglich 300 Beschäftigte im Werk. Auch fehlten die Transportarbeiter und Staplerfahrer, das Küchen- und Reinigungspersonal. Der Hausverwalter Nistelberger zeigte mir in aller Kürze die notwendigsten Tätigkeiten im Maschinenhaus, wo auch die Heizzentrale, Warmwasserbereitung, Nutzwasseranlage, Pressluftanlage und die Stromversorgung untergebracht waren. Am späteren Vormittag meldete sich der Hunger, doch die Kantine war zu. Macht nichts, bis Mittag werde ich es schon aushalten. Aber auch da gab es in der Mittagspause nichts, denn auch die Küche war geschlossen. Kein Küchenpersonal. Die Mistkübel gingen über wie auch die Aschenbecher am Gang, kein Reinigungspersonal. Überall stand etwas von der zaghaft anlaufenden Produktion herum, niemand war da um die Teile zu transportieren, wo sie anschließend gebraucht wurden. So endete der erste Tag, wie er begonnen hatte: chaotisch. Wie wird das weiter gehen, fragten sich die meisten Leute im Werk. Was wird morgen sein, bestimmt noch schlimmer als heute. Zwar nicht für mich, ich wusste, was mich erwartete, und was ich zu tun hatte. Aber in der Produktion stockte alles und die Verwaltung begann zu rotieren, denn vieles musste neu organisiert werden. Sie hatte die Aufgabe, das Werk wieder profitabel zum Laufen zu bringen. Einige Tage später wurden einige ehemalige Kollegen des technischen Dienstes wieder eingestellt, was die Abläufe in der Hausverwaltung etwas normalisierte. Aber nun wurden umfangreiche Arbeiten begonnen, die Produktion auf die erforderliche reduzierte Fläche zu konzentrieren. Viel Arbeit, viele Überstunden, speziell für mich. Das alles dauerte einige Monate, bis wieder etwas Ruhe und Routine einkehrte.
Geschrieben von Helmut Wagner am 21 Feb. 2021 19:12

142 - Auffanggesellschaft Optik Elektronik / Sept. 1981 bis Okt. 1995
Meine Aufgabe war es ab nun, nicht mehr nur die elektrische Anlage zu betreuen. Ich war ab nun der einzige Elektriker im Werk. Zusätzlich war es auch erforderlich, die Funktion sämtlicher technischer Einrichtungen am Firmenareal aufrecht zu erhalten. Bei jeder Art von technischen Problemen wurde ich gerufen. Im Laufe der folgenden Wochen wurden noch einige andere ehemalige Eumig Leute des technischen Dienstes wieder eingestellt, was die Arbeit sehr erleichterte. Die ersten Arbeiten umfassten das Zusammenrücken der Produktionsflächen auf den dafür benötigten Raum. Maschinentransporte mit dem Stapler, sowie umfangreiche Elektroinstallationen, Materialtransporte und die üblichen Störungsbehebungen. Wegen den normalen, alltäglich notwendigen Tätigkeiten, hatte man Tagsüber wenig Zeit. So wurden viele Arbeiten durch Überstunden nach Betriebsschluß gemacht. In dieser Zeit konnte man dann problemlos den Strom abdrehen, Leitungen verlegen sowie schwere und sperrige Transporte tätigen. Auch die Umstellung auf eine eigene Pressluftversorgung (Pressluftzähler gibt es nicht) und Telefonanlage war erforderlich, denn die 50/500er im Eumig Haus stand bald nicht mehr zur Verfügung. Eine Garderobe wurde verkleinert und darin entstand die neue Portierloge mit Telefonzentrale 20/100er (20 Amtsleitungen / 100 Nebenstellen) und eine Kantine. Vieles wurde abgebaut und weggeworfen: Zwischenwände, alte Rohrleitungen und Kabel, Produktionsreste, halbfertige Produkte und Prospektmaterial. Abbau der Küche, Wäscherei, Näherei, Druckerei, Galvanik, die Demontage von Produktionsstraßen, Kränen und Fertigungsanlagen. Alles was früher mühevoll hergestellt, montiert und instand gehalten wurde, kam nun auf den Schrott. Bei sehr vielen dieser Einrichtungen war ich immer wieder tätig, um sie instand zu halten. Ich war sehr traurig, diese Werke nun abbauen und vernichten zu müssen. Alles hinein in die Abfallmulden. Da ich in Firmennähe wohnte, mich im Werk bestens auskannte, als kompetent und zuverlässig galt, bekam ich einen Firmengeneralschlüssel (EVVA M47EGS), welcher überall sperrte. Die damit verknüpfte zusätzliche Aufgabe: Portiervertretung, Störungsdienst außerhalb der Betriebszeit, speziell in der Nacht und am Wochenende sowie Winterdienst. Dafür gab es einen Puch Haflinger mit Schneeräumschild und Streuwagen. In den damaligen Wintern waren er und ich oft im Einsatz. Diese Einsätze waren so abzustimmen, dass die Werksfreiflächen ab 6 Uhr früh frei von Schnee und bei Bedarf gestreut waren. Auch der öffentliche Gehweg entlang des weitläufigen Werkszaunes (Spitzeckgrundstück). Die Auffanggesellschaft OE und auch nachfolgende Eigentümer wie Norma, Goertz und NGI profitierten gut von den Resten der Firma Eumig bezüglich: großflächiges Areal, kein Platzmangel, gute Infrastruktur (Strom, Wasser, Klimaanlagen), eigene Parkplätze, gute Verkehrsanbindung, viel Ersatzmaterial (speziell in der Haustechnik). Nach Übernahme durch die div. Nachfolgefirmen - auch mit großzügigen finanziellen Förderungen vom Land NÖ (für Arbeitsplatzschaffung) - wurden immer wieder umfangreiche Umbauten vorgenommen. Nach einigen guten Jahren ging es wieder bergab, bis mit finanziellen Förderungen und Zuschüssen wieder umstrukturiert wurde. Jedesmal vorher mit kräftigem Personalabbau in der unteren Ebene, die Führungsschicht blieb. Dann wieder Personalaufstockung und wieder Förderungen. Wenn die dann aufgebraucht waren, ging es wieder bergab, zurück an den Anfang. KAHLSCHLAG IN DER HAUSTECHNIK: Viele Tätigkeiten wurden an Fremdfirmen vergeben, weil das Eigenpersonal der Haustechnik zu hohe Lohnstundenkosten hatte: über die Haustechnik wurde vieles abgerechnet, auch das, was da nicht dazugehört (Energiekosten, Gebäudeleasingraten, Kosten vom Haus und der Wohnung vom Chef und dessen teurer Autos), das dividiert durch die Anzahl der Arbeiter der Haustechnik, ergab deren Lohnstundenkosten. Somit war bewiesen, dass selbst die teuersten Fremdfirmen billiger waren, als die eigenen Leute. Professionisten machten dann artfremde Tätigkeiten wie Autowaschen vom Chef, Gras mähen, Mistkübel ausleeren, etc. Monate später wurde eine Liste ausgeteilt, in der jeder seinen Tagesablauf penibel genau aufzulisten hatte (wie gegen Ende der Firma Eumig). Damit wurde argumentiert, dass der Bedarf an Haustechnikpersonal zu reduzieren ist und entsprechende Leute wurden gekündigt. Dadurch stiegen aber die Lohnstundenkosten der verbleibenden Arbeiter. Andererseits wurde für Kleinigkeiten (Räume ausmalen, Kanalverstopfung, Rohrbrüche beheben) immer eine teure Fremdfirma bestellt, bei der wegen Schlamperei und Unachtsamkeit immer nachgearbeitet werden musste. Außerdem mussten diesen Firmen immer wieder beigestanden werden, da sie sich nicht mit der Infrastruktur im Werk auskannten und Dieses oder Jenes (Leiter, Werkzeug, Material) nicht mit hatten. Dann ein Firmenausgleich, und weiterer Personalabbau. Von der Firma wurde eine freiwillige Lohnreduktion gefordert, andernfalls es eine Kündigung geben kann. Es gab besser gestellte - welche in dieser Zeit sogar noch eine Lohnerhöhung bekamen und anderen wurde vorgeworfen, dass sie nicht auf Lohnverzicht eingegangen sind und daher selbst die Kündigung verschuldet haben. Das wurde ihnen dann auch vom Arbeitsamt vorgehalten (den Arbeitsplatz mutwillig aufs Spiel gesetzt haben). MEINE LETZTEN TAGE AN DIESEM STANDORT IM OKTOBER 1995 SCHAUTEN SO AUS: Einen neu aufgenommenen jungen Elektriker und seinen Helfer einschulen, beide hatten kein Interesse daran, sich irgend etwas zeigen zu lassen. Ihnen war das alles ganz wurscht. Wenn es irgend ein Problem gab, schickte er seinen Helfer. Bei elektrischen Angelegenheiten machte er nur das Notwendigste und nur dann, wenn dabei nicht viel zu tun war. Wenn in einer Halle mehrere Leuchtstofflampen zu tauschen waren (wegen einer ging er nicht hin) wurde die Elektrofirma Kargl aus Wiener Neudorf gerufen. Bei den meisten Maschinenstörungen konnte er auch nichts machen, da er ja kein Spezialist für die jeweilige Maschine war. Wichtige Maschinen mussten von externen Technikern repariert werden. Wasserrohrleitungsänderungen konnte er nicht machen, da er kein Installateur war und Elektroinstallationen auch nicht, da er ja als Elektriker allein war. Außerdem war er der einzigen Haustechniker und konnte sich somit nicht mit niederen Arbeiten verzetteln. Grobe Schlosserarbeiten wurden nicht gemacht, da niemand der beiden schweißen konnte und die Trennscheibe sowie die Holzbearbeitungsmaschinen zu gefährlich waren. Dazu gab es ja Schlosserfirmen und Tischlereien. Standen Transportarbeiten an, wurde der Helfer geschickt. Für alles, was ihm zu schwer (kein Staplerschein) oder zu viel war, wurde die Firma Schwerlast beauftragt. Bei Kloverstopfungen einfach die Kabine sperren und wenn es mit der Zeit zu viele wurden, dann einfach eine Firma aus Mödling beauftragen. Somit hielten er und sein Helfer den ganzen Betrieb aufrecht, was der Firmenleitung sehr gefiel. Auch die Arbeitslisten der beiden schien der Führungsschicht besser zu gefallen, da er als Haustechniker nur leitende Tätigkeiten einzutragen hatte und der Helfer alle anderen Tätigkeiten. Wenn es auch nur das Beaufsichtigen der Tätigkeiten von Fremdfirmen war. Alle Minuten des Tages waren auf den Listen mit nachvollziehbar zweckentsprechenden Tätigkeiten aufgelistet. Keine Probleme - alles in Ordnung. E N D E (leider ... ich hätte gerne bis zur Pension in der alten Firma eumig - wo noch Vockenhuber und Hauser das Sagen hatten - gearbeitet)
Geschrieben von Helmut Wagner am 31 Dez. 2020 10:16

141 - Allein im Werk / August 1981
Damit ich schneller ins Werk kam und wegen des weitläufigen Geländes, fuhr ich mit dem Fahrrad hin. Jahrelang bin ich im Werk zu Fuß zu den einzelnen Arbeitsstellen gegangen und somit wusste ich, wie lange es von den einen zu den anderen Stellen dauert, zu gehen. Nun, allein im Werk, (außerhalb der Betriebszeit) fuhr ich mit dem Fahrrad durch die Gänge und Hallen. Speziell die Fahrt auf dem langen Weg von der Portierloge bis ganz nach hinten zum Zentrallager war sehr beeindruckend. Zu Fuß, mehrere Minuten, ging es langsam dahin, aber mit dem Fahrrad hatte ich den Eindruck, ich fliege mit einem Flugzeug: vorbei bei Halle 1, Halle 2, Halle 3, Büro,- und Garderobetrakt 1, die Schräge hinunter zur Stanzerei, vorbei am Büro, und Garderobetrakt 2, die Biegung bei der Werkzeugausgabe, vorbei am Werkzeugbau, der Galvanik, der Automatendreherei, bis zum Zentrallager. Das war der Weg an der Südseite. Auf der Nordseite gab es auch einen ähnlich langen Gang. Eines Tages befuhr ich diesen nördlichen Gang. Schon in der Stanzerei war es deutlich kalt. Nach der Biegung zur Galvanik blieb ich erschrocken stehen: beide Rolltore am Fördergang waren ins Freie offen. War da ein Einbrecher gewesen und hat die Tore offen gelassen? Im Schnee vor dem Tor zum Werksgelände war, außer der Spur eines Hasen, nichts zu sehen. Nach kurzer Analyse erkannte ich, dass der fallende, vom Wind getriebene Schnee die Lichtschranken der automatischen Rolltore ausgelöst hatte. Dadurch gingen die Tore auf. Das war so, weil zu Vollbetrieb des Werkes immer wieder Stapler durch die beiden Tore in den Hof zwischen die Hallen fahren mussten, um Material zu transportieren. Danach gingen die Tore automatisch, zeitverzögert, wieder zu. Heute aber waren die Lichtschranken durch Schnee verstopft und glaubten, dass sich etwas im Schließbereich befindet. Somit blieben die Tore offen. Ich putzte die Sensoren, schloß die Tore und schaltete den Strom ab. Am nächsten normalen Arbeitstag deaktivierte ich das automatische Öffnen der Tore. Staplerverkehr war nur mehr sporadisch und die Tore wurden bei Bedarf manuell, elektrisch bedient.
Geschrieben von Helmut Wagner am 30 Dez. 2020 12:12

140 - Heizungsarbeiten / Ende 1981
Bei näher rückender Heizperiode war die erste Aufgabe in der Früh: einheizen und die erforderlichen Klimaanlagen starten. Über Nacht war alles ausgeschaltet. In der kälteren Jahreszeit wurde die Heizung erst am Sonntag vor dem nächsten Arbeitstag eingeschaltet, je kälter die Vorhersage, um so früher. Zuerst die erforderlichen Heizkessel starten und die Pufferspeicher füllen. Danach das Heizungsnetz in Betrieb nehmen und zum Schluss dann alle erforderlichen Klimaanlagen in den Hallen aktivieren. Das alles dauerte einige Stunden. Erst bei Frostgefahr wurde durchgeheizt. Über die Weihnachtsfeiertage gab es immer wieder Heizungsstörungen: zu wenig Heizwasserdruck. Die Welle der Kesselpumpe 3 war undicht; der Wasserverlust betrug mehrere 1000 Liter pro Tag - untragbar. Ich musste täglich das fehlende Wasser von der Speisewasseraufbereitungsanlage nachfüllen. So nahm ich Kessel 3 außer Betrieb und sperrte ihn nach einer längeren Abkühlungsphase ab. Danach schaltete ich auf Kessel 2 um. Dieser wurde aber mit Öl beheizt. Glücklicher Weise gab es dafür noch ausreichend Brennstoff in den Tanks. Das passte dem Masseverwalter nicht, denn er wollte das Öl verkaufen. Nun war der Rest aus den Eumig-Beständen über die Weihnachtsferien fast aufgebraucht.
Geschrieben von Helmut Wagner am 29 Dez. 2020 10:20

139 - Störungseinsätze / Ende 1981
Nach dem Konkurs war ausserhalb der Betriebszeit niemand im Werk. Lediglich ein Wachdienst machte eine Runde in der Nacht. Die Elektroanlage war so, dass selbst bei einer kleinen Stromstörung (Licht zuckt) es zu einer Notabschaltung der Abzweige (Stromabgänge von der Stromschiene) kam. Das war sonst kein Problem, da immer ein Maschinist vor Ort war. Nun aber gab es im ganzen Werk keinen Strom, in der Nacht war es finster, die Grundwasserpumpen, die Heizung, usw. funktionierten nicht. Um schnellstmöglich handeln zu können, wurde beschlossen, im Maschinenhaus das Firmeneigene Funkgerät welches die Portiere hatten, (eines in der Portierloge, das andere hatte der Rundgänger) mit zu verwenden. Die Funkgeräte wurden mit einer netzgebundenen Stromversorgung ausgerüstet. Das im Maschinenhaus wurde mit einem Zündholz am Sprechknopf auf Dauersenden gestellt, das andere hatte ich zu Hause in Betrieb - ich wohnte in ca. 800 m Luftlinie entfernt. Am Funkgerät konnte ich hören, ob es im Maschinenhaus Strom gab, denn ich hörte daran das sich fallweise Einschalten der Pumpen oder den Lauf des Heizkessels. Außerdem konnte ich hören, ob es einen Alarm der Anlage gab. Zur speziellen Kontrolle genügte ein Anruf in der Firma mit der Klappe des Maschinenhauses, dann hörte ich das Läuten des Telefones. Wegen der Nähe zur Firma war ich es, der dann gleich hingehen konnte, um die erforderlichen Arbeiten zu tätigen. Meistens war es lediglich das wieder Einschalten der Stromversorgung. Bei Stromausfällen in der Nacht war es besonders aufregend: alles war finster, ich musste mit Taschenlampe durch das total finstere Gelände und die Hallen gehen. Weil es ja keinen Strom gab, durfte es - speziell bei Windstille - nichts zu hören geben. Aber immer knackste es hier und dort oder lief irgend wo das Wasser. War da jemand eingedrungen, fragte ich mich ängstlich? Im Maschinenhaus angekommen habe ich gleich die Stromversorgung aktiviert, und die dadurch ausgelösten Alarmmeldungen, quittiert. Danach alle Uhren im Werk wieder nachstellen. Wegen des Betriebes der Funkgeräte gab es eine Verwaltungsstrafe; Begründung: 1. Betrieb ohne Bewilligung (Bewilligung für Eumig, nicht aber für Optik-Elektronik) 2. Unerlaubte Dauerbenutzung der Sprechtaste (Funkverkehrsvergehen) Wegen Beschwerden vom Flughafen Wien - die hatten das dort auch gehört - wurden Funksignalmessortungen durch die Fernmeldebehörde durchgeführt und der Bereich des Maschinenhauses ermittelt. Die Strafe dafür bezahlte Nistelberger aus eigener Tasche, wie er sagte.
Geschrieben von Helmut Wagner am 28 Dez. 2020 11:11

138 - Die weiteren Tage danach / August 1981
In den weiteren Tagen nach dem Konkurs wurden auch noch der ehemalige Tischler, der Installateur und der Maschinist wieder aufgenommen. Von einem Tag auf den anderen waren statt 2000 Leuten lediglich 300 Beschäftigte im Werk. Es gab keinen Schichtbetrieb mehr, alles war chaotisch, unorganisiert und weit verstreut. So wurde beschlossen, für den Betrieb der Optik-Elektronik einen überschaubaren Bereich im Werk zu schaffen, wo alle Maschinen und Arbeitsstellen konzentriert werden sollten, denn für die benötigte Fläche - die Hallen, musste an die Konkursverwaltung Miete gezahlt werden. Auch war es erforderlich, für alle diese Bereiche eigene Zähler einzubauen (Strom, Gas, Wasser und Wärme), und das ehestmöglich. Ein Problem ergab sich daraus, als die Firma Palmers einen großen Bereich des Areals besiedelte, dass das Maschinenhaus auf deren Grundstück lag. In diesem Gebäude waren auch die Hochspannungstransformatoren untergebracht. Die Auflage des E-Werkes war, dass niemand den vom E-Werk bezogenen Strom an andere weiter verkaufen darf. Dazu müsste die Optik-Elektronik eine eigene Trafostation aufbauen, was aber aus finanziellen, wie baulichen Gründen, und auch zeitmäßig nicht möglich war. Eine technische Notwendigkeit dafür bestand auch nicht. Es bedurfte dazu die Intervention von Bundeskanzler Kreisky, dass das E-Werk auf den Bau einer eigenen Trafostation für Optik-Elektronik verzichtete. Weitere zwei Elektriker aus dem ehemaligen Werksbereich Fertigung wurden auch wieder aufgenommen. Ihre Aufgabe: Vorführen und Abklemmen sowie Abtransport von Maschinen, welche aus der Konkursmasse von anderen Käufern erworben wurden. Dabei ging es oft recht chaotisch zu, denn speziell am Beginn des Konkursabverkaufes gab es noch keine klare Übersicht was alles zu einer "gekauften" Maschine dazu gehört. Viele Käufer waren gleichzeitig zu bedienen und so kam es vor, dass einer dieser vielleicht mehr bekommen hat, als er bezahlt hatte. War da vielleicht auch "Schmattes" für die Maschinenvorführer im Spiel? Spätere Käufer bekamen dann z.B. zu ihrer Drehbank oder Fräsmaschine keine Bohrer, Drehmesser oder Werkzeugschränke mehr dazu; es wurde genauer geschaut bzw. aufgelistet. Auch neigte sich die Menge der Maschinen zu Ende und alles wurde überschaubarer.
Geschrieben von Helmut Wagner am 27 Dez. 2020 09:37

