BolexBolexStandort: Yverdon-les-Bains, Schweiz

Foto ganz links: Studienabteilung in der Rue des Uttins
Foto links: Kaufmännische Abteilung in der Route de Lausanne 


1970:
Übernahme der weltbekannten Marke BOLEX  als "BOLEX International SA" von der damaligen Mutterfirma Paillard SA durch die Firma Eumig.

Historischer Rückblick: 1924 gründete der russische  Ingenieur Jaques Bogopolsky - er nannte sich auch Boolsky-  in Genf die "BOL SA". Er entwickelte für das damals neue 16mm Filmformat eine Kamera und einen Projektor unter dem Namen „BOLEX“ und sicherte sich mit Patenten ab. Die Filmgeräte kamen 1927 auf den Markt. 1930 sah sich Bogopolsky gezwungen, sein Geschäft und die Patente an die Fa."Paillard et Cie" in Ste. Croix zu verkaufen.
Am Filmsektor wurden hervorragende Federwerkkameras und Projektoren für die Formate 16mm (H16), 9,5 und 8mm hergestellt und weltweit vertrieben. Das Familienunternehmen Paillard/Bolex SA beschäftigte in den 1960er Jahren etwa 10.000 Personen, davon 6.800 in der Schweiz.
Nach der Ankündigung der Super 8 Kassette 1964 durch KODAK  machte BOLEX  Stimmung gegen die neue Kassette wegen angenommener technischer Mängel im Bereich der Filmführung, während EUMIG an der EXPO 1965 in New York ein kompletes Geräteprogramm für Super 8 vorstellte. (S8 Kamera Viennette, Stumm - und Tonprojektoren Mark M und Mark S)
Diese technische Fehlbeurteilung und die Erkenntnis einer externen Beratungsfirma, wonach dem chemischen Film keine grosse Zukunft mehr zugemessen wurde, führte bei Paillard zum Verkaufsentschluss.

Zum Jahreswechsel 1969/1970
übernahm EUMIG die gesamten  BOLEX - Aktivitäten von Paillard SA. Das waren die Abteilungen Marketing, Verkauf und Service in der Route de Lausanne,die Studienabteilung in den Gebäuden der Paillard SA in Yverdon und die internationalen Vertriebsstellen.

Die einzigen BOLEX Super 8 Kameras von Bedeutung waren die BOLEX 155 und 160 Macrozoom mit einem Varioobjektiv von Paillard, mit dem man ohne Zubehör kontinuierlich von 3cm ab Frontlinse bis unendlich filmen konnte. Diese hervorragenden Kameras wurden jedoch aus Kostengründen  eingestellt.

Das BOLEX 16mm Programm und insbesondere die Kamera H16 SB war weltweit ein Begriff für hohe Qualität und Zuverlässlichkeit und wurde  wegen seiner Ausbaufähigkeit von Berufsfilmern, Forschern, Wissenschaftern, im Erziehungswesen und in der Werbung bevorzugt. Besonders beliebt war die Federwerkkamera H16 SB wegen ihrer Unabhängigkeit von Batterien auf Expeditionen und Forschungsreisen in exponierte Weltgegenden.

Das neustrukturierte „Departement des Etudes“ der „BOLEX International SA.“ bestand aus folgenden Abteilungen:

Optische, elektronische und mechanische Entwicklung für Super 8 Film.
Entwicklung und Konstruktion für das 16mm Filmformat
die entsprechenden Labors,
Prototypenwerkstätte mit Montage,
Patent- u. Normenbüro

1971 wurde der  4-geschossige Neubau für die Studienabteilung in Yverdon, Rue des Uttins fristgerecht fertig und zu Weihnachten bezogen. Damit war auch die räumlicheTrennung von Paillard vollzogen.

Anfang der 1970er Jahre wurden in Yverdon schwerpunktmässig Vorentwicklungen wie Entfernungsmessung, Verwacklungskompensation, Xenonbeleuchtung u.w. für kinematographische  Geräte durchgeführt und Funktionsmuster erstellt.

Ein Grossprojekt war die Entwicklung eines audiovisuellen Projektionssystems für Unterricht und Werbung, basierend auf einer der "C" Kassette von Philips ähnlichen Super 8 Kassette. Die Filmfrequenz konnte vom Einzelbild bis 36 Bilder pro Sekunde von einem Tonkassettengerät entsprechend dem Text gesteuert und die Bildinformation auf eine integrierte Mattscheibe projiziert werden.

Ein weiteres erfolgreiches Produkt war die Entwicklung der Unterwasserkamera "Nautica", der ersten, in Grossserie produzierten Super 8 Unterwasserkamera auf der Basis der Eumig mini Kamera.
Weiters wurde die erste Super 8 Tonfilmkamera für EUMIG und BOLEX in Yverdon vorentwickelt.