137 - Ärger einer Fliesenfirma, Freude der Länderbank? / August 1981
Am Tag des Konkurses hatte eine Fliesenlegerfirma mehrere Paletten an Fliesen für die Küche und den Speisesaal angeliefert. Der Lieferant hatte noch nichts von dem Konkurs gewusst; es gab zu diesem Zeitpunkt auch noch keine offizielle Bekanntgabe. Am Abend hatte der Chef der Fliesenlegerfirma im Fernsehen vom Konkurs erfahren und wollte am nächsten Tag gleich in der Früh seine Lieferung wieder abholen, da sie ja nur geliefert, aber noch nicht bezahlt worden war. Er sollte in den nächsten Tagen die Küche und den Speisesaal damit neu verfliesen. Bekommen hat er die Fliesen nicht; ihm wurde gesagt, dass das alles jetzt in die Konkursmasse fällt. Für den Fliesenlegerchef eine Katastrophe, er wusste, dass er Jahrelang auf das Geld warten muss und dann nur einen Bruchteil davon bekommen würde. Anders scheinbar die Aussicht der Länderbank: plötzlich wimmelte es in der Firma von fremden Leuten in Anzügen. Sie hatten dicke Ordner mit Listen unter dem Arm und jeweils einen Helfer, welcher Pickerln mit der Aufschrift: "Pfandgut der österreichischen Länderbank AG", auf alles und jedes klebten. Sie kamen auch in die Elektrowerkstatt, stellten sich namentlich vor und sagten, was sie machen werden: sie beklebten dann alle Maschinen und größere Werkzeuge, sowie den Schaltkasten. Auf weitere Fragen, was das bedeutet, ob wir die Maschinen verwenden dürfen, gaben sie keine Antwort. Später hieß es, dass die Pickerln ungültig sind, weil: "ALLES", in die Konkursmasse fällt.
Geschrieben von Helmut Wagner am 26 Dez. 2020 10:56

136 - Am Tag des Konkurses und am Tag danach / August 1981
Nach der Mittagspause war eine Betriebsversammlung vor dem Fertiglager angesagt. Thema: Konkurs. Dazu wurde ein Eumig Metropolitan (hochwertige Stereoanlage) mit großen Lautsprechern aufgebaut, welches aber nicht richtig funktionierte und durch ein anderes Metropolitan ersetzt wurde. Der Konkurs wurde verkündet. Danach bildete sich eine sehr lange Schlange vor dem Betriebsratsbüro. Alle wollten das erforderliche Schriftstück unterschreiben, mit dem sie sofort aus der Firma austreten konnten. Viele hatten sich schon im Vorfeld eine neue Arbeitsstelle besorgt und konnten somit schon am nächsten Tag dort anfangen, ohne auf ihre Ansprüche von Eumig verzichten zu müssen. Aber nicht alle verließen die Firma, an einigen Aufträgen wurde weiter gearbeitet. So sagte der Hausverwalter Nistelberger zu mir, dass mich die Firma dringend für den weiteren Betrieb brauchen würde. So kam es, dass ich schon am nächsten Tag in der neuen Auffanggesellschaft Optik Elektronik beschäftigt war. Der Tag begann sehr hektisch, denn viele, für den reibungslosen Betrieb erforderlichen Leute, fehlten. Immer wieder läutete das Telefon im Büro des technischen Dienstes: "Es gibt keine Pressluft, wir haben keinen Strom, wieso ist das Wasser kalt, die Maschine funktioniert nicht, warum läuft die Klimaanlage nicht, wir haben keine Schmierölversorgung, bei uns gibt es kein Vakuum, wieso ist das Gas abgedreht, wo sind die Staplerfahrer, usw." Nistelberger zeigte mir in aller Kürze die wichtigsten Funktionen im Maschinenhaus, um die Produktion anlaufen zu lassen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 25 Dez. 2020 20:45

135 - Eine Weihnachtsgeschichte / letzter Arbeitstag vor Weihnachten
Eines Jahres, es war etwa 1973, gab es am letzten Tag vor den Weihnachtsfeiertagen eine besondere Stimmung im Werk. Nach der Mittagspause war es relativ leise in den Hallen: keine Elektroschrauber, keine "il silenzio" Musik, keinen Fräsmaschinenlärm in der Optikhalle und keinen Produktionslärm in der Untergruppenmontage. Auch die Dieselaggregate im Maschinenhaus waren abgestellt. Aber überall in den Hallen wurde über die Lautsprecheranlage eine Weihnachtsmusik abgespielt. Alle in der Produktion beschäftigten plauderten mit ihren Kollegen in der Nähe und putzten nebenbei ihre Arbeitsbereiche sauber. Jeder räumte in seinem Bereich herum. Wenn so viele Leute ihren eigenen Bereich bearbeiten, ist in kurzer Zeit sehr viel geschehen. Dabei wurden auch Ideen für zweckmäßigeren Arbeitsablauf mit den Abteilungsleitern besprochen, denn die Beschäftigten am Fließband und an den Produktionsmaschinen hatten oft erstaunlich gute Vorschläge gemacht. Selbst kleine Veränderungen an deren Arbeitsplätzen brachte ihnen Erleichterung und steigerte die Produktivität. Dies machte ihnen Freude, da sie ihr Umfeld positiv gestalten konnten. Es gibt Menschen, bei denen die linke Hand die geschicktere ist (Linkshänder) und dort somit einiges am anderen Platz ist, als sonst üblich (Lötkolben, Elektroschrauber, Materialbehälter, etc.). Auch die Haustechniker reinigten ihre Werkstätten und räumten zusammen. Die Elektriker hatten überdies noch Tätigkeiten an einigen Maschinen in der Optikhalle, da einiges abzuklemmen war, sodass das Personal auch an sonst nicht zugängige Stellen zum Putzen kommen konnte. Das Reinigungspersonal putzte überdies an sonst nicht zugängigen Stellen hinter den Produktionsmaschinen. Es gab keinen Stress dabei und der Arbeitstag endete in allen Bereichen gemütlich mit kollegialen, aber auch privaten Gesprächen bei vorweihnachtlicher Stimmung. Einige Tage zuvor wurde für Leute, welche bei der Firma bis zur Pension gearbeitet hatten, eine eigene Weihnachtsfeier abgehalten. Dazu wurde der Speisesaal festlich geschmückt und die Elektriker montierten zusätzliche Hängelampen über den Tischen. Gegen Ende der Normalarbeitszeit füllte sich der Speisesaal mit den Gästen. Am Gang im Stiegenhausbereich zwischen Halle 1 und 2 wurde dazu eine Gästegarderobe betrieben, wo die Leute die Winterkleidung gegen eine Garderobenmarke abgeben konnten; es schaute aus, wie bei einem Theaterbesuch mit vielen erwartungsvollen Gästen. Einige der Leute kannten sich schon seit vielen Jahren und es gab immer ausreichend Gesprächsstoff.
Geschrieben von Helmut Wagner am 24 Dez. 2020 11:07

134 - Die letzten Tage der Eumig / August 1981
Die Stimmung in der Firma war in den letzten Tagen recht betrübt, auch wenn es schon längere Zeit zuvor immer wieder vergebliche Versuche einer Firmenrettung gab. Speziell ärgerlich waren die penetrant überheblichen Leute einer Beraterfirma, welche immer wieder neugierig durchs Werk gingen um zu suchen, ob es irgend jemanden gibt, der vielleicht zur Zeit nichts zu tun hatte. Derjenige wurde dann ganz genau befragt und alles dokumentiert. Man fühlte sich dabei wie ein Verbrecher, der bei einer Untat erwischt worden ist. Besonders jene Leute waren betroffen, welche nicht am Fließband im Akkord arbeiteten, oder eine laufende Maschine bedienten. Das war im Besonderen das Reinigungspersonal, die Arbeiter vom technischen Dienst, Mechaniker, Konstrukteure sowie Lager und Transportarbeiter.
Geschrieben von Helmut Wagner am 22 Dez. 2020 11:18

133 - Unbeabsichtigter Fehltritt mit Absturz / 1977 und 1981
Beim Bau des neuen Fertiglagers kam es zu einem Arbeitsunfall. Gegen Ende der Bauarbeiten wurde die Dachfläche von allen unnötigen Materialresten abgeräumt. Es lagen noch viel Holz, Isoliermaterial, Teerpappe und Trittplatten herum. Eigentlich nur mehr Abfall. Die Arbeiter nahmen die Teile und schmissen sie kontrolliert und getrennt nach Sorte über die Gebäudekante vom Dach, um sie danach unten wegzuräumen. Eine größere Platte war zu tragen. Dazu hob jeweils auf der gegenüberliegenden Seite ein Arbeiter die Platte hoch und sie gingen in Richtung Dachkante. Dabei haben sie übersehen bzw. nicht bedacht, dass mit der Platte eine noch nicht montierte Lichtkuppel zugedeckt war. Unweigerlich stürzte der hintere Arbeiter in das Loch und fiel hinunter. Was dem passiert ist weiß ich nicht; angeblich gebrochene Ferse. In der Halle 10 wurde ein Bürobereich saniert. Die nicht mehr benötigte, herunterlassbare Treppe vom Zwischenboden, wurde ausgebaut. Das Büro war schon in Betrieb, aber die Öffnung noch offen. Oben wurde - teils staubig - gearbeitet. Der Vorarbeiter sagte: "Deckt das Loch ab, dass es nicht runter staubt und dass niemand runter fällt." Dazu wurde eine der herumliegenden Gipskartonplatten verwendet. Da auf der Platte viele Fußabdrücke waren, dachte sich einer der nichts ahnenden Arbeiter nichts dabei, und ging später darüber. Die Platte brach durch und er fiel hinunter auf einen Schreibtisch. Ausser dem Schreck aller Umstehenden und einige Beulen des Fallenden ist nichts passiert. Bleibend jedoch die Erinnerung in beiden Fällen an die Gefahren, wenn am Boden irgendwelche Platten liegen: Vorsicht beim Drübergehen oder beim Wegtragen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 20 Dez. 2020 10:25

132 - Schnittwunde mit Glas?, Kadaverlager und gute Wurst / 1981
Bei Schlechtwetter wurden die Hasen in einer Lagerbaracke des technischen Dienstes abgezogen. Seidl war da nicht wählerisch. Die Hasen hingen zum Ausbluten ganz einfach auf Besenstielen zwischen den Regalen. Bei einem lag am Boden eine große Hallenuhr, deren Glasscheibe vor dem Ziffernblatt gebrochen war. Darauf war viel Blut geflossen. Es sah makaber aus. Zwischenzeitig hatte Seidl alle Hasen verkauft und aus dem Lager entfernt. Als zufällig der Leiter vom technischen Dienst später in das Lager ging um etwas zu suchen, schreckte er angesichts der Blutflecken im Lager zurück. Er lief in die Sanität, da er glaubte, jemand seiner Arbeiter hat beim Arbeiten mit der Hallenuhr das Glas zerbrochen und sich die Pulsadern aufgeschnitten; so viel Blutspuren waren zu sehen. Auch andere tote Tiere (Rehe, Gämsen und anderes Niederwild) waren vorübergehend in der Lagerbaracke, wenn Seidl sie während des Tages nicht auf seinem Anhänger im Freien lassen konnte. Sie hingen entweder zwischen den Regalen oder auf einer Leiter. Da Seidl immer schon sehr früh gekommen ist, hat das niemand mitbekommen. Beim Betreten der Baracke - speziell im Winter war es zeitig morgens noch finster - schreckte man sich schon sehr, wenn man plötzlich ein großes Tier vor sich hängen sah. Von den erlegten Gämsen wurden von einem Fleischer einige Gamswürste zubereitet. Diese mussten mehrere Monate reifen. Dazu wurden sie in der Schlosserei aufgehängt. Niemand durfte sie zwischenzeitig angreifen. Die lange Wartezeit hat sich immer gelohnt. Sie waren sehr hart, nur ganz dünne Schnitten konnte man kauen, aber sie schmeckten besonders köstlich.
Geschrieben von Helmut Wagner am 19 Dez. 2020 11:21

131 - Entwichener Pfropfen / 1981
In einer 120er Pressluftleitung im Maschinenhauskeller war ein 1/2 Zoll Pfropfen. An dessen Stelle sollte ein Anschluß gemacht werden. Da diese Stelle die Hauptluftleitung war und während des Betriebes nicht drucklos gemacht werden konnte, haben wir uns entschlossen, während der Mittagspause dieses Rohrstück beiderseits abzusperren. In der Hoffnung, dass bei geringem Pressluftverbrauch der Druck im übrigen Rohrsystem und den Pufferspeichern einige Minuten ausreichen wird, bis wir anstelle des Pfropfens einen Kugelhahn gesetzt haben. Dazu wurde alles Erforderliche vorbereitet. Das Rohrstück war aber nach dem Absperren nicht zu entlüften (druckentlastbar). Deshalb beschloss der Installateur, den Pfropfen ganz langsam herauszudrehen und bei der letzten Umdrehung diesen mit der Rohrzange ganz fest zu halten. Obwohl der Pressluftdruck mit 8 bar relativ überschaubar war, konnte er nicht verhindern, dass der Pfropfen samt der schweren Zange ihm aus der Hand gerissen und einige Meter weit durch den Keller geschleudert wurde. Die plötzlich zischend austretende Luft war ohrenbetäubend, bis nach einer Minute dieser Rohrbereich leergeströmt war. Der Kugelhahn war sogleich eingedichtet und die Pressluftversorgung des Werkes wieder aktiviert. Den Pfropfen haben wir nicht mehr gefunden; wohl aber eine Einschusskerbe in der gegenüberliegenden Betonwand im Keller.
Geschrieben von Helmut Wagner am 17 Dez. 2020 13:37

130 - Wespennest, Hamsterbau, Eule, Katze, Hasen und Dachs / 1981
Am Lagerplatz der Schlosserei waren Formrohre gelagert. In denen bauten sich im Sommer die Wespen einige Nester. Immer wenn man Material brauchte, war es lästig, mit den Wespen Probleme zu haben. Am Freitag haben wir in ein dickes Rohr, wo viele Nester waren, eine ganze Dose TUS beiderseits hineingespritzt und danach die Enden sofort verschlossen. Das Wochenende war sehr sonnig, das Eisenrohr ziemlich heiß. Am Montag, in der Hoffnung dass die Wespen tot sind, öffneten wir das Rohr. Da sind wir aber gelaufen, denn sehr viele angriffslustige Wespen flogen heraus. Vor der Elektrowerkstatt in der Wiese waren immer mehr Erdlöcher. Einige Hamster hatten hier ihre Bauten gemacht. Beim Vorbeigehen waren sie gelegentlich angriffig und murrten uns an. Wir beschlossen, sie zu verjagen. Dazu fluteten wir ihre Eingänge in der Wiese mit einem Feuerwehrschlauch. Doch das Wasser schien ohne Wirkung zu bleiben, es floss schneller ab, als wir füllen konnten. Auch das Belegen der Eingänge mit Betonplatten half nichts, sie gruben daneben neue Löcher. Aber nach einigen Wochen haben sie aufgegeben und sind abgesiedelt. Eines Tages verirrte sich ein Uhu in einen Kellerabgang. Bei Tageslicht konnte er fast nichts sehen und flog immer an die Wand. Seidl (der Jäger) fing ihn mit einer Decke und brachte ihn in einen abgedunkelten Raum. Dort sollte er auf den Abend warten, bis er frei gelassen wird. Gelegentlich flog er herum - sein Flügelschlag war gar nicht zu hören, nicht das geringste Geräusch. Seidl hatte eine Durchlauffalle gebaut und aufgestellt. Er hatte vergessen, sie über Nacht umzulegen. Irgendwann am Wochenende dürfte eine Katze durch gelaufen sein und hat sich gefangen. Am Montag früh hörten wir sie jämmerlich Miauen. Seidl ließ sie frei. So schnell habe ich noch nie eine Katze laufen gesehen. Zur Jagdsaison brachte Seidl oft Feldhasen mit, um sie zu verkaufen. Hinter dem Lagerplatz zwischen den Gebüschen hat er sie dann abgezogen. Ein Hase kostete 50, ein abgezogener 100 Schilling. Auch ein Dachs wurde dort abgezogen und sein Fell auf einem Brett mit Nägeln aufgespannt. Fliegen sammelten sich in großer Anzahl und nach einigen Tagen war nur mehr das Fell da; alles andere hatten die Maden weggefressen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 15 Dez. 2020 12:11

129 - Unterkühlte Flüssigkeit, abrupte Eisbildung / Ende 1981
In dem seit Monaten (seit dem Konkurs) nicht mehr benützten Garderobenbereich Automatendreherei haben der Maschinist und ich nach einer kalten Nacht Nachschau gehalten, wie es dort temperaturmäßig aussieht. Die Lüftung und Heizung waren nicht in Betrieb. Es war sehr kalt in den Räumlichkeiten, denn wegen dem Garderobenmief und der abgeschalteten Lüftung waren einige Fenster seit dem Herbst gekippt. Nun galt es, Frostschäden zu vermeiden. Wir aktivierten die Heizkörper und drehten zur Kontrolle einige Wasserleitungen auf. Bei manchen kam nichts heraus (eingefroren), manche Pippen flossen, aber bei einem Waschbecken zeigte sich ein faszinierendes Phänomen: es floss zuerst das Wasser ganz normal, begann nach Sekunden schwächer zu werden und aus dem Wasserstrahl wurde plötzlich ein Eiszapfen. Bei einem anderen Waschbecken verwandelte sich das einfließende Wasser im Becken sofort zu Eis.
Geschrieben von Helmut Wagner am 13 Dez. 2020 23:01

128 - TÜV Überprüfung großes Elektrorolltor Firmeneinfahrt / 1981
Obwohl schon nach dem Konkurs aber passend zu den überheblich agierenden jungen TÜV-Ingenieuren. Es sollte das Rolltor der Haupteinfahrt überprüft werden. Ich als Elektriker war bei solchen Überprüfungen immer beigestellt. Dieses war elektrisch betrieben, funktionierte automatisch, war mit einigen Sicherheitseinrichtungen ausgestattet (Ampel, Lichtschranken, Sicherheitsleisten, Laufzeitüberwachung, Rutschkupplung) und war in unmittelbarer Nähe der Portierloge. Das Tor bestand aus einem festen Rahmen und senkrechten Alustreben; es lief beim Öffnen hinter einer Mauer vorbei, an der auch eine Sicherheitsleiste angebracht war. Nun wollte der TÜV-Mann wissen, was passiert, wenn jemand den ganzen Arm bis zur Schulter durch die Alustreben steckt und mit dem Tor beim Öffnen mitgeht, bis er zur Mauer kommt. Die Hand allein hätte nichts gebracht, da der Abstand zur Mauer dafür zu groß war, um sie einzuklemmen. Der Portier, welcher dieses Vorhaben mitbekommen hatte, brachte einen Regenschirm, womit der Arm simuliert werden konnte. Das wollte der TÜV-Mann nicht. Er sagte, dass das auch mit dem Arm funktionieren muß. Ich wurde beauftragt, zuerst verschiedene Bewegungen des Tores zu aktivieren, er prüfte die Sicherheitsfunktionen. Zum Schluss kam der Versuch mit dem Arm. Das Tor fuhr auf, er ging mit, die Sicherheitsleiste wurde gedrückt, der Torantrieb stoppte, aber Massebedingt bewegte es sich noch um wenige Zentimeter, gerade so viel, dass er seinen Arm nicht mehr herausziehen konnte. Durch seine Bewegungen wurde die Druckleiste entlastet, was nach kurzer Zeit eine weitere kurze Öffnungsbewegung des Tores hervorrief. Ängstlich rief er: "Hilfe." Ich stand in der Portierloge und betätigte sofort den Hauptschalter des Tores. Nun war fürs erste keine Gefahr mehr, aber er konnte seinen Arm nicht herausziehen. Das Tor wieder elektrisch zu bewegen, schien mir zu gefährlich. So lies ich mit dem Portier den Schlosser über die Rufanlage herbeiholen, welcher den Kettenstangenantrieb des Tores so weit deaktivieren musste, um das Tor händisch zu schieben. Das alles spielte sich beim Haupteingang ab, viele Leute kamen vorbei und redeten über diesen Vorfall. Gelegentlich konnte man hören: "So ein Trottel - gerade ihm dürfte so was nicht passieren - wo hat er das gelernt - was ist der von Beruf?" Auch der Schlosser, welcher beim Torantrieb werkte, konstatierte ihm Blödheit in seinem Beruf und riet ihm, doch einen Pflegeberuf zu ergreifen oder Gartenarbeit zu verrichten. Dieser Vorfall sollte dem TÜV-Mann eine Lehre sein.
Geschrieben von Helmut Wagner am 12 Dez. 2020 18:38

127 - Stromverbrauch, Blindstrom und Spitze / ohne besonderes Datum
Für größere Stromabnehmer in Industrie und Gewerbe wird als Grundgebühr der Spitzenstrombezug (kW) heran gezogen. Der tatsächliche Stromverbrauch (kWh) hat damit nichts zu tun; der wird gesondert verrechnet. Es gibt unterschiedliche Tarife für Tag und Nacht, sowie Sommer und Winter. Auch der Blindstrom (kVAr) wird gemessen; und wenn er ein gewisses Maß nicht übersteigt, auch nicht verrechnet. Um den Blindstrom zu reduzieren, gab es an mehreren Stellen im Werk - meistens bei den großen Stromverteilern - eigene Kondensatorbatterien zur Regelung des cos Phi, genannt, Kompensation. Auch mit den Stromgeneratoren im Maschinenhaus lässt sich der Blindstrom kompensieren, aber nur wenn sie laufen. Spitzenstrom hat mit dem tatsächlichen Stromverbrauch nichts zu tun. Es ist der höchste Wert der Leistung in Kilowatt, welcher durchschnittlich in 15 Minuten bezogen wird. Das wird mit einem speziellen (und geeichten) Messgerät ermittelt und gespeichert. Dieser Wert wird nun als "Spitze" für die nächsten 12 Monate zur Verrechnung verwendet. Die Zählerablesung erfolgt monatlich, wie auch die Rückstellung der Spitze. Sollte im nächsten Monat die Spitze niedriger sein, wird trotzdem der höhere Wert für die nächsten 11 Monate verrechnet und fällt dann auf den nächst niedrigeren Wert zurück. Es genügt aber eine viertel Stunde mit einem höheren Wert, um die Spitze für die nächsten 12 Monate zu erhöhen. Der Leistungsbedarf des Werkes lag während des Tages bei max. 3000 kW, im Schichtbetrieb ca. 2000 kW und in der Nacht (im Sommer) unter 100 kW. Durch die Eigenstromerzeugung wurde die Spitze unter 1500 kW gehalten. Das bedeutet, dass man sich dadurch 1500 kW Spitze erspart. Auch die Stromrechnung wurde dadurch erheblich reduziert. Wirtschaftlicher Nebeneffekt: die Abwärme der Dieselaggregate wurde für Heizung, Kühlung und Warmwasserbereitung verwendet. Die Maschinisten hatten die Aufgabe, Spitze und Blindstromkompensation zu überwachen und zu regeln. Eines Tages hatten wir kurzzeitig bei einer großen Klimaanlage zu arbeiten und dazu diese abgeschaltet, ohne die Maschinisten zu verständigen. Die Arbeiten dauerten aber länger als geplant. Der Maschinist sah auf den Anzeigen, dass die Stromlast schon längere Zeit auf einem niedrigeren Niveau war und schaltete einen Diesel ab. Nach dem wieder Einschalten der Klimaanlage stieg natürlich die Spitze über den aktuellen Wert. Der Start des Diesels und die Synchronisation dauerte, die Spitze wurde überschritten und der höhere Wert musste über ein ganzes Jahr bezahlt werden. Es war zwar nur ein geringer Wert, etwa 20 kW, aber nun begann die Suche nach den Schuldigen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 10 Dez. 2020 23:44

126 - Klemmender Kugelhahn / 1980
Bei unseren Kontrollgängen in den Rohrkanälen haben wir auch immer wieder an den Entwässerungshähnen der Pressluftleitungen das Kondensat abgelassen. Dazu war am Boden eine Allibertkiste abgestellt, um das Wasser und die Ölreste aufzufangen. Das Wasser verdunstet immer wieder von selbst, zurück blieb nur das Öl. In der Kiste war aber auch Staub und Spinnweben. Eines Tages war ich bei einem der Ventile, es ließ sich aber nicht öffnen. Der Maschinist sagte, geh weg, lass mich. Er wollte das Ventil bewegen, das ging nicht. So drehte er kräftig daran, um es kurzfristig ganz zu öffnen. Dabei schoss ein kräftiger Wasserstrahl heraus, gefolgt von restlichem Öl und danach viel Pressluft. Diese blies ganz stark nach unten, was bewirkte, dass das in der Kiste befindliche Wasser und Öl, samt Staub und Spinnwegen dem Maschinist von den Füßen bis ins Gesicht geschleudert wurde. Auch hier wieder sein jammern: "Scheiße, warum immer ich."
Geschrieben von Helmut Wagner am 08 Dez. 2020 17:00

125 - Alkoholverbot / 1980
In der Firma galt allgemeines Alkoholverbot; zu kaufen gab es nichts dergleichen. Aber einige Arbeiter haben sich eigenes mitgebracht. Kaum jemals ist es aufgefallen, wenn jemand was getrunken hat. Einer der Hauspartieleute hatte immer seine Doppler in der Werkstatt. Damit das nicht auffällt, hat er ihn mit Alufolie eingewickelt. Die Flaschenform war aber unverkennbar. Nach einigen Jahren hat er sie nicht mehr eingewickelt. Ein anderer Arbeiter hatte immer wieder einen Schluck aus der Flasche gemacht, gerade so wenig, dass es nicht auffiel. Wir haben daraufhin das Niveau abgemessen und jedes Mal, wenn er einen Schluck gemacht hat und die Werkstatt verlies, mit einem kleinen Pickerl - auf dem sein Name stand - das Niveau markiert. Nach einigen Stunden war die Flasche rundherum - abwärts gehend - mit seinen Namenspickerln versehen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 06 Dez. 2020 20:17

124 - Die Müllpresse / Winter 1980
Aufbau: Eine ca. 1,3 m hohe, 2 x 2 m große Eisenkonstruktion mit Geländer, unter der sich die Mechanik / Hydraulik und der Schubstempel befand, daran angehängt der Presscontainer. Seitlich auf der einen Seite ein großer Schaltkasten, auf der anderen Seite das Gestänge, um große Müllbehälter hochzuheben und in den Einwurfsbereich auszukippen. Über eine Treppe konnte man auf eine Plattform steigen und in den Presseneinwurf schauen. Wenn man die große Eisenplatte der Plattform wegschob, kam man zur Mechanik der Anlage, so auch zu den hydraulischen Elementen und dem Öltank. Funktion: Die Müllpresse stand im Freien und war ungeschützt der Witterung ausgesetzt. Immer wieder, wenn es sehr kalt war, bewegte sich der Stempel nicht, oder nur sehr langsam. Dann wurde die Presse einfach auf Automatik eingeschaltet und längere Zeit laufen gelassen. Dabei erwärmte sich das Hydrauliköl und die Presse begann zu funktionieren. Fehlfunktion: Eines Tages aber brachte auch eine lange Laufzeit nichts; der Stempel ging immer nur wenige Zentimeter vor und zurück. Auch der Hebearm für die Müllbehälter bewegte sich kaum. Reparatur: Ribic und ich sollten die Presse reparieren. Wir öffneten die obere Platte sowie den Hydraulikölfilter. Dieser war im Ölrücklauf und gleichzeitig die Öleinfüllöffnung sowie die Inspektionsöffnung für den Tank. Der Filter war aus Metall und sah aus wie ein dreckiger ausgewundener Fetzen. Wegen der Kälte hatten Paraffinablagerungen den Filter verstopft und ihn zusammen gedrückt. Im Tank war das Ölniveau ziemlich tief; es fehlte etwas Öl, weil die Anlage schon alt und etwas undicht war. Außerdem war der Hubstempel ganz vorne und somit das meiste Öl im Schubzylinder. Nun sagte der Maschinist: Schalte ein, und steckte den Kopf zwischen Absturzstrebe und Außenwand der Anlage durch, um zu sehen, wie das Öl aus dem Rücklaufrohr wieder in den Behälter floss. Ich sagte ihm, er soll dort weggehen, er aber, dann kann ich nichts sehen - schalte ein! Ich startete die Anlage. Der Anlauf: der Hydraulikmotor startete zuerst in Stern, schaltete auf Dreieck, und nach einigen Sekunden öffnete das Magnetventil für den Stempelrücklauf, da dieser ganz vorne war. Das zurück fließende Öl spritzte beim offenen Ölsiebdeckel heraus, genau ins Gesicht des Maschinisten. Er schrie: Abschalten, Abschalten, wollte zurückweichen, konnte aber nicht, weil er hinter dem Kopf die Strebe hatte. Danach war er ganz ölig.
Geschrieben von Helmut Wagner am 05 Dez. 2020 21:15

123 - Kältemaschine Absorber / 1980
Im Zuge der Werkserweiterung wurde zu den vorhandenen Kältekompressoranlagen eine große, neue Kältemaschine (Absorber) im Maschinenhaus installiert. In diesem Raum roch es oft seltsam. Das kam von dem in der Maschine unter leichtem Vakuum gehaltenem, verwendeten Methylbromid. Die Kälteanlage versorgte das ganze Werk (außer dem Hochhaus) mit abgekühltem Wasser (12 / 6 Grad) für die Klimaanlagen und Fan Coil. Der Absorber funktioniert wie die ganz alten Kühlschränke mit Stromwärme oder solche für Camping mit Propangasflamme. Das Prinzip ist allen gleich: sie brauchen Wärme und große Maschinen viel Wärme. Der Absorber im Maschinenhaus wurde mit Heißwasser beschickt (105 / 90 Grad), wobei höhere Temperaturen für die Absorberleistung besser wären, die Heizanlage aber nur für Systemdrücke unter 3 bar (Betriebsdruck 2 bar) ausgelegt war. Beim geplanten Werksvollbetrieb im Sommer kam sehr viel Abwärme von den Abgasverwertern der Dieselaggregate, um den Absorber ausreichend zu betreiben. Nun aber, da immer weniger Produktionsbetrieb wegen Auftragseinbruch, Kündigungen und Kürzungen im Schichtbetrieb war, musste wegen fehlender Dieselabwärme im Hochsommer der große Kessel 4 mit viel Gas befeuert werden, um genügend Wärme für den Absorberbetrieb zu bekommen, was sehr unwirtschaftlich war.
Geschrieben von Helmut Wagner am 03 Dez. 2020 17:30

122 - Funkberater Ausstellung in Bad Gastein / September 1980
Vorab waren im dortigen Ausstellungsbereich schon alle Videokomponenten und Kabel verlegt worden. Unsere Aufgabe war lediglich, die Kabel anzustecken, alles einzuschalten und die Kameras auszurichten. Beschäftigt damit war Carl Heinz Tehsarik und ich. Wir sind mit seinem Ford Granada gefahren. Tempolimits auf der Autobahn schienen ihn nicht zu kümmern; er ließ den Wagen richtig laufen, wie er sagte. Zumal wir an selben Tag wieder zurück fahren sollten. Ich am Beifahrersitz mit dem Straßenplan sollte die richtige Autobahnabfahrt ansagen. Im Bereich Salzburg war diese zwischen zwei Tunnels. Er war sehr flott unterwegs; ich sagte, da müssen wir raus und er drehte kräftig am Lenkrad, dass die Reifen ordentlich quietschten. Da unsere Arbeit rasch erledigt war, gingen wir noch kurz im Ort herum (Brücke, Wasserfall und Kraftwerk anschauen).
Geschrieben von Helmut Wagner am 01 Dez. 2020 20:02

121 - Messe Photokina 12. bis 18. 9. 1980 in Köln / September 1980
Die Vorarbeiten: Am LKW-Platz vor dem Zentrallager waren zwei große Container aufgestellt. In denen wurde alles für den Messestandbau verladen, was dort gebraucht wurde. Material und Deko wurde zuvor vom Lager (dem ehemaligen Kino Laxenburg) geholt. Auch Werkzeug und sonstiges Installationsmaterial wurde verladen. Die Anreise: Im Auto - ein Ford Capri 2000 des Technikleiters vom Hochhaus, Kolar Peter - waren auch der Tischlermeister Eibler Franz und ich, als Elektriker. Wir fuhren auf der Westautobahn über Linz, Passau und weiter Richtung Frankfurt nach Köln. Die Reise war unbequem, da das Auto, in dem auch alles Gepäck war, wenig Platz hatte. Geringe Beinfreiheit, geringe Kopfhöhe; es war keine Reiselimousine, sondern ein kleiner Sportwagen. Fallweise fuhr auch Eibler; er fragte, wie schnell er fahren darf, Kolar sagte, so schnell du willst, der Wagen ist top fit. In Köln gab es aber eine kaputte Zylinderkopfdichtung. Der Messeaufbau: Eine Gruppe von aus Österreich kommenden Arbeitern und Designern bauten in der Messehalle auf dem nackten Teerfußboden in wenigen Tagen einen schönen Messestand auf. Man hatte den Eindruck, man ist in einem alt-Wiener Kaffeehaus: Marmorfußboden und Säulen (Fototapeten), Edelholzeinrichtung (glatte Pressspanplatten mit gezeichneter Maserung und Ornamenten), große Bar mit ganz großem Spiegel (der war aus einer perfekt gespannten reflektierenden Folie), Lampen aus gewöhnlichen Glaskugeln (aber mit schönen Verzierungen), eine hohe Kuppel in der Mitte des Messestandes, (auf Metallrahmen gespanntes weißes Vlies) und in dessen Mitte hing ein großer Kristall-Luster. Meine Aufgabe war, die gesamte Elektroinstallation herzustellen. Zwischenrückreise: Während der eigentlichen Messe waren wir wieder im Werk in Österreich. Die Reise erfolgte mit dem Flugzeug: Im Airbus von Köln nach Frankfurt waren recht wenig Leute und sehr viel Platz, von Frankfurt nach Wien mit einer alten, überfüllten DC9, welche schon voll war, aber von Frankfurt noch Leute mitkamen. Eingestiegen sind wir bei der hinteren Treppe in die Maschine. Platzangst durfte man da nicht mitnehmen. Ich hatte einen Platz am Fenster ziemlich hinten beim Triebwerk, welches beim Start recht kreischte; der Pilot gab Vollgas. In Wien angekommen, setzte das Flugzeug - scheinbar - ganz sanft auf und die Passagiere klatschten. Doch das Flugzeug war noch nicht am Boden und setzte mit großer Wucht auf, dass wir durchgeschüttelt wurden. Als beim Triebwerk die Schubumkehr einsetzte, glaubte ich, dass es auseinanderbricht, weil sich Teile der Verkleidung öffneten. Messeabbau und Rückreise: Nach einer Woche in Österreich ging es zum Abbau wieder mit dem Flugzeug nach Köln. Kolar war dort geblieben und sein Auto war zwischenzeitig repariert worden. Alles wurde demontiert und in die großen Container verladen. Es blieben auch viele Bierdosen und Dosenwürstel übrig, welche in den nächsten Tagen und Wochen im Werk konsumiert werden sollten. Aber die Würstel waren fast ungenießbar, sie hatten einen komisch seltsamen, geräucherten Geschmack, kaum hinein gebissen, wurden sie stehen gelassen oder weggeworfen. Am letzten Abend gab es gratis Essen von der Firma in einem schönen Restaurant. Kolar wollte sich am nächsten Tag bei der Heimreise ausruhen. Deshalb sollte ich mit dem Auto fahren, da Eibler den Motor wieder abgestochen hätte, wie Kolar sagte. Bei jeder Raststation solle ich stehen bleiben und eine kleine Pause machen, nach kurzer Zeit dann auch bei jedem Parkplatz. Die Rückreise dauerte viele Stunden, aber nach kurzer Zeit gewöhnte ich mich an die lange Autofahrt hinter dem Steuer. Wieder im Werk wurde Tage danach alles aus den Containern ausgeräumt. Dabei wurde festgestellt, dass einige Kameras und Dekorationsmaterial fehlten. Daher wurde eine Untersuchung mit Befragung aller Beteiligten gestartet. Was dabei herausgekommen ist, weiß ich nicht.
Geschrieben von Helmut Wagner am 29 Nov. 2020 19:21

120 - Alarmhupe Härteofen / 1980
Der Härteofen hat am Ende ein Ölbad, in dem die geglühten Teile mittels Förderband von oben hinein fielen. Die Teile wurden unter Sauerstoffabschluß geglüht. Dazu strömte in den Ofen ein brennbares Gas, das am Anfang der Beschickung beim einlaufenden Förderband herausbrannte, wenn es mit Luft - gezündet mit einem Lichtbogen - in Berührung kam. Am anderen Ende mündet ein Blechschacht in das Ölbad, damit von dieser Seite keine Luft hinein kann. Bei laufendem Betrieb wurden über ein Förderband die fertigen Teile aus dem Ölbad befördert, wodurch das Ölniveau betriebsbedingt sank. Überwacht mit Schwimmerschaltern wurde eine Lampe angesteuert, was Ölmangel anzeigte, bzw. eine Hupe (bei weiterem Absinken), welche davor warnt, dass Luft von hinten in den Ofen strömen kann. Wenn das passiert, kann es zur Verpuffung im Ofen kommen. Das musste unbedingt verhindert werden - rechtzeitig Öl nachfüllen. Gelegentlich war das Bedienungspersonal nicht vor Ort und so machten wir uns den Spaß, den Ölniveauschalter hinunterzudrücken, was die Hupe auslöste. Nun kam der Arbeiter des Ofens gerannt, denn er glaubte, das Ölniveau ist zu tief und Verpuffung droht.
Geschrieben von Helmut Wagner am 28 Nov. 2020 17:30