Für das H16 Optikprogramm entwickelte die Optikentwicklung eine asphärische Vorsatzlinse aus Glas die eine verzeichnungsfreie wesentliche Vergrösserung des Bildwinkels ermöglichte und von einer bekannten Schweizer Firma mit grossem technischem Aufwand und hohen Kosten fabriziert wurde.
Davon abgeleitet wurde im Österreichischen Eumig Werk Kirchdorf die Fertigung einer asphärischen Vorsatzlinse aus Kunststoff in Angriff genommen. Nach vielen Versuchen gelang es tatsächlich und trotz grosser Probleme - auch für die Antireflexbeschichtung auf Kunststoff war keine Erfahrung vorhanden - die "PMA" Linse in Spritzgusstechnik mit großem Durchmesser für S8 Objektive herzustellen.

1977 begann man mit der Entwicklung eines Kamerakonzeptes, das alle damals zur Verfügung stehenden modernen Komponenten berücksichtigte. Es entstand ein Projekt einer mikroprozessorgesteuerten "high end" Super 8 Tonkamera mit Funktionen, die am Markt bis dahin nicht bekannt waren. Alle wesentlichen Funktionen waren computergesteuert, der Sucher war mit einem LCD Display ausgestattet über das wichtige Informationen eingeblendet wurden. Diese Kamera kam nicht mehr in den Vertrieb.

1979/1980 Vorentwicklung einer eigenen Tonkamera für das POLAROID Sofortfilmsystem.

Ende der 1970er Jahre begann die Studienabteilung, sich mittels Aufträgen von Drittfirmen teilweise selbst zu finanzieren. Es gelang umfangreiche und technisch anspruchsvolle Entwicklungsaufträge zu akquirieren, z.B: für Agfa/München entwickelte die Studienabteilung einen Super 8 Filmabtaster mittels Lineararray für das Fernsehen. Anschliessend vergab Agfa die Weiterentwicklung eines 35mm Filmentwicklungssystems an BOLEX und für Philips entwickelte die BOLEX Studienabteilung sogar einen Scherblattantrieb für Rasierapparate.

Der 16mm Bereich von BOLEX  war seit je vom H16 - Kameraprogramm dominiert. Diese Kamera beruhte im Wesentlichen immer noch auf dem Entwurf des BOLEX - Gründers Jaques Bogopolsky. Seit 1970 wurden wichtige Weiterentwicklungen durchgeführt. Die herausragensten waren die integrierte Motorisierung der Kamera, der extrem helle flimmerfreie Dauerreflexsucher mit den Anzeigen einer neu entwickelten Siliziumphotometrie, eine  Schärfenkontrolle mittels einer neuartigen feinkörnigen Mattscheibe, und ein standardisiertes Bajonettsystem, das ein rasches Wechseln der Objektive ermöglichte. Massnahmen zur Geräuschreduktion der Kamera bei Tonaufnahmen, ein neu entwickeltes Unterwassergehäuse für die H16 und viele Detailverbesserungen wie ein neues Filmandrücksystem und Anpassungen im  umfangreichen Zubehör sowie technische Beratung von Verkauf, Kundendienst und institutionellen Kunden gehörten ebenfalls zum Aufgabengebiet der 16mm Gruppe.

Von 1970 bis 1981 wurden 113 BOLEX – Patente angemeldet.

In den nationalen und internationalen Normungsorganisationen war BOLEX ein sehr aktives  Mitglied und arbeitete eng und erfolgreich mit dem EUMIG – Normenbüro zusammen.

1979 verlegte EUMIG die Montage der EUMIG TV Überwachungsanlage (TV-Kamera und Monitor) vom Werk Fürstenfeld nach Yverdon. Gleichzeitig übernahm  die Studienabteilung die Montage der H16 EBM von Paillard (damals schon "Hermes Precisa Int.SA."). Bis dahin erfolgte die Teilefertigung für die 16mm Kameras und deren Montage und Kontrolle bei Hermes in St.Croix.

Im Juni 1981 wurde auf Druck der Österreichischen Länderbank die Liquidation der IMMATRA – Tochtergesellschaften beschlossen.

Im 16mm Bereich konnten bis heute der Kundendienst-Service und ein stark eingeschränktes Angebot unter BOLEX Int. SA. (neue Eigentümer) aufrecht erhalten werden.
Aus der Studienabteilung bildeten sich einige erfolgreiche Einzelfirmen in den Bereichen Elektronik, Optik und mechanische Teilefertigung.

Ende 1981 war die Liquidation abgeschlossen.