119 - Kabellänge zu kurz / 1980
Für die aus dem aufgelassenen Werk Bad Deutsch Altenburg übersiedelte Abteilung Härterei, wurde in der Halle Stanzerei nordseitig, ein eigener Bereich geschaffen. Für die Anlagen wurde ein neuer, starker Stromverteiler gesetzt, für den ein eigenes Kabel (4 x 95 mm2) als Zuleitung vom Hauptverteiler benötigt wurde. Die Kabellänge zu ermitteln, war die Aufgabe der Elektriker. Wir haben genau und mehrmals gemessen, da die Leitungsführung sehr verwinkelt war. Das Ergebnis gaben wir Tehsarik bekannt. Der sagte, dass das bestimmt zu lang ist; wir sollen nochmals messen. Aber das Ergebnis war gleich (Länge ca. 65 Meter). Er rechnete daraufhin von unserer Messung für die Bestellung 5 Meter ab und sagte, dass das auch reicht. Er glaubte vielleicht, dass wir nicht nochmals gemessen haben. Außerdem wollte er überall sparen. Als das Kabel kam und verlegt wurde, war es um 3 Meter zu kurz, sogar als es bereits an den Sicherungsabgängen angeklemmt und das Kabel nochmals gestrafft wurde, es also keinen Verschnitt gab. Nun war ein weiteres Kabelstück erforderlich, um es mit einer eigenen Gießharzkabelmuffe an einer senkrechten Stelle - was mit einer Gießharzkabelmuffe eigentlich nicht möglich war, da diese in genau waagrechtem Zustand zu vergießen ist - zu stückeln. Die Kabelverbindung war in 3 m Höhe an einem Hallenpfeiler der Außenwand, genau oberhalb des neuen Stromverteilers, in dessen oberen Bereich auch die Anschlüsse waren.
Geschrieben von Helmut Wagner am 26 Nov. 2020 19:23

118 - TÜV Überprüfung der automatisch fahrbaren Hochregale / 1980
Bedenklicher Prüfvorgang durch einen TÜV-Ingenieur für Flurförderfahrzeuge: Es sollten die elektrisch betriebenen, automatisch fahrbaren Hochregale überprüft werden. Ich als Elektriker war bei solchen Überprüfungen immer beigestellt. Funktionsbeschreibung der Anlage: Mehrere hohe, lange Regale, beiderseits bestückbar mit Europaletten, betrieben mit eingebauten Elektroantrieben, fahren auf bodenebenen Eisenschienen. Alle Regale stehen aneinander, lediglich eine Öffnung ist vorhanden, um mit einem Stapler das Regal zu be/entladen. Dazu muss an der gewünschten Stelle eine Öffnung gefahren werden, d.h. alle anderen Regale fahren gleichzeitig entweder nach links oder rechts. Zu diesem Zweck muss im offenen Bereich ein Knopf gedrückt werden. Das Personal prüft somit, dass sich dort niemand befindet, und dann außerhalb des Fahrbereiches den entsprechenden Knopf drücken, wo die Öffnung entstehen soll. Die Zeit dafür ist nicht sehr lang; wenn man zu langsam geht, funktioniert das nicht und man muss erneut im offenen Bereich drücken. Zur Sicherheit gibt es in Bodennähe eine Gummileiste, wenn sich doch was im Schließbereich befinden sollte und eine Laufzeitbegrenzung, wenn was stecken bleibt oder das Regal nicht vom Fleck kommt. Das kommt immer dann vor, wenn das Regal ungünstig befüllt ist, wie z.B. leichte Verpackung oder leere Zonen über den Antriebsrollen und schwere Eisenringe an Bereichen ohne Antrieb. Zudem kommt noch, dass ein schwer, oder ungünstig beladenes Regal, auch wenn es sehr langsam fährt, nicht nach 2 cm schon zum Stillstand kommen kann. So stand der TÜV-Mann in der Mitte der Beschickungszone und sagte zu mir, ich soll das Regal starten, er bleibe stehen, um die Gummileiste zu prüfen. Ich sagte ihm, dass das keine gute Idee ist, wir sollten eine leere Palette verwenden, da kann nichts passieren. Er sagte, die Anlage muss auch stehen bleiben, wenn sich eine Person drin befindet. So startete ich die Anlage. Das Regal bewegte sich langsam auf ihn zu. Wirklich passieren konnte nichts, denn wenn es nicht stehen bleibt, hat er noch genügend Zeit, herauszulaufen. Nach kurzer Zeit fuhr die Gummileiste an seinen Schuhabsatz. Die Anlage funktionierte einwandfrei: die Gummileiste wurde gequetscht, der Luftdruck in ihrem Inneren stieg, der Druckschalter sprach an und schaltete den Antrieb ab. Das schwere Regal bewegte sich aber noch einige wenige Zentimeter, weil die vielen Tonnen nicht abrupt stehen bleiben und riss ihm den Schuhabsatz ab. Er sagte nur: "Das ist ja gefährlich." Ein zufällig vorbei kommender Lagerarbeiter sagte: "Was ist das für ein Trottel, der da bei laufender Anlage in den Regalen stehen bleibt."
Geschrieben von Helmut Wagner am 24 Nov. 2020 19:21

117 - TÜV Überprüfung Palettenförderer Dreherei und Lager / 1980
Bedenklicher Prüfvorgang durch einen TÜV-Ingenieur für Aufzüge: Es sollte der Palettenförderer (spezieller Aufzug nur für Europaletten mit Material - Personentransport verboten) überprüft werden. Ich als Elektriker war bei solchen Überprüfungen immer beigestellt. Der TÜV - Mann wollte eine geeignete Traglast für den Aufzug. Da dieser eine Traglast von 1200 kg hatte, sollte ich auch so eine Last herbeischaffen. Das war kein Problem, da es im Lager für die Produktion Eisenblechringe mit brauchbarem Gewicht gab. Auf einer Europalette habe ich das erforderliche Gewicht gebracht. Der Aufzug wurde damit in die verschiedenen Etagen gefahren. Dem TÜV-Mann reichte es aber nicht; er wollte sehen, was bei Überlast passiert; es müsse doch eine Überlastabschaltung geben, sagte er. Somit wurde die Last um jeweils ca. 200 kg erhöht. Der Aufzug schaffte das anfangs problemlos. Der TÜV-Mann wollte noch mehr Gewicht transportieren, womit ich aber nicht einverstanden war. So beauftragte er seinen Helfer, mit ihm auf die schon für den Aufzug überladene Palette zu den Eisenringen zu steigen. Ich machte ihn aufmerksam, dass man nicht auf den rollenbetriebenen Fahrkorb des Palettenförderers steigen soll, da man nicht weiß, was passieren kann, zumal er schon deutlich überladen ist. Er sagte, dass ER der Ingenieur ist und ich nur beigestellt bin, seine Anweisungen auszuführen. Ich solle den Aufzug nun vom UG ins OG schicken. Gesagt - getan, der Aufzugmotor und das Getriebe plagte sich hörbar, fuhr aber los. Das wollte der TÜV-Mann noch mehr ausreizen und sagte zu seinem Helfer: "Wir werden jetzt gleichzeitig springen und aufstampfen, es muss sich doch was tun." Und es tat sich auch was: mit knallenden Geräuschen senkte sich die Förderplattform ruckweise abwechselnd auf der einen, und dann auf der anderen Seite, um einige Zentimeter. Der Motor stoppte und die knallenden Senkbewegungen hörten auf. Beide Männer auf der Aufzugsplattform waren kreidebleich im Gesicht; der TÜV-Mann stotterte: "Hol mich da raus!" Ich sagte, dass ich gar nichts mehr einschalten werde, ihr müsst langsam und vorsichtig am Rand über die Eisentraversen herausklettern. Wie sich nachher herausstellte, hat sich durch die extreme Überlast und das Springen der Kettenspannmechanismus so weit gedehnt, dass die Kette einseitig über das Kettenzahnrad gesprungen ist. Das wiederum bewirkte eine Überdehnung der anderen Seite (Klack - Klack). Die Schlosser schimpften den TÜV-Mann wegen seine Blödheit und weil sie den Aufzug wieder (unnötig) reparieren mussten.
Geschrieben von Helmut Wagner am 22 Nov. 2020 21:27

116 - Videokameramontage am Parkplatz Zentrallager / 1980
Auf einem der Lichtmaste sollte eine Kamera montiert werden. Von dort oben war eine gute Aussicht auf den ganzen Gebäudekomplex gegeben. Der Monitor dieser Kamera war beim Portier im Zentralgebäude untergebracht. An sich war die Technik der Videokamera nicht geeignet, so weit vom Monitor entfernt betrieben zu werden. Das war eine Herausforderung für die Ingenieure der Elektronikabteilung. Wegen der hohen Montageposition wurde ein Gerüst aufgebaut, was die Arbeit für die Elektriker sehr erleichterte. In den folgenden Tagen nach der Inbetriebnahme musste die Kamera immer wieder abmontiert und im Labor für die lange Leitung adaptiert werden. Das Auf,- und Abmontieren war meine Aufgabe. Anfangs hatte ich Mühe, auf das Gerüst zu klettern. Ich kraxelte mühsam im Inneren der Konstruktion durch die Luken der einzelnen Etagen. Aber nach einigen Tagen fiel es mir nicht schwer, außen am Gerüst hoch zu steigen; das ging viel schneller. Ich hatte die Kamera beim Besteigen des Gerüstes immer in die Hosentasche gesteckt; eines Tages ist mir die Kamera aus der Tasche gerutscht und fiel aus einigen Metern hinunter in die nasse Erde. Mit dem Objektiv blieb sie darin stecken. Ich wischte das Objektiv trocken und montierte sie. Über das Funkgerät mit den Elektronikern im Hochhaus verbunden zeigte sich, dass es durch den Absturz der Kamera keine Funktionsbeeinträchtigung gegeben hat.
Geschrieben von Helmut Wagner am 21 Nov. 2020 21:28

115 - Raumüberhitzung Maschinenhaus / Sommer
Im Sommer war es überall im Maschinenhaus zu heiß; die elektrischen Anlagenteile waren sehr belastet. Im Winter konnte die Temperatur durch Offenlassen der Türen in der Maschinenhalle auf einem erträglichen Niveau gehalten werden, im Sommer wurde es zu heiß, speziell in den Schalträumen. Nun wurden hinter dem Maschinenhaus im Freien zwei große Ventilatoreinheiten aufgebaut, welche viel Frischluft in den Bereich der 6 x 15 m3 Warmwasserspeicher geblasen haben. Dieser Bereich war offen, vom Dach bis in den Keller, und über offene Türen mit dem Rest des Maschinenhauses verbunden. Die eingeblasene Luft begrenzte die Raumtemperatur und durchlüftete, über die Kabelgänge, auch die Keller der Werkshallen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 19 Nov. 2020 21:09

114 - Lampentausch am Parkplatz Zentrallager / 1980
Hier waren 3 hohe Lichtmasten mit starken Strahlern aufgestellt. Die Lampe auf einem Mast leuchtete nicht; es handelte sich um eine große Quecksilberdampflampe. Ich kontrollierte zuerst die Stromversorgung, die war vorhanden. Da die hohe, fahrbare werkseigene Leiter zu kurz war, um dort raufzukommen, wurde eine Elektrofirma aus der Gemeinde angefordert. Ich glaubte, dass damit meine Arbeit erledigt war. Die Firma kam mit einer VW-Pritsche, auf der eine wirklich hohe Ausschubleiter montiert war. Der Monteur brachte das Fahrzeug in Stellung und richtete die Leiter ein. Dann sahen wir uns gegenseitig an. Ich fragte, warum er nicht weiter macht. Er darauf: Ich soll nur die Leiter beistellen, alles andere machst du. Ich schaute mir das Fahrzeug und die Leiter an und fragte, warum die Stabilisatoren vom Fahrzeug nicht herunter gelassen sind, damit die Leiter und das Fahrzeug nicht wackeln kann und warum die Leiter so weit weg vom Mast steht. Er darauf: Die Leiter ist nicht so hoch ausgefahren, um die Stabilisatoren zu benötigen, und, die Leiter biegt sich schon noch zum Mast hin wenn du rauf steigst. Wirst sehen. Ich stieg vorsichtig und ängstlich rauf (Höhenangst). Am Anfang noch kein Problem, denn die Ausschubleiter war im unteren Bereich noch aus 3 breiten Segmenten, weiter oben waren es aber nur mehr 2 und ganz oben nur mehr eine schmale Leiter. Sie hatte sich wirklich zum Mast hin geneigt. Nun wollte ich das Lampengehäuse öffnen, aber es klemmte. Ich wollte die Abdeckung wegdrücken, aber durch den Druck, den ich ausübte, bog sich der Mast in die eine Richtung weg und die Leiter in die andere. Ich hielt mich nun krampfhaft mit beiden Händen an der Leiter an, als Mast und Leiter auf einander prallten. Der fremde Elektriker hatte ein Nachsehen mit mir und erledigte den Rest der Arbeiten.
Geschrieben von Helmut Wagner am 17 Nov. 2020 20:53

113 - Überhitzter Stromabgang / 1980
Bei einem Kontrollgang im Keller des Maschinenhauses waren wir auch beim Stromverteiler. Bei einem der Abgänge am Leistungsschalter für die Kabel Stanzerei und Werkzeugbau (2 x 4 x 185 mm2) war einer der dicken Anschlussklemmen (der Kabelschuh vom braunen Draht) so heiß, dass die Kunststoffisolierung bereits schwarz und verkohlt war. Weil hier 6 Drähte auf engem Raum waren und diese tw. fest aneinander drückten, bestand die Gefahr, dass es in diesem Bereich bald zu einem Kurzschluss kommen wird. Hier, bei den Stromschienen, wäre ein Kurzschluss besonders stark. Der Maschinist versuchte, die beiden fest aneinander drückenden Drähte auseinander zu biegen. Ich sagte zu ihm mit besorgter Stimme: Lass das aus und komm sofort aus dem Raum - wenn es einen Kurzschluss gibt, bist du tot, bevor du es merkst und ich werde schwer verletzt! Er befolgte meinen Rat. Wir zeigten dieses Problem den Hausverwalter und entschlossen uns, das am Abend nach Schichtende zu beheben. Zwischenzeitig durfte niemand in den Schaltraum gehen. In der Nacht haben wir den Abgang stromlos geschaltet und die Anschlüsse erneuert. Dazu mussten die beiden Kabel gekürzt und neue Kabelschuhe gepresst werden.
Geschrieben von Helmut Wagner am 15 Nov. 2020 19:27

112 - Lampentausch in den hohen Werkshallen / 1980
In den hohen Werkshallen war es wegen der großen Höhe etwas schwieriger, die defekten Leuchtstoffröhren zu tauschen. Dazu musste eine hohe Stehleiter aufgestellt werden. Dann mit einer neuen Röhre und einem Starter hochklettern und die Lampe tauschen. Oftmals zwickten die Lampenfassungen speziell beim wieder Einsetzen, da sich die warmen Röhren in der Länge gedehnt hatten und somit der Platz für die neuen etwas zu klein war. Man musste mit beiden Händen über Kopf arbeiten, wobei man die defekte auch noch in der Hand halten musste. Besser ging das mit dem Hubstapler und dem auf der Gabel befestigten Arbeitskorb. Er war so groß wie eine Europalette, hatte einen Gitterrahmen und eine Werkzeugablage. In diesem konnte gefahrlos gearbeitet werden und gleich auch noch etliche Lampen und Werkzeug, sowie anderes Material mitgenommen werden. Leider hatten wir nur selten das Glück, damit zu arbeiten, weil dazu ein Stapler und ein Staplerfahrer vom Lager abgestellt werden mussten.
Geschrieben von Helmut Wagner am 14 Nov. 2020 18:50

111 - TÜV Einsatz Kranüberprüfung Stanzerei / 1980
Bedenklicher Prüfvorgang durch einen TÜV-Ingenieur für Kräne: Es sollte der Kran in der Stanzerei überprüft werden. Ich als Elektriker war bei solchen Überprüfungen immer beigestellt. Der TÜV-Mann wollte eine geeignete Traglast für den Kranhaken. Da der Kran eine Traglast von 1000 kg hatte, sollte ich auch so eine Last herbeischaffen. Das war kein Problem, da es in der Halle für die Produktion Eisenblechringe mit brauchbarem Gewicht gab. Dem TÜV-Mann reichte es aber nicht das Gewicht nur hochzuheben, er wollte auch eine Überlast simulieren. Dazu beauftrage er mich, den am Kranhaken hängenden Eisenring mit einem Hubstapler und einer Europalette hochzuheben, dass der Kran entlastet war. Nun der Prüfvorgang: den Eisenring von der Palette stoßen, dass er in die Krankette fällt und somit eine Überlast simuliert. Er sagte, dass das die Rutschkupplung abfedern muss. Mir war mulmig bei dem Vorhaben und machte es nicht, sondern ging zur Seite. So beauftragte er seinen Helfer, welcher auch sein Schriftführer war, das zu machen. Der Eisenring kippte und fiel von der Palette. Obwohl die Fallhöhe gering war, erzitterte die ganze Eisenkonstruktion der Halle. Alle Personen ringsum hielten den Atem an, als Staub von den Eisenträgern der Halle herabfiel und die Leuchten an den Hallenträgern wackelten. Der TÜV-Mann sagte lediglich: "Hoppala, na so was hab ich noch nicht gesehen".
Geschrieben von Helmut Wagner am 12 Nov. 2020 18:11

110 - Geheimer Produktionsbereich / 1980
Eigentlich haben die Elektriker immer gewusst, was wo hergestellt wurde, denn überall gab es Strom und war somit auch Arbeitsplatz der Elektriker wenn es um Anschlüsse oder Beleuchtung ging. Speziell bei Umbauarbeiten waren sie die ersten und letzten Arbeiter in diesen Bereichen, bevor die Produktion begann. Eines Tages wurde an der westlichen Ecke der Automatendreherei ein größerer Bereich von den dortigen Maschinen frei geräumt und dieser dann mit Zwischenwänden umschlossen. Da diese Zone an der Außenwand war, brauchten nur zwei Wände auf gestellt werden, um einen eigenen, großen Raum zu schaffen. Der Eingang war eine große Doppeltüre, die Wände etwas oberhalb der Tischhöhe hatten Glasscheiben. Diese, wie auch die Scheiben in der Fassade, wurden mit einer Folie versehen, sodass man nicht durchschauen konnte. Personen auf der anderen Seite der Scheibe konnte man nur schemenhaft erkennen, die Lichtdurchlässigkeit war aber gut. Wir hatten Anschlüsse herzustellen (Strom, Pressluft, Wasser). Es gab nur einen Plan auf dem zu sehen war, wo welcher Anschluss sein musste. Niemand aber konnte sagen, welche Maschinen hier aufgestellt werden, oder was da produziert wird. Stattdessen wurde uns gesagt, nicht nachzufragen, was unsere Neugier noch steigerte. Als alles fertig war, stand der Bereich einige Tage leer, aber von einem Tag auf den anderen war die Abteilung in Betrieb. Man sah nichts Genaues, hörte nur die Maschinen im Inneren kreischen (Fräsmaschinen, Bohrwerke, Pressluftgeräusche) und schemenhaft die Arbeiter mit irgendwas hantieren. Material wurde in verschlossen Kisten in den Raum gebracht und die scheinbar fertigen Teile kamen in großen, verschlossenen Kartonagen - ohne Aufschrift - heraus. Da die Tür fast am Hallenende war, konnte man auch nicht zufällig dort vorbei gehen und zufällig bei der Tür hinein schauen wenn sie aufging. Außerdem war die Tür von aussen nur mit einer Codekarte zu öffnen und wurde zudem auch noch mit einer Videokamera überwacht. Das alles trug dazu bei, dass sich jeder etwas anderes ausdachte, was dort geschieht; man kam auf die blödesten Ideen. Auch aus den Leuten, welche in dem Raum arbeiteten, war nichts herauszubekommen, alles sehr mysteriös. Da in diesem Hallenteil bis dahin kein Wasser benötigt wurde, gab es im Keller darunter auch keinen Kanal. Das Abwasser floss in eine mittelkleine Hebeanlage, welche immer wieder wegen Überlastung überging. Auch war das Abwasser etwas fettig, weshalb die Schwimmerschalter nicht richtig funktionierten. Wir fragten uns, was machen die dort oben mit so viel Wasser, und was wird dort produziert? Aber wie immer in einem Produktionsbetrieb, ging auch dort etwas kaputt und musste repariert werden. Dazu gab es eine Unterweisung bevor wir reingelassen wurden, nicht nach links oder rechts schauen, nur zu der Maschine gehen zu der wir hingeführt wurden und sich nur mit dieser Maschine und deren Problem beschäftigen. Mit keinem der dortigen Arbeiter reden, und auch dann, wenn wir wieder rausgehen, nichts davon weiter sagen, was dort gemacht wird. Eigentlich war das alles (meiner Meinung) sehr übertrieben, wie sich später heraus stellte: von einer speziell geformten Aluprofilstange wurden ca. 15 cm lange Stücke abgeschnitten. Jedes Teil bekam eine fortlaufende Nummer eingestanzt; auch die Reststücke vom Stangenende. Es wurde alles genau notiert, kein Stück des Rohmaterials durfte weggeworfen werden, auch wenn es während der Bearbeitung kaputt wurde oder bei der strengen Endkontrolle nicht durchkam. Die einzelnen Teile wurden an verschiedenen Stellen gefräst und gebohrt. Für jeden einzelnen Arbeitsfortschritt gab es dazu eine eigene Maschine. Abschließend noch entgratet, gebürstet, endgereinigt sowie genauestens vermessen und protokolliert, sowie in mit Schaumgummi ausgepolsterten Überkartons einzeln verpackt. Nie haben wir erfahren, wozu oder wofür diese Teile gebraucht wurden. Es geisterte in der Runde, daß die Teile in der Raumfahrt oder beim Militär Verwendung fanden.
Geschrieben von Helmut Wagner am 10 Nov. 2020 20:28

109 - Verbindungs(Strom)drossel überhitzt / 1980
Im Zuge der laufenden Werkserweiterungen (Verstärkung Halle 3 und Hochhaus) waren die beiden Stromschienen im EG des Maschinenhauses Platz- und Leistungsmäßig nicht mehr ausreichend. Dazu wurde im Keller ein weiterer Raum dafür adaptiert. Diese beiden Stromschienen (EG und Keller) wurden mit einem automatischen Leistungsschalter verbunden. Hier (Schiene 2) war ab nun die Halle 3, die Pressluftanlage und das Hochhaus sowie auch die Einspeisung, 2 x Hochspannungstransformator und Diesel 3. Bei Schiene 1 blieb Trafo 1, Diesel 1 und 2, Halle 1 und 2, Maschinenhaus, Halle 9 und 10, Technischer Dienst, Küche sowie die Klimaanlagen 1, 2, 3 und 4. Beim einem weiteren großen Ausbau (Stanzerei, Werkzeugbau, Galvanik und Dreherei) war eine weitere Stromschiene erforderlich, denn es gab auch noch zwei zusätzliche, starke Stromaggregate. Im Endausbau waren strommäßig 3 x 660 kVA E-Werksleistung sowie 2 x 660 kVA, 2 x 250 kVA und 175 kVA Generatorleistung zu verteilen. Wegen der nun recht hohen Kurzschlußleistung der Anlage und die auf diese hohe Leistung nicht ausgelegten Stromschienen 1 und 2 wurde zwischen der Schiene 1 - 2 und Schiene 3 eine spezielle Kurzschlußdrossel eingebaut. Diese hatte die Aufgabe, einen eventuell auftretenden Kurzschlußstrom zu begrenzen. Die Drossel war eigentlich nur einige Windungen von dicken Kupferschienen (aber drei eigene davon wegen Drehstrom) im Schaltraum Keller des Maschinenhauses. Kurz nach Inbetriebnahme und Vollbetrieb des Werkes (Endausbau) wurde der Raum wegen der Abwärme der Drossel so warm, dass Stromausfälle wegen überhitzter Leistungsschalter zu befürchten waren. Anfangs nur die Türen offen lassen und mit starken Ventilatoren den Raum kühlen. Es wurde gerechnet und geprüft, wie man durch unterschiedliche Einspeisungen und Abgänge auf den Stromschienen die Belastung der Drossel senken konnte. Das wurde dann auch an einem Wochenende gemacht, denn dazu war die Abschaltung des ganzen Stromnetzes im Werk erforderlich.
Geschrieben von Helmut Wagner am 08 Nov. 2020 21:09

108 - Nutzwasserrohrbrüche / 1979
Für die Versorgung der Werkshallen mit Nutzwasser (NW 120) wurden - wegen Korrosion - die am Markt neuen glasfaserverstärkten Kunststoffrohre verlegt: diese rosten nicht, sind elektrisch nicht leitend, temperaturisoliert, schwitzen nicht, brauchen nicht gestrichen oder isoliert werden, sind leicht zu verarbeiten. Einfach abschneiden und die Muffen oder Fittinge zusammen kleben. Leider mit dem Nachteil: schleichendes Versagen der Klebestellen. Diese lösten sich so, dass sie zwar dicht blieben, aber die Rohre langsam auseinander rutschten. Das merkte niemand, da es sehr langsam ging. Man konnte zwar sehen, dass die eine oder andere Verbindung komisch aussah, vermutete aber, dass bei der Montage das Rohr mit dem Kleber nicht ganz in die Muffe oder Fitting gesteckt wurde. Der Zugang zum Rohrkanal (begehbarer Gang im Keller Maschinenhaus zu den einzelnen Werkshallen) war mit einer Brandschutztüre abgeschlossen. Der Rohrkanal dahinter ca. 1 Meter höher, als der Boden im Keller selbst. Eines Tages sah der Maschinist an den Anzeigen auf der Schaltwand, dass alle Nutzwasserpumpen in Betrieb waren. Das war selbst bei größtem Wasserverbrauch nicht so. Außerdem war der Wasserdruck geringer als sonst. Verdacht: Rohrbruch. Ich wurde informiert, in den Kellern des Werkes nachzusehen. Im Rohrkanal - vom Werk kommend - hörte ich das Getöse von herausspritzendem Wasser und sah, mir entgegenkommendes Wasser am Boden. Ich ging zurück, dann ins Maschinenhaus und informierte Ribic, den diensthabenden Maschinisten. Er hatte oft Pech bei seinen Arbeiten, wie auch heute: Wir gingen in den Keller und sahen, dass hinter der Türe das Wasser hüfthoch stehen müsste, da bis zu dieser Höhe aus den Ritzen das Wasser heraus kam. Ich sagte zu ihm, ich weiß, dass dahinter ein Rohrbruch ist. Besser Wasser abdrehen und etwas zuwarten. Er darauf: Nein, ich will das Wasser spritzen sehen, ich mache die Tür nur einen kleinen Spalt auf. Ich ging etwas zurück, er zu Tür, drückte auf die Klinke - die ließ sich nicht bewegen. So klopfte er fest drauf, die Tür kam ihm entgegen, er konnte sie nicht mehr zudrücken, rutschte aus, fiel hin, die Tür ging ganz auf und das Wasser spülte ihn im Keller vor sich her. Ich lief zum Stiegenhaus, das Wasser verteilte sich im Keller, der Maschinist rappelte sich auf. Nach dem Absperren der Rohrleitung sagte er nur (ganz naß): Scheiße! Immer wieder gab es ähnliche Rohrbrüche, aber ab nun sperrte er zuerst ab, und ging erst danach, nachschauen. Rohrverbindungen, welche sich scheinbar zu trennen begannen, wurden nachgeklebt und zusätzlich extra befestigt.
Geschrieben von Helmut Wagner am 07 Nov. 2020 23:11

107 - Unerwartete Stromüberlastung / 1979
Eines Tages gab es eine angekündigte Stromabschaltung durch das E-Werk, im Hochspannungsnetz der Siedlung wurde gearbeitet. Die Abschaltzeit war zwischen 3 und 5 Uhr früh angekündigt. Der Maschinist Ribic und ich hatten die Aufgabe, während der Hochspannungsabschaltung die Stromversorgung des Werkes aufrecht zu erhalten. Auch alle Abteilungsleiter im Werk wurden informiert, niemand orderte einen speziellen Strombedarf in diesem Zeitraum. Daher haben wir nur das Dieselaggregat mit 250 kVA in Betrieb genommen, welches mehr als ausreichend für die Last um diese Zeit war. Wir haben vorsichtshalber auch alle Klimaanlagen abgeschaltet. Es war über längere Zeit vor der Stromabschaltung lediglich eine Last von 60 bis 80 KW zu sehen. Gegen 4 Uhr 30 hörte ich, dass die Dieselmaschine ein ungewöhnliches niedriges Drehzahlgeräusch hatte. Die Anzeigen an der Schalttafel für den Generator standen auf Endanschlag (über 400 A), der Frequenzmesser zeigte nichts mehr an, denn sein unterer Anzeigewert war 42 Hz. Nun schnell schauen, wo viel Last gebraucht wird und die abschalten, bevor der Generator ausfällt und es im ganzen Werk finster ist. Gefunden: die Galvanik - und abgeschaltet. Der Diesel bekam wieder seine Drehzahl (600 U/min) und die Amperemeter zeigten wieder erwartbare Werte; nichts fiel aus. Nach einigen Minuten kam der Galvanikchef (Hacker) und beschwerte sich, weil er keinen Strom in der Halle hatte, obwohl es überall anders Licht gab. Nach kurzem Gespräch stellte sich heraus, dass er, unangekündigt und früher als üblich, alle seine Anlagen hochfahren wollte. Er war sonst nie so zeitig im Werk.
Geschrieben von Helmut Wagner am 05 Nov. 2020 20:28

106 - Gasgeruch beim Maschinenhaus / 1979
Bei Arbeiten in der Nähe des Maschinenhauses habe ich im Außenbereich des Heizhauses immer wieder Gasgeruch wahrgenommen, dieses dem Maschinisten erzählt der sagte, dass das bestimmt Abgase des Kessels sind, denn wieso sollte im Freien Gas ausströmen. Mir ließ das aber keine Ruhe. Ich merkte den Gasgeruch immer nur dann, wenn Kessel Nummer drei in Betrieb war. Der Maschinist erklärte mir immer wieder, dass das die Abgase vom Kessel Nummer drei sind. Doch auch ihm kamen Zweifel, ob das nicht doch ein unbekannter Gasaustritt ist. Ich schaute mir die Gasleitungen im Heizhaus beim Kessel 3 an und verfolgte die Leitungsführung. Zwischen den beiden Gasmagnetventilen der Leitung zum Brenner führte, über ein eigenes Magnetventil, ein 6/4 Zoll Rohr über Dach. Darin eingebaut war ein Glasbehälter in dem Flüssigkeit stehen sollte, um zu kontrollieren, ob Gas durchfließt. Dieser Behälter war aber leer; das Wasser darin fehlte, so wie auch bei den anderen beiden Gaskesseln. Kurze Beschreibung der Funktion dieser Einrichtung: bei abgeschaltetem Brenner waren die beiden großen Gasmagnetventile geschlossen und das zwischen den beiden angeschlossene aber offen, um Druckentlastung oder Undichtheit vom ersten Magnetventil abzuführen. Da das Wasser in der Kontrollstelle fehlte, wurde die Fehlfunktion des Ablassventiles nicht bemerkt. Jedesmal, wenn Brenner Nummer drei in Betrieb war, sollte das Ablassventil geschlossen sein, aber es strömte Gas über die 6/4 Zoll Leitung ins Freie, da dieses Ventil defekt war. Aus Sicherheitsgründen wurden - nach der Ventilreparatur - die Schaugefäße ab nun mit einem nicht verdunstendem Öl befüllt.
Geschrieben von Helmut Wagner am 03 Nov. 2020 18:32

105 - Optische Kunststofflinsen / 1979
Nicht ganz neu, aber trotzdem eine Herausforderung: die Herstellung optischer Linsen aus Kunststoff, aber solche, mit großen Durchmessern. Diese waren wegen des geringeren Gewichtes besonders für Kameras interessant. Ausserdem konnten in einem Arbeitsgang auch asphärische Profile, sowie auch zusätzliche Zapfen für die Befestigung oder Ähnlichem hergestellt werden. Für diese neuen, großen Spritzgussmaschinen wurde ein Bereich in der Halle drei geschaffen. Auf Grund der Abmessungen (mehrere Meter lang) und Gewicht (mehrere Tonnen schwer) musste dazu ein großes Tor in die Halle an der Außenwand eingebaut werden. In diesem Bereich waren Leitungen für Strom, Wasser, Pressluft, Gas, Vakuum und auch der Zuluftschacht für die Hallenbelüftung. Das alles wurde in den Fußboden verlegt. Auch Zwischenwände und Anschlüsse für die neuen Maschinen wurden hergestellt. Zwischenzeitig wurden neue Linsenformen entworfen, deren Spritzgussformen dann im Werkzeugbau hergestellt wurden. Auch wurde an dem Ablaufverfahren errechnet, bei welchen Bedingungen eine möglichst fehlerfreie Linse gespritzt werden konnte. Dabei gab es folgende Parameter zu berücksichtigen: Granulatauswahl, Temperaturverlauf in der Plastifizierungsschnecke, Spritzdruckaufbau und Einspritzgeschwindigkeit, Temperatur der Spritzform, Nachdruckzeit des Kunststoffes (dieser schrumpft während des Abkühlens), Gesamtverweilzeit in der Spritzform und etliches mehr. So konnte nach dem Aufstellen der Maschinen gleich mit der Produktion begonnen werden. Diese Maschinen waren ungleich komplizierter, als jene, mit welchen ich bis zuvor zu tun hatte. Wegen der Vielfalt an unterschiedlichen Einstellungsmöglichkeiten bezüglich stufenloser Bewegungen, Zeiteinstellung, Überwachung und automatischem Betrieb war da vermehrt Elektronik im Schaltschrank. Für deren Bedienung und Anzeige reichte der Platz auf dem Bedienpult nicht aus. So gab es erstmals eine Steuerung mit Computer und Tastatur. Für die Anzeige der vielen Betriebsdaten, einen eigenen Monitor. Da bei großvolumigen Linsen eine lange Nachpress- und Abkühlungszeit notwendig war, ein großer Linsenstern benötigte mehrere Minuten, reichte selbst der Schichtbetrieb nicht aus, um einen ausreichenden Stückzahlausstoß zu haben. So wurde beschlossen, die Maschine über Nacht bis zur Frühschicht durchlaufen zu lassen. Es war nur notwendig, dass ausreichend Granulat zu Verfügung stand und die fertigen Teile aus der Maschine entnommen wurden, wenn die Spritzform aufging. Da durfte nicht viel Zeit vergehen, denn der heisse, verflüssigte Kunststoff in der Einspritzschnecke veränderte schnell seine optischen Eigenschaften. Für diesen sogenannten Geisterbetrieb in der Nacht wurde die Maschine um eine Greifereinrichtung und ein Förderband erweitert. Der Greifer entnahm den fertigen Teil aus der sich öffnenden Spritzform, und als die wieder geschlossen war, wurde der nächste Teil gespritzt. Zwischenzeitig legte der Greifer den noch heissen Linsenstern vorsichtig auf das Förderband. Den nächsten Stern daneben. Wenn eine Reihe voll war, bewegte sich das Förderband etwas weiter. Der Nachtportier hatte die Aufgabe - je nach Erfordernis und Bedarf - Granulat nachzufüllen und das Förderband abzuräumen. Alle Maschinenabläufe und Funktionsüberwachungen wurden von dem in der Maschine eingebauten Computer übernommen. Auch mehrere Spritzgussformtemperiergeräte waren da steuerungstechnisch eingebunden, denn je nach Fortschritt des Spritzgusses musste die Form an verschiedenen Stellen beheizt oder gekühlt werden. Kompliziert ? nein ! das ist Kunststoffspritzgusstechnik. Bei Produktionsbeginn, wenn die Anlage noch kalt war, gab es viel Ausschuss, denn der Kunststoff war noch nicht optikgeeignet (glasklar). Auch waren bei den ersten Spritzteilen Lufteinschlüsse, mitunter auch großvolumige, in den Linsen. Dazu muss man wissen, dass der Spritzdruck einige 100 Bar beträgt und somit in dem eingeschlossenen Hohlraum eben dieser Druck herrscht. Manchmal ist dann so eine Linsenausschuss wie ein Knallfrosch explodiert.
Geschrieben von Helmut Wagner am 01 Nov. 2020 19:37

104 - Herstellung einer Türöffnung / 1979
Eines Tages der Auftrag, einen zusätzlichen Türstock in eine Garderobe einzubauen. Dazu waren die Hofpartie und die Maurer eingeteilt. Arbeitsablauf: Staubschutzwände aufstellen, Öffnungsbereich markieren und Maueröffnung herstellen. Prybil ging das schon in der Lagebesprechung zu langsam. Er nahm die große Flex (Trennscheibe) und machte einen senkrechten Schnitt. Beim 2. hielt er die Luft an, weil es extrem staubte. Danach einige kräftige Hiebe mit dem großen Vorschlaghammer und die Öffnung war hergestellt. Er ging zurück in die Werkstatt, denn seine Aufgabe war erledigt. Weitere Arbeiten machte er an diesem Tag nicht, denn die durch seine Arbeit eingesparte Zeit wollte er für sich verwenden. Zwischenzeitig kamen die Leute der Hofpartie und wollten die Staubschutzwände aufstellen. Statt dessen hatten die Reinigungsfrauen alle Hände voll zu tun, da man am Gang in diesem Bereich vor Staub gar nichts mehr sehen konnte.
Geschrieben von Helmut Wagner am 30 Okt. 2020 19:41

103 - Arbeiten mit der großen, fahrbaren Leiter / 1979
Für Arbeiten an den Lichtmasten der Aussenbeleuchtung und an den Fassaden im OG gab es eine große fahrbare Leiter mit Ausschub. Die Leiter reichte im ausgeschobenen Zustand bis an die Dachrinne im OG. Sie war immer im Freien hinter dem technischen Dienst zwischen höheren Sträuchern abgestellt. Bei sehr starkem Wind wurde sie auch umgeworfen. Dadurch waren einige der runden Sprossen so ausgeleiert, dass sie sich drehen ließen. Beim Hochklettern musste man da aufpassen, um nicht abzurutschen. Eigentlich arbeitete ich gerne damit beim Lampentauschen im Gelände. Eines Tages hatten wir den Auftrag - im Zuge der Installation von Eumig Videokameras am Werksgelände - eine Neue an der Fassade in Richtung Fertiglager zu montieren. Dazu musste man aber, weil die Leiter in diesem Bereich etwas unterhalb des üblichen Niveaus (Zufahrt WARÜ) stand, fast ganz nach oben klettern. Auf der vorvorletzten Sprosse stehend mit einer klobigen Schlagbohrmaschine in die Betonwand Dübellöcher zu bohren war gefährlich. Wo sollte man sich dabei anhalten, wenn man die Maschine mit beiden Händen festhalten musste. Noch ängstlicher war ich, als bei den Kamerajustagearbeiten der hektische Tehsarik dazu kam. Mit dem Funkgerät als Verbindung in die Portierloge gab er Anweisungen. Doch damit nicht genug, er kam auch auf die Leiter hinauf, um selbst an der Kamera herumzudrehen und sie einzustellen. Die Leiter ächzte und bog sich, da sie nicht für zwei Leute geeignet war.
Geschrieben von Helmut Wagner am 28 Okt. 2020 19:25

102 - Hobelmaschine zureiten / 1979
Bei den Werkzeugmacherlehrlingen der älteren Jahrgänge gab es einen - nicht ganz ungefährlichen - Sport: Hobelmaschine zureiten. Dazu muß man wissen, dass damals die grobe Flächenbehandlung von Eisenblöcken mit einer Hobelmaschine stattfand. Den genauen Aufbau zu beschreiben, dauert zu lange. Kurz gesagt, schaut die Hobelmaschine aus wie ein kleines Pferd. Obenauf ist eine große Befestigungsschraube für den Bewegungsschlitten. Der obere Bereich wird elektromechanisch vor- und zurück bewegt. Der Hubweg ist voreinstellbar, die Geschwindigkeit lässt sich im Betrieb stufenlos verstellen. Nun der Zuritt: der Reiter setzt sich auf die Maschine, hält sich fest an der Schraube an, und ein anderer startet den Motor. Der Reiter wird sitzend am Schlitten vor,- und zurück bewegt. Um die Schwierigkeit für ihn zu steigern, wird die Geschwindigkeit des Antriebes immer mehr erhöht. Um besonderes Geschwindigkeitsempfinden zu simulieren, wurde er mit Pressluft angeblasen. Als Augenschutz diente eine Schleifbrille. Bewertet wurde die Kategorie Hubhöhe, Hubzahl und Geschwindigkeit des Schlittens. Dieses durfte aber keinesfalls von den Ausbildnern gesehen werden, dadurch fanden diese Rennen nur bei seiner sicheren Abwesenheit statt. Aufpasser gab es unter den Lehrlingen genug. Die Jüngeren wollten auch, durften aber erst mit älteren Jahren auf die Maschine. Die Gesellen sagten nichts, denn sie waren scheinbar in ihrer Lehrzeit auch bei solchen Aktionen dabei gewesen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 26 Okt. 2020 21:42

101 - Frostschaden Halle 10 / kalter Winter
Eines Tages in der Früh füllte sich der Eingangsbereich zur Halle 10 mit einem dichten, warmen Nebel; man konnte bei ausgestreckter Hand die Finger nicht mehr sehen. Außerdem war es fast finster in diesem Bereich, obwohl das Ganglicht eingeschaltet war. Diese komische Wolke begann, sich auch in die Halle auszubreiten. Es war auch ein Zischen und plätscherndes Wasser zu hören. Alle Leute der Halle begaben sich ins Freie, um sich die aus der Hallentür und aus einem Fenster daneben kommenden Wolke anzuschauen. Auch Wasser floss bei der Hallentür heraus, heißes Wasser. Es dampfte stark. Leute vom Technischen Dienst kamen und sperrten die Heizung der ganzen Halle ab. Das Dampfen ließ nach, das Wasser wurde aus der Halle geschippert, und gefror dort sofort. Aufgebrachtes Streugut und laufend austretendes Wasser, große Teile Wasser aus dem Rohrsystem der Halle flossen nach, froren zusammen und bildeten eine dicke, durchsichtige, Eisschicht. Fast schaute es aus, wie Sülze. Was war geschehen? Im Vorraum zum Kühlhaus war die Außenjalousie heruntergelassen. Dadurch wurde übersehen, dass das Fenster gekippt war. Weil es der Vorraum zu den Kühlräumen war, ist der Heizkörper abgesperrt gewesen. In der kalten, windigen Nacht ist der Heizkörper und das Absperrventil aufgefroren. Am frühen Morgen ist der Eispfropfen aufgetaut und heißes Wasser trat aus.
Geschrieben von Helmut Wagner am 24 Okt. 2020 22:17

100 - Heizwasserrohrbruch Keller 3 / kalter Winter
An einem kalten Tag: die Heizwasservorlauftemperatur war recht hoch und im Keller 3 war schon im Sommer eine undichte Flanschdichtung erneuert worden. Das Material war auch neu: Spezialkunststoff, angeblich das Neueste am Markt, besser als Klingerit, aber unerprobt. Nun, da die Dichtung hoher Temperatur ausgesetzt war, wurde sie weich, gab nach und wurde aus dem Flansch gedrückt. Unbemerkt - vorerst - spritzte heißes Wasser heraus. Der Keller füllte sich einige Zentimeter mit Heizwasser, dieses floss dann in den Brunnen, aus dem das Wasser in Richtung Nutzwasserspeicher gepumpt wurde. An sich kein Problem, aber wegen oftmaliger Pumpenausfälle keine Strömung, und dadurch Überhitzung des Pumpenpaketes. Dieses war temperaturüberwacht und schaltete die Pumpe ab. Als der Brunnen überging, gab es Alarm. Nun wurde der Rohrbruch erkannt. Wir waren im Keller, um alles Notwendige zu reparieren. Mit Gummistiefeln wateten wir im heißen Wasser, was im Winter gar nicht so unbequem war.
Geschrieben von Helmut Wagner am 22 Okt. 2020 21:03

99 - Ausfall Heizkessel 4 / Winter 1978
Dieser Kessel war mit 5.000.000 kcal/h der stärkste im Heizhaus und lieferte 50% der Kesselanlage. Im Vollbetrieb des Werkes und bei sehr kalter Aussentemperatur war er unverzichtbar, wenn auch in der Galvanik die Temperatur gehalten werden sollte. Beheizt wurde diese Halle über eine Lüftungsanlage mit sehr hoher Luftleistung. Da die Anlage (bei Galvanikvollbetrieb) nur mit Frischluft gefahren werden konnte, wegen dem Ausfall von Kessel 4 die Vorlauftemperatur im Heizungsnetz von 90 auf 70 Grad absank, war auch die Temperatur in der Galvanik tiefer als sonst üblich. Es war zwar nicht kalt, aber der Betriebsrat sagte: Wenn die Temperatur nicht passt, werden die Galvanik-Arbeiter im Speisesaal warten, bis das Problem behoben ist. Nun wurden alle Diesel gestartet, auch die sonst nicht benötigten und auch im übrigen Werk bei den Lüftungsanlagen die Frischluftraten gedrosselt, um die Vorlauftemperatur wieder zu erhöhen. Was war die Ursache für den Kesselausfall? Geringes Materialversagen mit großer Auswirkung: beim (offenen) Kugellager im Brennerventilator hatte sich der Haltering der Kugeln gelöst und die Motorwicklung beschädigt; Kurzschluß. Der Preis des Kugellagers ist lächerlich gering und es ist auch jederzeit verfügbar. Der Motor des Brennerventilators ist aber eine speziell verbaute, komplizierte Konstruktion, deren Reparatur einige Tage dauerte.
Geschrieben von Helmut Wagner am 20 Okt. 2020 20:32

98 - Palettenfördererstörungen / 1978
Für den Transport der Paletten im Zentrallager (OG - EG - UG) gab es eine eigene Anlage. Mit dieser konnten nur Europaletten transportiert werden. Diese mussten fehlerfrei sein: ohne lose, oder fehlende Bretter. Auch durfte nichts über die Außenmaße der Palette drüber stehen; die Höhe war auf ca. 1,5 m beschränkt. Wenn sie einseitig beladen war, das Holz nass vom Regen oder ölig war, oder zu leicht (Leerpalette), oder etwas drüber stand (Papier, Plastik, etc.), gab es Funktionsstörungen; der Aufzug funktionierte nicht mehr. Das war die Aufgabe der Elektriker vom Werk 2. Ich wurde dazu immer hingeschickt. Der Weg von der Elektrowerkstatt zu diesem Palettenförderer war eigentlich der längste zu gehende Weg im Werk zu einem Störungseinsatz und dauerte mehrere Minuten (in eine Richtung). Oftmals war die Anlage mehrere Male am Tag ausgefallen. Immer waren es Bedienungsfehler des Personals durch falsche Beschickung mit ungeeignetem Material. Funktionsweise der Anlage: mit einem Hubwagen die Palette in die Aufnahmezone des Aufzuges stellen und mit dem entsprechenden Knopf das Ziel der Fahrt starten. Alles andere funktionierte automatisch. Am Ziel der Palette musste diese nur mehr mit dem Hubwagen herausgenommen werden. Wenn mehrere Paletten dasselbe Ziel hatten, gab es einen Materialstau. Das war an sich kein Problem, man musste nur die ankommenden Paletten aus der Zielzone herausnehmen, die wartenden kamen automatisch nach.
Geschrieben von Helmut Wagner am 18 Okt. 2020 20:29

97 - Glaszuschnitt / 1978
In den Aufzügen der alten Werkshallen waren zur Beleuchtung der Kabinen die Lampen so in der Decke eingebaut, dass man daran eigentlich nicht anstoßen konnte. Sie waren mit dem Kabinendach eben. Während der routinemäßigen Kontrollen der Aufzüge wurde eines Tages ein zerbrochenes Abdeckglas der Lampe entdeckt, welches zu tauschen war. Kein Problem für einen auch Glas verarbeitenden Betrieb. Ich ging in die Optikhalle zu einem der Vorarbeiter und war neugierig, wie man eine runde Scheibe aus einer Glasplatte heraus bekommt. Dieser sagte, dass er das gleich selbst zuschneiden wird. Auf einem Schneidetisch hat er das dann gemacht. Beim Herausbrechen ist von der runden Scheibe dann seitlich etwas weggebrochen, was ihm recht peinlich war. Er wollte eine neue Scheibe schneiden; ich sagte, das ist nicht nötig, denn die beiden Teile sind in einem Rahmen eingespannt und der Sprung somit kein Problem. Später stellte sich heraus, dass jener Mann eigentlich nur in der Linsenvergütung tätig war. Sein Aufgabengebiet: die Optimierung der Vergütungsprozesse und Einstellung der Anlagen, damit die Serienproduktion immer perfektere Linsen erzeugte.
Geschrieben von Helmut Wagner am 16 Okt. 2020 20:27

96 - Ein Boxhieb, den man sich merkt / 1978
Prybil zeigte oftmals, dass er stark ist, dass er das Heben schwerer Lasten oder schwierige Arbeiten in kurzer Zeit leisten kann und sich nicht einschüchtern lässt. Patleych war davon nicht beeindruckt. Patleych war auch ein Boxer. Eines Tages hatte Prybil ihn am Gang mit der Leiter an die Wand gedrückt und wollte den Starken spielen. Patleych verpasste ihm einen sehr schnellen und kurzen Boxhieb in die Magengrube, dass Prybil die Luft weg blieb. Mit so was hat er nicht gerechnet. Seit diesem Zeitpunkt respektierte Prybil ihn und alles war in Ordnung.
Geschrieben von Helmut Wagner am 14 Okt. 2020 21:32

95 - Polariodfertigung und das 117 Volt 60 Hz Stromnetz / 1978
Für diese Geräte war ein anderes Stromnetz erforderlich, denn nicht nur die Geräte selbst, sondern auch die amerikanischen Produktionsmaschinen brauchten 117 Volt mit 60 Hz. Dazu wurde in der für diese Geräteproduktionslinie eigens umgebaute Halle ein eigenes Stromnetz mit Sicherungsverteilern und amerikanischen Steckdosen aufgebaut. Am Beginn des Stromnetzes war ein Umformersatz installiert; bestehend aus einem normalen, 30 kW Elektromotor, welcher über einen Flachriemen einen 30 kW starken Drehstromsynchrongenerator angetrieben hat. Das Übersetzungsverhältnis der Flachriemenscheiben war so gewählt, daß die erforderliche Frequenz erzeugt wurde. Der Generator hatte eine Ausgangsspannung von 380/220 Volt (je nach Schaltung) und konnte somit nicht direkt in das Stromnetz einspeisen. Dazu waren drei entsprechend leistungsstarke Transformatoren in der Polaroid-Halle installiert, um die nötige Spannung von 117 Volt bereitzustellen. Bei Betrieb war das Brummen der Trafos deutlich zu hören, ging aber im Produktionslärm der Halle unter. Bei einer Kontrolle des Umformersatzes wurde fest gestellt, dass der Flachriemen bald abreissen wird. Es wurde beschlossen, diesen in der Mittagspause auszutauschen. Der Riementrieb hatte keine Schnellspannvorrichtung - somit war mit erheblicher Zeit für das Spannen des neuen Riemens zu rechnen. Dazu haben wir gleich beim Läuten der Mittagspause den NH Trenner des Umformersatzes gezogen. Bei Hingehen zum Umformer hörten wir, wie er stehen blieb. Nun den Riemen tauschen und spannen. Anschließend wieder den Sicherungstrenner hinein und die Anlage starten, da die Arbeiter sich schon wieder auf ihren Arbeitsplätzen einfanden. Auch mussten sich die Lötkolben und beheizten Maschinen wieder erwärmen, bevor die Produktionslinie anlaufen konnte. Aber für mich gab es einen kleinen Schock, als ich den Trenner einlegte: plötzlicher Stromfluss schweisste zwei Trennmesser zusammen und das dritte zog einen kräftigen, andauernden Lichtbogen. Mein Kollege konnte den Trenner wieder öffnen. Was war da passiert? Mit dem Abheben der Hauptsicherung wurde nur der Zuleitungsstrom zum Motor unterbrochen, nicht aber die Steuerung der ganzen Anlage. Das führte dazu, dass beim Einlegen der Sicherung der stehende 30 kW Motor in Schaltung Dreieck mit voll aufgeschalteter Last des 117 Volt Netzes belastet war. Schnell aber konnte das Netz wieder in Betrieb genommen werden. In der Nachmittagsschicht haben wir dann den angeschmorten Trenner saniert und die Steuerung der Anlage umgebaut.
Geschrieben von Helmut Wagner am 12 Okt. 2020 22:12

94 - Werksrundgang des Firmenchef Vockenhuber / 1978
Gelegentlich machte Vockenhuber einen Rundgang durchs Werk. Elektriker und Maschinenschlosser waren oft mit Reparaturarbeiten an Produktionsmaschinen beschäftigt. Die Maschinen in der Optik - Linsenfertigung waren sehr beansprucht und bedurften erhöhten Reparatureinsatz. Wenn Vockenhuber durch die Hallen ging - er wurde immer von einer Schar der Vorarbeiter begleitet - durfte keine Maschine den Anschein erwecken, dass sie nicht läuft oder in Reparatur ist. So hatten die Elektriker stets den Auftrag, wenn Vockenhuber kommt - seine unangekündigten Besuche wurden immer durch spezielle Informanten gemeldet - alles zu unternehmen, dass sich bei den betroffenen Maschinen etwas bewegt, selbst wenn es nur das sinnlose Laufen der Frässpindel oder der Glaskörper ist. Die Abteilungsleiter konnten sagen: In meiner Abteilung ist alles in Ordnung. Ich glaube - wenn das in anderen Bereichen der Firma (Planung, Einkauf, Kalkulation, Logistik, etc.) auch so gelaufen ist und er davon gewusst hätte - würde das Ende der Firma Eumig anders ausgesehen haben.
Geschrieben von Helmut Wagner am 10 Okt. 2020 22:49

93 - Werksbusabfahrt / 1978
Wegen der vielen Beschäftigten nahmen dreizehn Busse neben dem Werksgelände auf der Straße Aufstellung. Einige waren werkseigene mit eumig Aufschrift, der Rest war angemietet vom Busunternehmen Dr. Richard. Angefangen vom Spitz an der Parkplatzeinfahrt, vorbei am Personaleingang beim Hauptportier, dann weiter die Straße entlang beim Lieferantentor (da war auch ein Portier), bis ganz nach hinten zum Tor bei der Einfahrt des Hochhauses. Auf dem Werkszaun war jeweils eine Tafel mit dem Fahrziel der Busse montiert - zur Orientierung der Fahrgäste. So konnte man dort z.B. lesen: Matzleinsdorferplatz, Eisenstadt, Seewinkel, Schwechat, Oberwart, Güssing, Wr. Neustadt, Hinterbrühl, Südtirolerplatz, Baden, usw. Nach Arbeitsende fuhren diese Busse gleichzeitig vom Werk Wiener Neudorf in verschiedene Richtungen ab: mehrere nach Wien, andere nach Süden, Osten oder Westen. Sie fuhren dazu alle über die Eumigstraße ins Ortszentrum und verteilten sich bei der dortigen ampelgeregelten Kreuzung. Weil auf der Straße von der Firma kommend wenig Verkehr war und diese in die Hauptstraße einmündet, war die Ampelschaltung nicht für diesen Busansturm ausgelegt. Unweigerlich kam es dort zu einem kurzfristigen Verkehrsstau. So ergab es sich, daß jene Busse, welche östlich gelegene Fahrrouten hatten, den Werksausgang beim Zentrallager nahmen (Eumigweg) - hier war in dieser Zeit ein weiterer Portier für die Busabfahrten eingesetzt. Dieser Weg führte durch das Siedlungsgebiet. Auch nach Ende der Nachmittagsschicht (22:24) wurde von einigen Bussen dieser Weg genommen - und wie immer - ordentlich Gas gegeben, denn alle wollten früher als später nach Hause. Einige Anrainer beschwerten sich darüber und argumentierten, daß auf dieser Straße nur Anrainerverkehr gestattet ist. Eigentlich war die Firma auch Anrainer, aber es wurde bestimmt, daß alle Busse nur den Weg über die Eumigstraße nehmen dürfen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 08 Okt. 2020 21:06

92 - Bohrübungen und Bohrer schleifen / 1978
Jeder Werkzeugmacherlehrling musste da durch: ältere Lehrlinge zeigten den Neuen den Umgang beim Bohren mit dicken Bohrern auf der großen Ständerbohrmaschine. Da in der Automatendreherei standardmäßig Bohrer mit Linksdrall im Einsatz waren, was es problemlos, sich bei der Werkzeugausgabe solche zu borgen. Man musste die Bohrmaschine lediglich auf Linkslauf stellen. Das wussten die neuen Lehrlinge noch nicht. Ihnen wurde gezeigt, wie man ein großes Loch bohrt. Das Metall wurde mit dem großen Bohrer (ca. 30 mm Durchmesser) - nach vorangegangenem Vorbohren - bei langsamer Drehzahl und genügend Bohröl sehr anschaulich zu einer Spirale aus dem Eisenblock herausgebohrt. Der Ausbildner schaltete (den Linkslauf) ab und erklärte dieses und jenes. Dann der nächste Lehrling. Er schaltete die Bohrmaschine normal ein (Rechtslauf) aber der Bohrer schaffte es nicht, einen Span zu erzeugen. Die Maschine begann zu quietschen, das zugegebene Bohröl verdampfte am heiß gewordenen Bohrer, bis dieser blau und stumpf war. Nun wurde dem Lehrling gesagt, dass der Bohrer stumpf ist und er ihn schleifen soll. Gesagt - getan, aber das brachte nichts, da er ihn immer wieder in die falsche Richtung laufen lies. Als er das erkannte, lachte er über seine Naivität und merkte sich das sein ganzes Leben. Diese Erfahrung gab er auch an die nächste Lehrlingsgeneration weiter; diese musste aber den ganzen Weg gehen, bis auf wenige, welche die Sache mit der Drehrichtung sofort erkannten. Für diese Schulung wurde immer nur einer der neuen Lehrlinge herangezogen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 06 Okt. 2020 21:01

91 - Logistik, Transportunfall / 1978
Die in den verschiedenen Werken produzierten Einzelteile mussten auch von einem Werk zum anderen transportiert werden. Jedes Werk hatte spezielle Produktionslinien. In Wiener Neudorf war das Zentrallager, Galvanik, Optik, Stanzerei, die Endmontage sowie die Lagerhallen für die fertigen Geräte. Dafür gab es ein ausgeklügeltes Transportsystem. Während des Tages wurde alles in Container verladen und nach Ende der Nachmittagsschicht (ab 22:24) setzten sich in den Werken die LKW Züge in Bewegung. Eine Zugmaschine mit Anhänger nahm jeweils zwei Container auf und fuhr damit los. Da in der Nacht wenig Verkehr war und die Arbeit der Chauffeure dann zu Ende war wenn alle Container umgestellt waren, ließen sie ihre Fahrzeuge ordentlich laufen. Bei schlechten Straßenverhältnissen dauerte ihr Arbeitstag dann schon länger als gewohnt, da erst dann Schluss war, wenn alles erledigt war. Einmal ist der Anhänger eines Containerzuges in der Kurve in Achau umgefallen und in den Bahnschranken gekracht. Das gab dann eine umfangreiche Untersuchung bzw. Suche nach den Schuldigen. Der Chauffeur sagte, der Anhänger war ungleichmäßig beladen, der Lagerarbeiter darauf, du bist nur zu schnell gefahren. Weitere Befragungen aller eventuell Beteiligten zeigten folgende Problematik auf: Die Container mussten um 22:24 fertig verschlossen bereit stehen, auch die Lagerarbeiter hatten ihr Arbeitsende um 22:24 Uhr. Die Produktion lief bis 22:24 Uhr. Erfahrungsgemäß wussten die Lagerarbeiter was, wann, und wie viel am Tag aus der Produktion angeliefert wurde und konnten somit die Container für die verschiedenen Werke gleichmäßig und verrutschsicher beladen. Bei Produktionsmaschinenstörungen kam es gelegentlich zu Verzögerungen in der Materialanlieferung ins Lager; es wurde beschlossen, dass Material ab einer bestimmten Uhrzeit nicht mehr am selben Tag verladen wird, damit der Lagerist genügend Zeit hat, die Container gleichmäßig und verrutschsicher zu beladen. Immer wieder kam es vor, dass Leute aus der Produktion angerufen haben und sagten: das muss dringend heute noch mit, wir haben zwar Probleme mit der Maschine, aber das wird schon gehen. So wartete der Lagerist, (meistens waren es solche, welche nicht mit dem Werksbus fuhren) arbeitete in seine Freizeit hinein und musste sich dann noch vom Chauffeur sagen lassen: "Beeil dich, ich habe nicht die ganze Nacht Zeit". Es kam auch vor, dass dringend angekündigtes Material nicht - oder nur teilweise - gebracht wurde; somit waren dann einige Container nicht ordentlich beladen.
Geschrieben von Helmut Wagner am 04 Okt. 2020 20:20

90 - Münzenwechsler, falsche Schillingmünzen / 1978
Für die Getränkeautomaten (Cola, Fanta, Sprite, Lift, Bonaqua) - aber auch andere Automaten für div. Süßigkeiten - waren Schillingmünzen erforderlich. Der Preis für ein Getränk betrug 3 Schilling. Geld wechseln konnten die Automaten nicht; es musste der genaue Betrag eingeworfen werden. Da immer viele Personen einzelne Schillinge benötigten, war in der Nähe der Halle 2 am Gang ein Automat zum Münzen wechseln montiert. Der wurde vom Betriebsrat mit sehr vielen einzelnen Schillingen befüllt. Hier konnte man seine 5er und 10er auf einzelne Schillinge wechseln. Immer wieder waren viel Leute dort, denn eine Glasflasche Limonade hatte nur 0,35 ltr. Inhalt und das reichte nicht lange. Die Werkzeugbaulehrlinge fertigten auch Stanzwerkzeugformen an. Es wurde die Idee geboren, man könne doch auch aus einem geeignet dicken Messingstreifen Scheiben stanzen, um damit den Colaautomat zu füttern. Dem ist sicher egal, ob die Scheiben ein Prägung haben, er misst nur Durchmesser, Dicke und Gewicht. Das war so erfolgreich, daß sie die Produktion und Verwendung übertrieben. Trotz der Vielzahl an Münzen, welcher der Cola Lieferant von seinen Touren ablieferte, fiel das auf und es wurde nachgeforscht, wo diese Falschmünzen herkommen. Schließlich wurde man fündig. Nicht nur die Lehrlinge, sondern auch die Lehrlingsausbildner bekamen Probleme.
Geschrieben von Helmut Wagner am 02 Okt. 2020 23:03

89 - Feinstanzautomat Feintool / 1978
Mit den im Werkzeugbau hergestellten Stanzformen wurden hier die Blechteile aus einem Bandmaterial (Eisen, Messing, Alu) hergestellt. Wegen der hohen Anforderung an die fertigen Stanzstücke wurde das Band während des Stanzens zwischen der oberen und der unteren Stanzformhälfte mit hohem Druck festgehalten. Nun drückte der obere Stanzstempel das Material in die untere Stanzform, welche natürlich die exakte Abmessung des oberen Stempels haben musste. Damit sich dabei das Stanzmaterial an den Schneidekanten nicht verformen kann, war in der unteren Stanzform ein exaktes Gegenstück des oberen Stempels angebracht, welcher einen gewissen Gegendruck aufrecht erhielt, aber kontrolliert nachgab. Nach dem Durchstanzen ging der obere Stempel zurück, es öffnete sich die Form, der untere Stempel drückte das Stanzgut aus der unteren Form planeben heraus und wurde mit einem kräftigen Pressluftstoß aus dem Pressbereich befördert. Bei der Konstruktion der Stanzformen wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass das Rohmaterial möglichst restlos ausgenützt werden konnte. Somit wurden bei jedem Stanzhub oft viele verschiedene Teile gleichzeitig erzeugt. Alle diese, teils auch ganz kleine, mussten bei jedem Hub sicher aus dem Stanzbereich heraus befördert werden, da es sonst beim nächsten Pressvorgang zu einem Werkzeugschaden gekommen wäre. Somit wurde, wenn die Form aufging, sehr viel Pressluft eingesetzt, was - trotz Lärmschutzbox - sehr laut war. Überwacht wurde die Freiheit nach dem Stanzvorgang von Fremdteilen, wenn sich die Form wieder schloß: mit kleinen, präzise eingestellten Schaltern wurde kontrolliert, ob sich die Form widerstandslos soweit geschlossen hatte, bis nur mehr die Materialdicke zwischen Ober,- und Unterteil Platz hatte. Bei dünnen Materialien musste sehr genau justiert werden. Wenn auch nur ein kleiner Teil in der Form verblieb, stoppte die Maschine sofort, weil sich der Oberteil der Stanzform zu früh hob. Im Betrieb machte so eine Maschine - je nach Einstellung und Stanzform - bis zu zwei Hübe pro Sekunde, und das stundenlang. Bei Funktionsstörungen war der Elektriker der erste, der hier Abhilfe schaffen musste, auch wenn das Problem hydraulische, pneumatische, mechanische oder einfach nur einstellungsbedingte Ursachen hatte. Nichtelektrische Reparaturen oder Einstellungsjustagen wurden dann von Mechanikern oder Einstellern behoben.
Geschrieben von Helmut Wagner am 30 Sep 2020 22:17

88 - Ingenieur Sondereinsatz, freiwillig oder Strafarbeit / 1978
Eines Tages hatte die Elektroabteilung die Aufgabe, vor der neuen Lagerhalle (die lag zwischen dem Fertiglager und dem Maschinenhaus) eine zusätzliche Beleuchtung zu installieren. Ich fragte, warum das erforderlich ist, weil es ja eine gut funktionierende Außenbeleuchtung in diesem Bereich gab. Man sagte das sei erforderlich, weil: die Konstruktionsabteilung hatte in der Montagezeichnung auf eine spezielle Beilagscheibe vergessen. Da genau nach dieser Zeichnung gearbeitet wurde, fehlte nun diese Scheibe in einer erheblichen Anzahl von fertig verpackten Projektoren. Das war zwar nicht besonders tragisch, aber die Verantwortlichen ließen sich nicht nachsagen, dass es wegen ihrem Fehler vielleicht bei den Geräten ohne dieser Scheibe zukünftig Probleme geben könnte. Sie arbeiteten bis spät in die Nacht, um bei den schon fertig eingelagerten Geräten die fehlende Scheibe nachzurüsten; dazu die Beleuchtung. Auch wurde gesagt, dass sie für diese Arbeitszeit keinen Lohn verlangten, das verbot ihnen ihre Ingenieursehre.
Geschrieben von Helmut Wagner am 28 Sep 2020 12:04

87 - Drahterosionsmaschine AGIE / 1978
Für die verschiedenen Stanzblechteile waren jeweils eigene Stanzformen erforderlich. Diese wurden im Werkzeugbau hergestellt. Bei sehr passgenauen und dickeren Teilen waren Feinstanzwerkzeuge erforderlich, in welchen die Blechteile ohne Verformung im Bereich der Stanzränder hergestellt werden konnten. Diese Werkzeuge erforderten besondere Maschinen für ihre Herstellung: mit einem unter Strom stehenden, sehr dünnen Draht wurde aus einem Stahlklotz im Wasserbad die erforderliche Form herausgeschnitten. Dieser Vorgang dauerte mehrere Stunden, weil der Draht jeweils nur um 1/100 mm weiter bewegt wurde. Die herausgeschnittenen Stempel und Gegenstücke mussten perfekte Passform haben, da es in der Stanzform keinen Spalt zwischen Stempel und Gegenform geben durfte. Die hier erzeugten Teile hatten höchste Genauigkeit. Zuvor musste natürlich diese Stanzform am Reißbrett konstruiert und die Abmessungen in die Maschine mittels Lochstreifen einprogrammiert werden. Alle diese Tätigkeiten wurden im Werk (Konstruktionsbüro, Werkzeugbau) verrichtet. Eine dieser Stanzformen faszinierte mich besonders; ein Muster davon war in der Abteilung zu Schulungszwecken ausgestellt: damit wurden Zahnräder für den Filmtransport hergestellt. Ein Stahlklotz lag da, ca. 15 x 15 cm und 5 cm dick. Die Oberfläche war ganz fein geschliffen, die Kanten gebrochen. Wenn man nun den Klotz aufhob, blieb der Stanzstempel am Tisch liegen; das war jener Teil, welcher das Zahnrad auszustanzen hatte. Dieser Stanzstempel passte in jeder Stellung in den Klotz und war so eben mit diesem, dass man selbst mit dem Fingernagel keine Stufe fühlen konnte. Lediglich am versetzten Schleifbild konnte man dessen Form sehen, wenn er nicht genauso in der Form war, wie er geschliffen wurde. Alle Feinstanzformen hatten höchste Präzision.
Geschrieben von Helmut Wagner am 26 Sep 2020 22:00

86 - Bild in der Müllpresse / 1978
Eines Tages kam der Auftrag, die Müllpresse stromlos zu machen. Angeblich wurde versehentlich ein Bild aus dem Direktionsbereich des Hochhauses in den Müllschacht geworfen. Der im Keller aufgestellte Müllbehälter wurde schon in die Müllpresse entleert. Der Presscontainer wurde von der Presse abgekoppelt, mit dem Stapler weggezogen und von der Hofpartie ausgeräumt. Das Volumen war beträchtlich und musste abschließend wieder langwierig in den Presseneinwurf geräumt werden. Ob das Bild in der Presse gefunden wurde, weiß ich nicht; vielleicht war es auch ein Irrtum.
Geschrieben von Helmut Wagner am 24 Sep 2020 21:53

85 - Hüte dich vor den Gezeichneten / Winter 1977
Bei den Elektrikern gab es einen kleinen Mann (Wolf Otto), seine langen Knochen waren nur halb so groß, wie bei normalen Menschen (Liliputaner?). Dieser Kollege verstand sich gar nicht mit einem der anderen (Strohmeier Walter). Aus diesem Grund wurden die beiden fast nie gleichzeitig mit einer Arbeit betraut. Beide waren aber einmal mit Elektroinstallationsarbeiten in einer unterirdischen Röhre (ein Installationsgang mit ca. 1,4 m Durchmesser) für das neue Lager für brennbare Flüssigkeiten beschäftigt. Strohmeier hatte schon Rückenschmerzen von der stundenlangen gebückten Arbeitshaltung; Wolf konnte sich aber aufrecht und schnell durch das Rohr bewegen. Streitig war, als Wolf arbeiten machen sollte, bei denen man immer wieder herumgehen musste, Strohmeier wollte hingegen nur positionsstabile Arbeiten verrichten (Löcher bohren und alles montieren - Wolf sollte Nötiges herbeischaffen). Das Gesprächsklima war schlecht und kippte, als Wolf zu Strohmeier sagte: "Buckliger, stehe gerade, wenn du mit mir sprichst!" Strohmeier war wütend und stand auf - und stieß kräftig mit dem Kopf an das Betonrohr. Er wollte Wolf greifen, dieser aber konnte schnell durch die Röhre davonlaufen. Aus unbekannten Gründen waren diese beiden auch eines anderen Tages gemeinsam in der Nachmittagsschicht mit Elektroarbeiten (es war schon längere Zeit finster, bei kaltem und windigen Wetter) am Dach des brennbaren Lagers beschäftigt. Gegen 18 Uhr 30 - die Abendschichtpause nahte - stieg Wolf vom Dach, da ihm schon kalt war; Strohmeier blieb noch, um etwas fertig zu machen. Da die Arbeiten in der Nachmittagsschicht oft nicht ganz zeitfüllend waren und das Wetter auch nicht zum Arbeiten im Freien einluden, blieb Wolf nach der Abendpause viel länger in der Elektrowerkstatt. Er glaubte, daß Strohmeier irgend wo anders seine Pause machte, weil er sich nicht mit Wolf gemeinsam in der Elektrowerkstatt aufhalten wollte. Doch gegen 21 Uhr erinnerte er sich - wie er am nächsten Tag erzählte - daß er die Leiter zum Dach der Halle umgelegt hatte, weil er glaubte, daß sie der Wind umwerfen würde; auf Strohmeier hätte er vergessen. Wolf konnte aber die Leiter nicht wieder aufstellen, weil Strohmeier ihn sonst geschlagen hätte. So musste er bis kurz vor Schichtende (22 Uhr 24) warten, um die Leiter wieder aufzustellen, in der Hoffnung, daß sich Strohmeier wegen der stundenlangen Kälte nur langsam vom Dach herunter bewegen kann. Am nächsten Tag wurde er gehänselt: "Bist am Dach wie ein Hampelmann gesprungen daß dir warm wird und hast Otto, Otto, O t t o . . . gerufen." Alle Kollegen glaubten aber, daß Otto das mit der Leiter absichtlich gemacht hatte.
Geschrieben von Helmut Wagner am 22 Sep 2020 20:23

84 - Schießübungen / 1977
Kollege Bachler war ein Waffenfan. Gelegentlich hatte er eine kleine Pistole mit und machte - unbemerkt, wenn er alleine war - Schießübungen in der Elektrowerkstatt. Er machte auch Experimente mit den Patronen des Hilti Bolzensetzgerätes. Meistens in der Nachmittagsschicht. Ich hatte einige kleine Luftdruck-Bleistamperln wie auch anderes ähnliches und Einschüsse in der Mauer und einem Blechkasten gefunden, stellte mich blöd und fragte den Meister (Glatz), was das ist. Er sagte: Wirf das weg, es ist nichts. Bachler hatte bei ihm Narrenfreiheit, da er ein sehr guter Elektriker war. Eines Tages, es war für mich wenig zu tun, alle anderen Kollegen waren im Einsatz, räumte ich die Elektrowerkstatt zusammen und fand einen Plastiksack mit vielen durchgebrannten Glühbirnen. Dieses, wie auch anderes Gerümpel und Mist stellte ich vor die Werkstatt, um es dann mit einem Wagerl zu den Mistkübeln zu führen. Da kam der Meister und lobte mich, dass ich unaufgefordert Ordnung in der Werkstatt schaffe. Als er den Sack mit den Glühbirnen sah, sagte er: Den nicht, der gehört dem Herrn Bachler! Ich fragte, wofür er kaputte Glühbirnen braucht. Er darauf: Das braucht dich nicht zu kümmern, gib ihn dort hin, wo er war. Eigentlich wusste ich, dass er die Lampen für seine Schießübungen braucht und wollte von Glatz eine Stellungnahme dazu herauslocken, aber erfolglos. Auch mein Elektrikerlehrlingskollege (Schindele) beschäftigte sich mit dem Thema Waffen. Er und Bachler redeten oft darüber und schauten sich Kataloge an. Eines Tages durfte ich bei einer Schießübung mitmachen: Im Keller schossen wir mit verschiedener Munition, Zimmermunition, Schrott und Magnum auf einen dicken Holzpfosten, letztere zerfetzt ihn, wie auch ein dickes Telefonbuch. Wobei beim Buch an der Einschußstelle lediglich eine graue Fläche sichtbar war, an der Rückseite aber eine handtellergroße Öffnung. Für die Schießübungen waren Zielscheiben sehr nützlich. Gelegentlich wurden einige davon nach einer Vorlage in der Druckerei auf dem damals einzigen Kopierer im Werk gemacht. Das war ein ganz langsamer Thermodrucker - eine A 4 Seite dauerte gut 15 Sekunden, dessen Papier auf einer Endlosrolle war. Das Kopierformat war A4; für Format A5 wurde das fertige Blatt einfach in der Mitte durchgeschnitten.
Geschrieben von Helmut Wagner am 20 Sep 2020 21:50

83 - Produktionsmaschinenüberforderung / 1977
Den Produktionsmaschinen wurde zusehends mehr abverlangt: größere Stückzahlen in kürzerer Zeit, bzw. größere Teile auf kleineren Maschinen herstellen. Bei den Spinner-Drehautomaten hatten wir anfangs Probleme, die wir nicht eindeutig beheben konnten. Auf der Maschine wurden Drehteile (Objektivfassungen) mit Gewinde hergestellt. Dazu war eine vorher exakt einzustellende Anzahl von Durchgängen für das Gewindestrehlen erforderlich. Nach längerem Betrieb verzählte sich die Steuerung. Die Anzahl der Drehdurchgänge war - je nach Produkt - einstellig bis max. 49 Durchgänge. Pro Sekunde machte die Maschine, abhängig von der Gewindelänge oft mehrere Durchgänge, was das Mitzählen fast unmöglich machte. Nur bei der genauen Anzahl der Durchgänge passte das Gewinde und erfüllte die Qualitätsanforderungen. Wir waren oft bei solchen Störungen eingesetzt. Viele Teile waren in Ordnung, aber nach einigen Minuten hörte es sich so an, als ob bei einem Teil die Durchgangsanzahl nicht passte. Und wirklich, die mechanische Messung zeigte, dass das Gewinde nicht richtig fertiggestellt war. Viele der nächsten Teile waren in Ordnung - was war das Problem gewesen? Da nicht wirklich etwas kaputt war, konzentrierten wir uns auf die Zählmagnete. Mit neuen dieser Magnete gab es keine Probleme, obwohl die Gebrauchten keine Fehler hatten. Erst viele Monate später stellte sich heraus, dass sich bei einer Kombination zwischen hoher Zählanzahl und kurzer Gewindedrehzeit der Zählmagnet der Einer Stellen, (1 bis 9) verzählte. Eigentlich hat er sich nicht verzählt, viel mehr haben sich beim Schalten auf 10, d.h. Rückstellen der ersten 9 und Einschalten des ersten Kontaktes auf dem 10er Block nicht alle Kontakte rückgestellt, was bewirkte, daß er in der Einer Stelle, nicht von Null anfing zu zählen, sondern mit der Zahl, wie viele Kontakte noch geschlossen waren. Die Zählmagnete wurden mit der Zeit etwas dauermagnetisch. Sehr kurze Rückstellimpulse konnten im Lauf der Zeit die Kontakte nicht mehr sicher rückstellen. Neue Magnete funktionierten besser als sie es mussten. Somit forderten die Maschineneinsteller den Automaten immer größere Stückzahlen ab, bis sich die Fehlstücke häuften. Eines Tages haben wir in den Einstellvorschriften der Maschine gelesen - diese hatten nur die Maschineneinsteller zur Verfügung, - dass die max. Durchsatzanzahl beim Gewindestrehlen nur bei den fehlerhaften Maschinen bei weitem überschritten wurde. Bei Einhaltung dieser Bedingung funktionierten auch die alten, gebrauchten Zählmagnete noch einwandfrei. So wurde das Übertreiben dieser Maschinen zu einem finanziellen Schaden für die Firma (Fehlproduktion, Ausschuss, Anlagenausfälle, Störungen und unnötige, teure Ersatzteile).
Geschrieben von Helmut Wagner am 18 Sep 2020 22:31

82 - Stromschiene Stanzerei / 1977
In neuen Produktionshallen - so auch in der Stanzerei - waren für die Elektroversorgung der Maschinen leistungsstarke Stromversorgungsschienen montiert. Auf diese konnte im Leitungsverlauf überall ein spezieller Sicherungsverteiler aufgesetzt werden, (jederzeit, auch wenn die Schiene unter Strom war) an denen dann die jeweiligen Maschinen angeschlossen waren. Diese Sicherungsverteiler konnten nur in einer bestimmten Richtung aufgesetzt werden, da somit die richtigen Anschlüsse im Inneren abgegriffen wurden. Wenn man den Deckel des Sicherungsverteilers öffnete, wurde der Strom zum Abgangskabel unterbrochen, der Neutralleiter verzögert auch, der Schutzleiter blieb immer verbunden. In einem kleinen Bereich war der Deckel einer dieser Stromschienen verkehrt montiert; hier konnten Sicherungsverteiler auch nur verkehrt montiert werden. Eines Tages war für eine zusätzliche Maschine ein Stromanschluß herzustellen. Kein Problem, Sicherungsverteiler mit geeigneten Sicherungen mitnehmen, den kleinen Schutzdeckel im Montagebereich öffnen und den Verteiler anschrauben - fertig. Bei der Montage wunderte sich der Elektriker, dass dieser Verteiler in die andere Richtung als alle anderen schaute und hat das Maschinenkabel nicht angeklemmt. Das bewahrte ihn - und andere - vor einem sicheren Stromunfall.
Geschrieben von Helmut Wagner am 16 Sep 2020 21:16

81 - Späneentsorgung und Schmierölversorgung Automatendreherei / 1977...
Im Keller war die Späneentsorgung und die Zentralschmierölversorgung (für die vielen Automatendrehbänke in der Produktion im EG) untergebracht. Es gab verschiedenen Spanabfall: Eisen, Messing, Alu (kurze Späne) und Alu lang (lange Späne, wie Federn). Auch das Schmieröl war für die verschiedenen Metalle eigen. Zwecks Rentabilität wurden die Drehautomaten, nicht wie im Einzelbetrieb jeweils aus dem eigenen Ölsumpf, sondern von einer zentralen Leitung mit gut aufbereitetem Öl versorgt. Das Öl hatte die Aufgabe, die Drehmesser und Bohrer zu schmieren und zu kühlen. Es floss bei Betrieb der Drehautomaten in großen Mengen von der Ölaufbereitung im Keller über ein weit verzweigtes Rohrnetz zu den einzelnen Maschinen und über dicke Sammelrohre wieder in die jeweiligen Regenerationsbecken zurück. Die abgearbeiteten Späne wurden in öldichten Transportwagerln in die Abkippstationen entleert. Im Keller sortenrein aufgefangen wurde das Abfallgut, (Metallspäne und Restschneideöl) zur Späneentsorgungsanlage geführt. Dort wurde das Wagerl angedockt und auf den entsprechenden Knopf gedrückt: Eisen, Messing, Alu, Alu lang. Nun aktivierten sich eine Vielzahl von Funktionen (es gab nur eine elektromechanische Steuerung). Bei Betätigung von Knopf Alu lang, wurde mit einem Karussell die Zentrifugentrommel für die Aufnahme von Alu unter das Wagerl gedreht und das Wagerl gekippt. In dieser Position blieb es stehen und ein Arbeiter musste die Leerheit des Wagerls quittieren. Danach drehte das Karussell weiter und ein Kran mit pneumatischen Zwingen hob die Trommel hoch und fuhr über die jeweilige Zentrifuge. Wenn diese bereit war, (leer, Deckel offen) wurde die Trommel hinein gelassen. Danach Deckel zu, verriegeln und zentrifugieren, um das Öl so gut wie möglich herauszubekommen. Das Öl wurde der Ölaufbereitung zugeführt, die zentrifugierten Späne in der Trommel wurden mit einem weiteren Kran vollautomatisch nach draußen in den überdachten Hof über der Aluabfallmulde gekippt und wartete auf die Leerheitsprüfung durch einen Arbeiter. Immer wieder steckte der Abfall: Alu lang, in den Trommeln. Mit einer langen Kralle wurde das Material herausgezogen. Bei Eisen und Messing gab es dieses Problem nicht. Für guten Anlagendurchsatz waren immer mehrere Trommeln und Zentrifugen gleichzeitig im Einsatz. Auch die mehreren Kräne und Laufkatzen vergrößerten die Anlagenkapazität. Leider gab es schon nach wenigen Monaten viele Störungen, wie: Stillstände wegen defekter Elektrokomponenten und verschmutzter Sensoren, aber auch Schwereres, wie Trommelabstürze und Zentrifugenbetrieb mit offenem Deckel.
Geschrieben von Helmut Wagner am 14 Sep 2020 23:50

80 - Geringe Lohnerhöhung, erstes Geld / 1977
Nach der Lehrzeit war ich nicht mehr Lehrling, sondern Geselle. Dazu gab es zwar eine automatische Lohnerhöhung, welche aber mehr als dürftig ausgefallen ist. Im Vergleich zu anderen Kollegengesellen - welche bedeutend kürzer im Betrieb beschäftigt waren, weniger Mühe an den Tag legten, weniger erfolgreich bei Maschinenreparaturen waren und weniger Fachkenntnis hatten - bekam ich deutlich weniger bezahlt. Bei einem Gespräch mit meinem Chef musste ich erfahren, dass da folgende Probleme bestanden: 1. ist es nicht möglich, dass ein im Betrieb Beschäftigter eine über einen gewissen Prozentsatz liegende Lohnerhöhung bekommt - demnach macht nach der Lehrzeit eine prozentuelle Lohnerhöhung nicht viel Schilling aus. Wenn ich aber als neuer Elektriker aufgenommen werden würde, hätte ich einiges mehr bezahlt bekommen, als ein im Betrieb verbleibender ausgelernter Lehrling. 2. Aber auch eine Kündigung und gleichzeitige Wiedereinstellung ist nicht möglich, da das eine Umgehung von Punkt 1 bedeutet hätte - nicht zulässig. Also entweder kündigen und wo anders arbeiten, oder als billiger Arbeiter - zum Wohle der Firma - weiter im Betrieb bleiben. So arbeitete ich eigentlich die restlichen Jahre bis zum Konkurs immer zu einem geringeren Lohn als meine anderen Elektrikerkollegen. Auch deren Einsatzfähigkeit war durchschnittlich deutlich geringer, was mir oft von Vorgesetzten und Kollegen gesagt wurde. Diese Kollegen brauchten nicht besonders nachdenken, wenn es komplizierte Maschinenstörungen gab - Ich kenne mich nicht aus, schick den Wagner, waren oft deren Antworten, wenn sie nicht weiter wussten. So hat die Firma eigentlich doppelt an mir profitiert: besserer Arbeiter bei geringerem Lohn. Gebracht hat es nichts - Firmenkonkurs, wobei ich gar nichts daran hätte ändern können. Da fällt mir noch ein Tag (September 1973) der Entgegennahme des ersten verdienten Geldes ein: das gab es beim Schalter vom Lohnbüro im Obergeschoß der Halle 2. Dazu wurden die Arbeiter abteilungsweise über die Rufanlage ausgerufen. Zuerst Ausweis herzeigen, dann gab es die Lohntüte. In der waren das Geld und der Lohnstreifen. Nachzählen und die Übernahme unterschreiben; fertig. Ich bekam 600 Schilling Akonto; die restlichen 320 Schilling dann nach 14 Tagen. Beides zusammen war damals meine Lehrlingsentschädigung für einen Monat im ersten Lehrjahr.
Geschrieben von Helmut Wagner am 11 Sep 2020 23:56

79 - Fußballspiel im Bürogebäude 1 / Frühjahr 1977
Als im Inneren des neuen Gebäudes die Zwischendecken verlegt wurden, kam es gelegentlich zu einem kleinen Fußballspiel in dem weitläufigen Bereich, da es noch keine Zwischenwände gab. Arbeiter der Firma Dolenz arbeiteten hier. Als Fußball dienten zusammengeknüllte Kartons der Zwischendeckenmineralfaserplatten. Einer der Arbeiter machte sich einen Spaß und gab in eine Schachtel einen Ziegelstein. Er sagte zu seinen Kollegen: Wer mir ein Tor schießt bekommt 10 Schilling. Dazu - so sagte er weiter - müssen aber die Schuhe ausgezogen werden. Keiner konnte ein Tor schießen, alle hatten danach eine blaue Zehe. Aber alle bissen die Zähne zusammen und sagten nichts den nächsten vorbei kommenden Kollegen. Schließlich hat einer der Schützen seine Schuhe nicht aus gezogen und der Karton samt dem Ziegel flog Richtung Tormann, welcher schnell zur Seite sprang. Somit musste er die 10 Schilling zahlen, weil er ein Tor bekommen hatte.
Geschrieben von Helmut Wagner am 09 Sep 2020 20:17

78 - Anerkennungsuhr / Frühjahr 1977
Wegen meiner guten lehrberuflichen (Arbeiten) und schulischen Leistungen (Zeugnisse) wurde mir eine neue Armbanduhr (Bulova Accutron) gegeben. Dazu war ich eines Tages mit dem Leiter des technischen Dienstes Nistelberger ins Hochhaus bestellt. Zuerst waren wir beim Prokurist Pferschy und dann anschließend beim Firmenchef Vockenhuber, jeweils in deren Büroräumlichkeiten. Von der Uhr wusste ich anfangs nichts, das erfuhr ich erst, als sie mir offiziell - nach einer Beglückwünschung durch Vockenhuber - übereicht wurde. Die Uhr war damals eine technische Neuheit: sie hatte zwar noch immer Zeiger (Sekunde, Minute und Stunde), aber der Zeitgeber im Inneren war eine ganz kleine Stimmgabel, elektronisch angetrieben mit einer Knopfzelle (Batterie). Man hörte das leise, hohe Summen der Stimmgabel und auch das Ineinandergreifen der ersten kleinen Zahnräder. Die Batterie hielt je nach Fabrikat zwischen 300 und 500 Tage. Datum und Wochentag wurde mit zwei getrennten Scheiben angezeigt. Diese Uhr hatte ich viele Jahre - auch im täglichen Arbeitseinsatz - am Handgelenk. Die ersten Kratzer waren ärgerlich, aber im Laufe der Zeit fielen sie nicht mehr auf. Oftmals wurde die Uhr bewundert und immer wieder wollten Leute hören, welche Geräusche sie macht. Auch wollten sie wissen, wie sie funktioniert. Sehr interessiert wurde beobachtet, daß sich der Sekundenzeiger ganz gleichmäßig - ohne Ruckbewegung - drehte. Sie ging aber immer etwas vor - in 2 Tagen um ca. 1 Minute - ich stellte sie bei größerer Zeitabweichung dann einfach um 10 Minuten zurück und dachte mir beim Zeitablesen einfach die aktuelle Minutendifferenz aus. Es war nicht so wichtig, die exakt genaue Zeit zu haben; in der Firma gab es Glockensignale für Arbeitszeit und Pause, und bei den öffentlichen Verkehrsmitteln ist man halt einige Minuten früher dort, um nicht eine halbe Stunde auf die nächste Bahn zu warten. Auch sonst war es damals nicht so wichtig, eine sekundengenaue Zeit bei sich zu haben. Leider habe ich etwa im Jahr 1999 die Krone abgebrochen, mit der man die Zeit bzw. das Datum einstellen kann, weil die Welle eingerostet war und sich nicht drehen ließ. Trotz dem habe ich die Uhr weiter verwendet, jedoch ohne gültige Datumsanzeige. Wenn sie zu viel vor ging, nahm ich einige Minuten die Batterie heraus. Im Jahr 2005 sagte mir ein Arbeitskollege, er kennt einen guten Uhrmacher, der kann auch das reparieren. Leider gab ich ihm die Uhr, welche ich dann nach einigen Wochen - unrepariert - zurück bekam. Der Uhrmacher lies ausrichten, daß er die Welle nicht heraus bekommt, weil die Krone abgebrochen ist. Alle Teile der Uhr - auch die abgebrochene Krone - waren von mir in einem verknoteten Plastiksackerl übergeben worden. Als ich sie zurück bekam, fehlte die Krone. Das tut mir heute noch leid, denn auf der Krone war das Bulova Symbol eingraviert.
Geschrieben von Helmut Wagner am 07 Sep 2020 20:53

77 - Feuermeldeanlagenumbau / 1976
Die Brandmeldeanlage im Werk war Marke Eigenbau: die Betätigungstasten wurden komplett im Werk hergestellt; sie waren deutlich als solche erkennbar, an vielen Stellen in den verschiedenen Hallen montiert und verkabelt. Jeweils ein Anzeigentableau mit Glocke, Lampe für den jeweiligen Bereich (z.B.: Halle 1 EG, Maschinenhaus, Küche, Halle 3 OG, Fertiglager, usw.), sowie Prüf,- und Rückstelltaste war beim Portier, im Büro vom technischen Dienst und beim Betriebsleiter montiert. Auch die Klimaanlagen wurden bei Betätigung automatisch deaktiviert. Bei Alarm wurden somit gleichzeitig vier eigenständige Abläufe aktiviert: 1.) die Haustechnik begab sich sogleich in den Alarm auslösenden Bereich, wo eigentlich schon die Erstmaßnahmen angelaufen sind 2.) der Portier alarmierte die Feuerwehr und konnte sie bei deren Eintreffen sogleich zielgerichtet weiter weisen 3.) der Betriebsleiter und seine Leute waren auch gleich davon informiert 4.) die Klimaanlagen blieben automatisch stehen. Die Brandmeldeanlage im Hochhaus war da moderner: automatische (aber radioaktive) Rauchgasmelder, genormte Druckknopfmelder mit Glasscheibe, Leitungsüberwachung gegen Drahtbruch und Kurzschluß, Notstrombetrieb mit Batterie, sowie automatische Alarmierung der Feuerwehr und Tonbanddurchsage im Haus über die Rufanlage. Wegen der erheblichen Werkserweiterung waren etliche zusätzliche Meldeschleifen im Produktionsbereich erforderlich. Dazu wurde im Hochhaus eine neue Anlage montiert und die dort frei werdende, im Werk aufgebaut. Hier mussten alle Druckknopfmelder getauscht und mit neuen Kabeln verbunden werden, wobei es 30 Meldeschleifen gab (für 30 Brandabschnitte) und die Kabel nur in den Druckknopfmeldern eine Klemmstelle haben durften. Erheblicher Verkabelungsaufwand. Für die Elektriker gab es dadurch länger keine Arbeitspausen wo ev. nichts besonderes zu tun war. Die Brandmeldezentrale war im TD Büro, im EG des Büro,- und Garderobentrakt 1, das Paralleltableau in der Portierloge. Über die neue Rufanlage wurde mit einem Tonband bei Feueralarm auch eine automatische Räumungsdurchsage verlautet. Die einzelnen Kabellängen waren beträchtlich - speziell zu den weiter entfernten Hallen wie: Zentrallager, Automatendreherei, Galvanik, Fertiglager, Maschinenhaus, Lager für brennbare Flüssigkeiten, etc., wobei die erste Klemmstelle nach der Zentrale erst im ersten Melder der jeweiligen Halle sein durfte. In diesen Hallen waren dann auch noch eine größere Anzahl von Meldern zu installieren. Im Letzten dieser Melder befand sich der Abschlußwiderstand für die Leitungsüberwachung.
Geschrieben von Helmut Wagner am 04 Sep 2020 21:41

76 - Resourcenschonung / ohne besonderes Datum
Damals wurde überall geschaut, dass nichts Brauchbares weggeworfen wird. Es war auch genügend Zeit und Personal vorhanden, um sich damit zu beschäftigen. So wurde bei Umbauarbeiten das abgebaute Material zerlegt, tw. gereinigt und in den diversen Lagerstätten aufbewahrt. Das waren im Speziellen: Rohre und Fittinge, Kabel und Drähte, Elektroschaltgeräte und Kästen, Holz,- Glas,- und Kunststoffplatten, sowie Eisenteile jeglicher Art; auch Kleinteile wie: Schellen, Schrauben, Pressluftteile etc. Immer wenn etwas neu zu bauen oder zu installieren war, sah man sich zuerst in den Lagerstätten um, bevor Neumaterial verwendet wurde. Jeder Arbeiter baute seine berufsgruppenspezifischen (Elektriker, Schlosser, Installateur, Tischler, etc.) Teile selbst ab, kontrollierte auf zukünftige Brauchbarkeit und räumte das übersichtlich weg, wenn gerade nichts dringendes anderes zu tun war. Wenn ein Elektromotor aus den vielen Produktionsmaschinen unreparierbar war, wurde er von den Elektrikerlehrlingen in seine Einzelteile zerlegt: die Kugellager waren fast immer kaputt, das Klemmbrett und das Lüfterrad noch gut, aber die Wicklung durchgebrannt. Zuerst alle Aluminiumteile abbauen, Rotor entnehmen, das Motorgehäuse länglich mit der Eisensäge aufschneiden und mit einem Meißel herunter klopfen. Die Motorwicklung auf einer Seite des Stator (planeben mit diesem) mit der Eisensäge abschneiden und mit einem Durchschlag herausklopfen. Somit hatten wir eine perfekte Schulung im mechanischen Aufbau eines Elektromotors und konnten mit diesem Wissen in der Berufsschule punkten. Alle unbrauchbaren Einzelteile des Motors konnten so auch sortenrein in die unterschiedlichen Abfallboxen geworfen werden. Nicht eine einzige gute Schraube wurde weggeworfen; alle noch Brauchbaren landeten in verschiedenen Wühlkisten, wo sich ähnliche befanden. Immer wieder konnte man dort auch exotische Abmessungen finden, welche dann perfekt für Spezialeinsätze waren. Eines Jahres haben wir eine Handvoll Schrauben in einer leeren Blechdose in die Berufsschule mitgenommen. Dort wurden im Praxisunterricht immer wieder Schrauben für die Installationsbretter benötigt und fast alle dort waren schon so abgenudelt, dass man sie fast nicht mehr in die Holzbretter eindrehen konnte. Auch die anderen Berufsgruppen agierten ähnlich mit ihren Materialien. Immer wieder haben sich die Haustechniker gegenseitig damit aushelfen können und auf schnelle und billige Art schwierige Aufgabenstellungen erledigt.
Geschrieben von Helmut Wagner am 31 Aug. 2020 22:23

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